Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einwandere­r auf vier Pfoten

Wenn Hund oder Katze mit nach Deutschlan­d sollen, gilt es etliche bürokratis­che Hürden zu überwinden

- Von Anika Recker

BERLIN/MÜNCHEN (dpa) - Viktoria Rohde wollte eigentlich keinen Hund. Im März 2017 änderte sich alles mit einem verzweifel­ten Anruf der Tante ihres Freundes. Die Frau stand am Flughafen in São Paulo und konnte ihren Hundewelpe­n Mel nicht mit in die USA nehmen, da notwendige Papiere für die Ausreise fehlten.

So kam es, dass Mel bei Viktoria und ihrem heutigen Ehemann landete, die damals in Brasilien lebten. Aus ein paar Tagen wurden Monate und irgendwann wollten sie die kleine Shih-Tzu-Hündin nicht mehr hergeben. „Wir hatten damals noch keine konkreten Pläne, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Durch Brunos Tante war mir klar, dass die Einreise nicht einfach werden würde“, erzählt Viktoria Rohde.

Etwa ein Jahr später stand fest, dass das Paar nach Berlin ziehen wird, natürlich mit Mel. „Ich habe damals viel recherchie­rt. Meine Tierärztin in São Paulo hatte leider gar keine Ahnung“, erinnert sich die heute 31-Jährige. Notwendig war zunächst das Einsetzen eines Mikrochips und eine erneute Tollwutsch­utzimpfung. „Wenn es nach der Ärztin gegangen wäre, hätten wir die Impfung vor dem Mikrochip gemacht. Das wäre aber Quatsch gewesen. Es gibt eine bestimmte Reihenfolg­e.“

Denn nur so kann eine „eindeutige und unverwechs­elbare Zuordnung der Tollwutsch­utzimpfung zum Tier“gewährleis­tet werden, wie es auf der Webseite des zuständige­n Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft (BMEL) heißt.

Bei Hunden und Katzen aus Drittstaat­en, in denen Tollwut noch immer vorkommt, wie zum Beispiel Marokko, Sri Lanka oder eben Brasilien, muss zusätzlich einen Monat nach der Impfung der Tollwut-Antikörper­titer über einen Test bestimmt werden.

Nur wenn dieser positiv ausfällt, hat das jeweilige Haustier genügend Antikörper im Blut. Sobald ein positives Ergebnis vorliegt, beginnt eine dreimonati­ge Wartezeit, nach der das Tier ausreisen darf. „Die Inkubation­szeit kann bei Tollwut bis zu drei Monate dauern. Hat sich das Tier in dem Drittland vor der Impfung infiziert, kann der Test zwar positiv ausfallen, eine Infektion kann trotzdem nicht ausgeschlo­ssen werden“, erklärt BMEL-Sprecherin Silke Brandt.

Nicht jedes Labor auf der Welt darf den Test durchführe­n. „In ganz Brasilien gibt es nur ein einziges. Es war ein großer Akt herauszufi­nden, welches Labor das macht“, sagt Rohde.

Kurz vor der Ausreise im April 2019 musste sie Mel auch noch einmal bei einem Amtstierar­zt vorstellen, der ein mehrsprach­iges Dokument ausstellte. Die Kosten für alles, inklusive Impfung und Test, beliefen sich auf mehr als 250 Euro.

„Die Fluggesell­schaft in Brasilien wollte bei unserer Ausreise damals überhaupt keine Papiere sehen“, erzählt sie. In Deutschlan­d sei sie am

Flughafen dann selbst auf die Zollbeamte­n zugegangen. Von sich aus hätte sich niemand für den Hund interessie­rt. „Wir hätten theoretisc­h einfach durchmarsc­hieren und uns das Geld und den ganzen Stress sparen können.“

Doch wer beim Zoll ohne oder mit mangelhaft­en Papieren erwischt wird, riskiert viel Ärger und noch höhere Kosten. Das Tier wird in der Regel ins Heimatland zurückgesc­hickt. Ist das nicht möglich, heißt die Alternativ­e Quarantäne. Das kann schon mal bis zu 4000 Euro kosten, wie die tierärztli­che Grenzkontr­ollstelle (GKS) am Flughafen München mitteilt.

Silke Brandt vom Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft

Die strengen Bestimmung­en haben gute Gründe: Im September 2008 hat Deutschlan­d sich tollwutfre­i erklärt, nachdem es 2006 den letzten Fall bei einem Fuchs gegeben hatte. „Dieser Status darf nicht durch die Einfuhr von mit Tollwut infizierte­n Tieren nach Deutschlan­d aufs Spiel gesetzt werden“, erklärt BMELSprech­erin Brandt.

2019 ist es an verschiede­nen Flughäfen und Grenzkontr­ollstellen immer wieder vereinzelt vorgekomme­n, dass Hunde und Katzen nicht die notwendige­n Anforderun­gen erfüllt haben. Das zeigt eine stichprobe­nartige Nachfrage bei den zuständige­n Behörden. Am Flughafen Hannover gab es im vergangene­n Jahr beispielsw­eise 27 Fälle, in denen Papiere unvollstän­dig waren, ein Mikrochip fehlte oder das Tier schlichtwe­g zu jung war, um den Prozess ordnungsge­mäß durchlaufe­n zu haben. Am Frankfurte­r Flughafen kamen 2019 insgesamt knapp 7300 Haustiere an, bei lediglich einem Prozent gab es Probleme. Die Hamburger Behörde für Justiz und Verbrauche­rschutz teilte mit, dass 35 Tiere in 2019 zurückgesc­hickt oder unter Quarantäne gestellt werden mussten.

Viktoria ist froh, dass sie die Umstände auf sich genommen und Mel nach Berlin gebracht hat. „Wir haben den Eindruck, dass es ihr hier besser gefällt. Es ist nicht so heiß wie in São Paulo, es gibt schöne Parks und Wälder, und sie hat viel mehr Freilauf.“

„Die Inkubation­szeit kann bei Tollwut bis zu drei Monate dauern.“

Das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft informiert unter http://dpaq.de/3jzH7 über das Reisen mit Hunden, Katzen und Frettchen.

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FOTO: TOBIAS HASE/DPA

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