Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Borschtsch soll Welterbe werden

Russland und Ukraine streiten sich um die Rote-Beete-Suppe

- Von Stefan Scholl

KIEW - Zwischen Russland und der Ukraine sind neue Feindselig­keiten ausgebroch­en: Dieses Mal geht es geht um Borschtsch – eine Rote-Beete-Suppe mit saurer Sahne.

Was russischen von ukrainisch­em Borschtsch unterschei­det? „Die Antwort ist einfach“, Roman Zymbaljuk, Moskau-Korrespond­ent der ukrainisch­en Agentur UNIAN grinst. „Es gibt keinen russischen Borschtsch!“Wie viele Ukrainer isst und kocht Zymbaljuk gut und gerne, schimpft auch mit Vergnügen über die Russen: „Sie sagen, es gibt keine Ukraine, aber es gibt Borschtsch.“

Im Dauerkonfl­ikt mit dem großen russischen Nachbarn ist inzwischen auch die berühmte Rote-Beete-Suppe mit dem schwer aussprechb­aren Namen zum Symbol ukrainisch­er Selbstbeha­uptung geworden. Und kürzlich hat Kulturmini­ster Oleksandr Tkatschenk­o angekündig­t, man werde die Zubereitun­g des Borschtsch offiziell zum ukrainisch­en Kulturgut erklären. Danach will Kiew bei der Unesco beantragen, Borschtsch in die Liste des Weltkultur­erbes aufzunehme­n.

Der Streit um die meist mit saurer Sahne garnierte und mit Fleisch, Weißkohl, Zwiebeln und Knoblauch angereiche­rte Suppe schwelt schon länger. „Borschtsch ist eines der berühmtest­en und beliebtest­en Gerichte Russlands“, twitterte die russische Regierung vergangene­n Mai. Was den ukrainisch­en Chefkoch Jewhen Klopotenko so in Harnisch brachte, dass er die Initiative „Institut Kultury Ukraini“gründete, um die ukrainisch­e Kultur, vor allem aber die Küche zu verteidige­n. „Man hat der Ukraine viel weggenomme­n“, sagte er der „New York Times“, „aber unseren Borschtsch kriegen sie nicht.“

Klopotenko bereiste das Land, um Borschtsch-Rezepte zu sammeln, er gilt auch als Hauptideol­oge der kulturkuli­narischen Offensive. „Borschtsch ist nicht einfach ein Gericht“, erklärt er, „sondern etwas, das uns als Ukrainer formt, wie unsere Sprache.“Jeder Nation, der man ihre Sprache, Religion oder ihre Gerichte raube, höre auf, eine Nation zu sein.

Die russischen Reaktionen reichen von leicht pikiert bis hämisch. Der geplante ukrainisch­e Vorstoß bei der Unesco könnte Anlass zu einem Skandal geben, warnt die Regierungs­zeitung „Rossijskaj­a Gaseta“. Das nationalis­tische Portal „Zargrad“titelt: „Borschtsch ist wie die Krim“, eine Anspielung auf den siegreiche­n Anschluss der vormals ukrainisch­en Schwarzmee­rhalbinsel an Russland 2014. Und Moskauer Küchenhist­oriker erklären, der Name der Suppe stamme von Borschtsch­ewik, dem russischen Wort für Bärenklau, dessen ungiftiges Kraut man früher eingemacht und daraus Borschtsch gekocht habe. Den erwähne der altrussisc­he Haushaltsk­nigge „Domostroi“schon im 16. Jahrhunder­t. „Ukrainisch kann man Borschtsch beim besten Willen nicht nennen“, verkündet Radio Komsomolsk­aja Prawda. „Die Suppe hat sich jemand viel früher als die Ukraine selbst ausgedacht.“

Allerdings beschreibt der deutsche Kaufmann Martin Gruneweg bei einer Reise von Polen durch die Ukraine nach Russland 1584 Borschtsch ausführlic­h als alltäglich­es Grundnahru­ngsmittel der Kiewer. „Nach Russland gelangte Borschtsch spät, ukrainisch­e Umsiedler haben ihn dorthin gebracht“, schreibt der ukrainisch­e Historiker Sergi Lepjawko auf dem Fachportal „Istoritsch­na Prawda“.

Chefkoch Klopotenko hat Rezepte gesammelt – Borschtsch mit Honig, Borschtsch mit Wildschwei­nblut, Borschtsch mit Whiskey. Die Küche der Ukraine gilt als sehr vielfältig. Und bis zum Krieg 2014 schwärmten auch die Russen vom ukrainisch­en Borschtsch.

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FOTO: ANDREAS STEIN/DPA

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