Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wirsing: Ein Allround-Talent aus der Natur
Die dunkle Variante des Weißkrauts ist reich an Vitaminen, Eiweiß und Eisen
RIEDLINGEN - Kohl ist ein typisches Herbstgemüse – und von all den unterschiedlichen Kohlarten ganz besonders der Wirsing. Er ist die dunklere Variante des Weißkrauts, hat gewellte Blätter in allen Schattierungen zwischen dunkelgrün und hellgelb, bildet meist einen etwas lockereren Kopf. Er eignet sich daher gut für Kohlrouladen. Eintopfgerichte mit Wirsing sind beliebt; Irish Stew beispielsweise lässt sich mit Wirsing, Gelben Rüben, Kartoffeln und Schaffleisch zubereiten. Da die Wirsingblätter zarter seien als die des Kohls, empfehlen zahlreiche Kochbücher ihn auch – fein geschnitten – als Salatbeigabe; das gewölbte, ganze Blatt ergebe eine dekorative Salatschüssel. Meist wird der Wirsing jedoch als Herbstgemüse gereicht, zusammen mit Kartoffelbrei, Salzkartoffeln oder Pellkartoffeln, mit oder ohne Fleischbeigabe: Bratwürstchen, Fleischküchle oder Ripple.
Der Rezeptvorschlag lautet so: Den Wirsingkopf mit einem großen
Messer in Viertel teilen und diese für etwa zehn Minuten in kaltes Salzwasser legen, damit die Raupen und Käfer flüchten. Dann werden die gröbsten Blattrippen entfernt und die restlichen Blätter in grobe Streifen geschnitten. In einem großen Topf mit etwas Butterschmalz oder Öl werden Zwiebel- oder Schalottenwürfel angedünstet, zwei gehackte Knoblauchzehen ebenfalls. Wenn nicht-vegetarisch gekocht wird, können gewürfeltes Rauchfleisch oder Streifchen von gekochtem Schinken mit angeschwitzt werden. Nun kommen die Wirsingstreifen dazu, werden kurz bei starker Hitze gedreht und mit Gemüsebrühe abgelöscht. Nach etwa zehn Minuten Kochzeit bei milder Hitze kann ein Schuss Sahne beigegeben werden; wer das Gemüse dicker möchte, bindet mit etwas Mehl oder Stärke. Gewürzt wird mit Salz und Pfeffer, mit Muskat. Angeröstete Walnussoder Pinienkerne sind eine passende Ergänzung. Da Wirsing wie die anderen Kohlarten Blähungen oder Verdauungsbeschwerden hervorrufen kann, hilft die Beigabe von geriebenem Ingwer, von gemörsertem Kümmel oder von Fenchelkörnern.
Statt in mehr oder weniger groben und relativ bissfesten Streifen wurde früher der Wirsing häufig als feines Mus zubereitet. Im handgeschriebenen Kochbuch meiner Mutter, noch in für mich schwer lesbarer Deutscher Schrift, sieht das Rezept so aus: zwei W irsing, kochendes Salzwasser, 30 g Fett, ½ Zwiebel, 30 g Mehl, ½ l
Gemüsewasser, Salz, Muskat. Man kocht den Wirsing in Salzwasser weich und treibt ihn dann durch die Fleischhackmaschine. Das Mus gibt man in die Mehlschwitze und löscht mit Gemüsewasser ab. (10 Minuten kochen lassen).
Ein anderes Kochbuch empfiehlt das Blanchieren – kurzes Kochen, abschrecken in Eiswasser – des Wirsings vor dem eigentlichen Garen, da unangenehme Geschmacks- und Bitterstoffe dadurch beseitigt würden. Auch behalte er so eher seine grüne Farbe und seine Vitamine. An denen ist der Wirsing reich, besonders an Vitamin C, dazu an Eiweiß, an Eisen und Phosphor. Und – last but not least – sei der Wirsing besonders wirkungsvoll als äußerlich aufgelegter Krautwickel. Bei Prellungen, Arthrose, Rheuma und Gicht, bei Hals- und Ohrenweh, bei Schmerzen in Knöchel-, Ellenbogenoder Kniegelenk lindern Auflagen von Wirsingblättern. Ein Allround-Talent aus der Natur.