Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Intensive Verflechtung trotz aller Konflikte
USA sind für die deutsche Wirtschaft das wichtigste Abnehmerland – Hoffnung auf Entspannung nach der Wahl
FRANKFURT - Amerika hat gewählt – und nicht nur die deutsche Politik blickt voller Spannung auf das Ergebnis, auch die Wirtschaft hat den Wahlkampf zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer genau verfolgt. Schließlich sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht irgendeine Wirtschaftsnation, im Gegenteil sie sind in vielen Bereichen der wichtigste Handelspartner.
Dabei sind die Beziehungen und vor allem die Wirtschaftsbeziehungen in den vergangenen vier Jahren der Amtszeit des republikanischen Amtsinhabers nicht die besten gewesen. Immer wieder drohte Trump, Zölle auf die Einfuhr europäischer Autos einzuführen oder monierte den hohen Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands gegenüber den USA. Und dennoch sind die deutschen Exporte in die USA seit 2017 um sechs Prozent gestiegen. Damit sind die USA nach den Daten des Statistischen Bundesamtes das wichtigste Abnehmerland für deutsche Waren geblieben. 2019 führten deutsche Unternehmen Güter im Wert von knapp 119 Milliarden Euro in die USA aus, das waren nochmals mehr als in den beiden Vorjahren. Gut 113 Milliarden Euro waren es 2018, knapp 112 Milliarden Euro im Jahr zuvor.
„Die Verflechtungen mit den USA sind traditionell eng, sie sind in ihrem Ausmaß bedeutsam, und sie haben sich etwa beim Handel trotz der Konflikte in den vergangenen Jahren noch intensiviert“, sagt Michael Böhmer, Chefvolkswirt des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos. Der Anteil der USA an den deutschen Ausfuhren stieg von sieben Prozent 2010 auf etwa neun Prozent 2019. Nach China und den Niederlanden sind die USA zudem der wichtigste Importmarkt.
Besonders wichtig ist der Absatzmarkt USA für die deutsche Pharmaindustrie, die 17 Prozent ihrer Exporte dorthin ausführt. Für den Maschinenbau blieb er 2019 der größte Exportmarkt vor China. Auch für die Autobranche ist eine florierende Wirtschaft in den USA entscheidend, und die Umsätze der deutschen Konzerne in den Autohäusern zwischen New York und Los Angeles haben in den vergangenen Jahren weiter zugelegt. Das gefällt Präsident Trump nicht, das hat er immer wieder deutlich gemacht und sich über das weiter hohe Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland geärgert.
Trump habe in den vergangenen Jahren viel über Handelskriege gesprochen, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. „Aber sowohl die Zölle auf Aluminium und Stahl als auch die auf französischen Wein und Käse, die er verhängt hat, die tun dem deutschen Export nicht weh.“Die Wirtschaft fürchtet allerdings mögliche Zölle auf die Einfuhr von Autos. Deshalb haben die deutschen Hersteller auch unter Druck von Trump ihre Investitionen dort erhöht. „Nirgendwo investiert Deutschland mehr als in den USA“, sagt Michael Böhmer vom Prognos-Institut. 2017 lagen die Direktinvestitionen bei 335 Milliarden Euro, das waren 28 Prozent aller deutschen Direktinvestitionen im Ausland.
„Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen sind deutlich stärker als öffentlich wahrgenommen“, sagt auch Frank Riemensperger, Vizepräsident der deutsch-amerikanischen Handelskammer AmCham Germany. Die beiden Wirtschaftsstandorte seien aufeinander angewiesen und arbeiteten gut zusammen. So gehört etwa ein Zehntel der Unternehmen, die in ausländischem Besitz sind, Konzernen aus den USA. Die 30 größten amerikanischen Arbeitgeber in Deutschland sichern hier etwa 306 000 Arbeitsplätze.
Deutschland importiert aus den USA vor allem Datenverarbeitungsgeräte, also Smartphones oder Computer, elektrische und optische Erzeugnisse, Autos und Autoteile sowie Flugzeuge – der amerikanische Flugzeugbauer Boeing steht im harten Wettkampf mit dem europäischen Airbus-Konzern. Doch obwohl die Einfuhren aus den USA nach Angaben des Statistischen Bundesamts zwischen 2017 und 2019 um insgesamt 15 Prozent auf 71,4 Milliarden Euro zulegten, reichten sie damit eben bei Weitem nicht an das Volumen der Exporte von knapp 119 Milliarden Euro heran.
An den guten Handelsbeziehungen hat Donald Trump in seiner Amtszeit bisher zwar nicht grundlegend rütteln können. Die Beziehungen insgesamt haben jedoch gelitten. Doch warnt Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Groß- und Außenhandel (BGA): „Wir dürfen uns nichts vormachen: Wer auch immer die Wahl gewinnt, die transatlantischen Beziehungen werden nicht auf alte Pfade zurückkehren. Wir können aber hoffen, dass der Umgang ein zivilisierter sein wird.“