Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Straßenplanung beginnt von vorne
Umstrittene Nordtrasse wird entweder bestätigt oder verworfen - Bürger sollen frühzeitig beteiligt werden
SIGMARINGEN - Es ist mit Abstand das größte Bauprojekt im Landkreis Sigmaringen: der Neubau einer Bundesstraße zwischen Mengen und Meßkirch. Und obwohl im Bundesverkehrswegeplan die sogenannte Nordtrasse verankert ist, verdeutlicht Landrätin Stefanie Bürkle in einem Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“: „Wir beginnen auf einem weißen Blatt Papier und schauen uns alles noch einmal neu an.“Das heißt: In dem Planungsraum zwischen den beiden Städten werden sowohl die im Planungsverfahren der 1980er- und 90er-Jahre bekannten Linien als auch mögliche neue Varianten geprüft. Bis die Straßenplaner zu einer Entscheidung gelangen, welche Variante weiterverfolgt wird, werden voraussichtlich Jahre vergehen.
Der Planungsingenieur, der sich im Auftrag der Landrätin um den Neubau der Bundesstraße kümmert, heißt Thomas Blum. Zur Jahresmitte begann der Konstanzer seinen Dienst im Landratsamt. Dass der Verkehr auf den Hauptadern im Landkreis ein Problem ist, stellt Blum fest, wenn er auf dem Weg ins Büro die Bundesstraße 313 von Stockach in Richtung Sigmaringen fährt. Auch wegen des geballten Schwerlastverkehrs seien die Autofahrer „risikobereiter beim Überholen“, so die persönliche Wahrnehmung des Ingenieurs.
„Wir brauchen eine möglichst verkehrssichere Straße“, sagt Blum aus eigener Erfahrung. Das ist ein Aspekt von vielen, den Experten in den kommenden Jahren untersuchen werden. Eine Straße soll in erster Linie die Verkehrsverbindung im Vergleich zum Status quo verbessern, das ist die Hauptaufgabe für die Planer, doch sie werden eine Vielzahl weiterer Aspekte beleuchten: Umwelt-, Natur- und Artenschutz, die Geologie, Lärm und Gestank, die Belastung der Angrenzer, Baukosten, und so weiter.
All diese Untersuchungen wird
Blum nicht selbst erledigen – der Landkreis wird Planer und Experten beauftragen, die das übernehmen werden. Und nicht nacheinander, sondern möglichst zeitgleich, so das Ziel des Projektsteuerers im Landratsamt. Die Kosten – einen unteren zweistelligen Millionen-Betrag – finanzieren der Landkreis und die Anrainerkommunen vor und erhalten einen Teil zurück, wenn der Plan steht.
Straßenplaner Blum macht deutlich, dass seine Aufgabe ist, die Raumschaft zwischen Meßkirch und Mengen nach geeigneten Trassen zu untersuchen. Dabei kommen Varianten zurück an die Oberfläche, die längst in Schubladen der Straßenbaubehörde verschwunden schienen: die Südtrasse, die Waldtrasse und auch die Nordtrasse, die vor allem Bürger aus Inzigkofen und Laiz verhindern wollen. Deshalb schlugen die beiden Bürgerinitiativen eine Alternativtrasse vor, die ebenfalls in die Untersuchung einfließt.
Alle Untersuchungen erfolgen für die Raumschaft und die verschiedenen Varianten, um am Ende eine Grundlage für eine Entscheidung zu haben: In Abstimmung mit dem Land und dem Bund werde man sich für eine Variante entscheiden, kündigt Landrätin Stefanie Bürkle an: „Ich sage, das wird ausschließlich eine fachliche Entscheidung“, antwortet sie auf die Frage, ob die Politik bei der Entscheidung mitzureden hat.
Klar ist, dass die Ermittlung der Grundlagen Jahre dauern wird. Unklar ist, ob die sogenannte Raumordnung und die Linienbestimmung, die in den 1990er-Jahren bereits erledigt worden sind, wiederholt werden müssen. Die Gespräche hierzu stehen noch aus, zudem hängt es auch davon ab, ob die Nordtrasse bestätigt oder verworfen wird.
Die Bürger sollen früher als bei Verfahren dieser Art üblich beteiligt werden. „Bürger sollen die Möglichkeit bekommen, die getroffenen Entscheidungen nachzuvollziehen“, sagt Thomas Blum, und macht in einem Nachsatz deutlich: „Die Bürger dürfen mitreden, aber nicht entscheiden.“
Zudem werden die Anrainergemeinden über ein Lenkungsgremium eingebunden. Was Thomas Blum nach den ersten Monaten auf der neuen Arbeitsstelle sagen kann: „Ich habe noch nie eine Region erlebt, die so hinter einem Projekt steht wie der Kreis Sigmaringen.“