Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Borschtsch soll Welterbe werden
Russland und Ukraine streiten sich um die Rote-Beete-Suppe
KIEW - Zwischen Russland und der Ukraine sind neue Feindseligkeiten ausgebrochen: Dieses Mal geht es geht um Borschtsch – eine Rote-Beete-Suppe mit saurer Sahne.
Was russischen von ukrainischem Borschtsch unterscheidet? „Die Antwort ist einfach“, Roman Zymbaljuk, Moskau-Korrespondent der ukrainischen Agentur UNIAN grinst. „Es gibt keinen russischen Borschtsch!“Wie viele Ukrainer isst und kocht Zymbaljuk gut und gerne, schimpft auch mit Vergnügen über die Russen: „Sie sagen, es gibt keine Ukraine, aber es gibt Borschtsch.“
Im Dauerkonflikt mit dem großen russischen Nachbarn ist inzwischen auch die berühmte Rote-Beete-Suppe mit dem schwer aussprechbaren Namen zum Symbol ukrainischer Selbstbehauptung geworden. Und kürzlich hat Kulturminister Oleksandr Tkatschenko angekündigt, man werde die Zubereitung des Borschtsch offiziell zum ukrainischen Kulturgut erklären. Danach will Kiew bei der Unesco beantragen, Borschtsch in die Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen.
Der Streit um die meist mit saurer Sahne garnierte und mit Fleisch, Weißkohl, Zwiebeln und Knoblauch angereicherte Suppe schwelt schon länger. „Borschtsch ist eines der berühmtesten und beliebtesten Gerichte Russlands“, twitterte die russische Regierung vergangenen Mai. Was den ukrainischen Chefkoch Jewhen Klopotenko so in Harnisch brachte, dass er die Initiative „Institut Kultury Ukraini“gründete, um die ukrainische Kultur, vor allem aber die Küche zu verteidigen. „Man hat der Ukraine viel weggenommen“, sagte er der „New York Times“, „aber unseren Borschtsch kriegen sie nicht.“
Klopotenko bereiste das Land, um Borschtsch-Rezepte zu sammeln, er gilt auch als Hauptideologe der kulturkulinarischen Offensive. „Borschtsch ist nicht einfach ein Gericht“, erklärt er, „sondern etwas, das uns als Ukrainer formt, wie unsere Sprache.“Jeder Nation, der man ihre Sprache, Religion oder ihre Gerichte raube, höre auf, eine Nation zu sein.
Die russischen Reaktionen reichen von leicht pikiert bis hämisch. Der geplante ukrainische Vorstoß bei der Unesco könnte Anlass zu einem Skandal geben, warnt die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“. Das nationalistische Portal „Zargrad“titelt: „Borschtsch ist wie die Krim“, eine Anspielung auf den siegreichen Anschluss der vormals ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel an Russland 2014. Und Moskauer Küchenhistoriker erklären, der Name der Suppe stamme von Borschtschewik, dem russischen Wort für Bärenklau, dessen ungiftiges Kraut man früher eingemacht und daraus Borschtsch gekocht habe. Den erwähne der altrussische Haushaltsknigge „Domostroi“schon im 16. Jahrhundert. „Ukrainisch kann man Borschtsch beim besten Willen nicht nennen“, verkündet Radio Komsomolskaja Prawda. „Die Suppe hat sich jemand viel früher als die Ukraine selbst ausgedacht.“
Allerdings beschreibt der deutsche Kaufmann Martin Gruneweg bei einer Reise von Polen durch die Ukraine nach Russland 1584 Borschtsch ausführlich als alltägliches Grundnahrungsmittel der Kiewer. „Nach Russland gelangte Borschtsch spät, ukrainische Umsiedler haben ihn dorthin gebracht“, schreibt der ukrainische Historiker Sergi Lepjawko auf dem Fachportal „Istoritschna Prawda“.
Chefkoch Klopotenko hat Rezepte gesammelt – Borschtsch mit Honig, Borschtsch mit Wildschweinblut, Borschtsch mit Whiskey. Die Küche der Ukraine gilt als sehr vielfältig. Und bis zum Krieg 2014 schwärmten auch die Russen vom ukrainischen Borschtsch.