Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hubschrauber erreichen das Laucherttal zu spät
Das Land will Standorte verlegen – Vorschlag aus Sigmaringen für eine kurzfristige Lösung abgelehnt
LAUCHERTTAL - Weil im Notfall jede Minute zählt, sollen Rettungshubschrauber in Baden-Württemberg tagsüber spätestens 20 Minuten nach der Alarmierung ihr Ziel erreichen. Fast immer gelingt das auch – allerdings nicht im Laucherttal. Deshalb will das zuständige Innenministerium einige Standorte verlegen. Bis zur Umsetzung der Pläne werden jedoch noch einige Jahre vergehen. Eine vom Sigmaringer Landratsamt vorgeschlagene Übergangslösung lehnt das Ministerium ab.
Im Sommer war ein Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizinmanagement der Universität München zur Luftrettung in Baden-Württemberg vorgestellt worden. Dieses zeigt unter anderem Versorgungslücken im Bereich der südlichen Schwäbischen Alb auf: im Norden des Landkreises Sigmaringen, im Osten des Zollernalbkreises sowie im Südwesten des Landkreises Reutlingen.
Gleichzeitig legen die Wissenschaftler konkrete Empfehlungen vor, wie sich die Situation aus ihrer Sicht verbessern ließe. So regen sie beispielsweise an, den Rettungshubschrauber „Christoph 41“von Leonberg nach Süden zu verlegen. Der neue Standort solle auf der Achse Tübingen-Reutlingen liegen, heißt es. Für den Hubschrauber „Christoph 45“wiederum empfehlen die Experten eine Verlegung von Friedrichshafen in den westlichen Landkreis Ravensburg.
Das Sigmaringer Landratsamt unterstreicht auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“den Handlungsbedarf: „Eine Umstrukturierung der Luftrettung ist zur Verbesserung der Patientenversorgung unbedingt erforderlich“, schreibt Pressesprecher Tobias Kolbeck. Landrätin Stefanie Bürkle sei es wichtig, dass die Flugrettung im gesamten Landkreis so rasch wie möglich organisiert wird.
Die Verlegung der Hubschrauberstandorte erachten sowohl das Landratsamt als auch die Betreibergesellschaft der drei Krankenhäuser im Landkreis als sinnvoll. „Das vorgeschlagene Konzept würde die Versorgungslücken schließen“, schreibt Michaela Zeeb, Referentin für Kommunikation und Marketing bei der SRH-Kliniken Landkreis Sigmaringen GmbH.
Die Empfehlungen sollten auch aus Sicht des Innenministeriums zügig umgesetzt werden. Je nach Standort könne die Verlegung allerdings zwei bis fünf Jahre dauern, teilt die Pressestelle mit – unter anderem wegen der sich anschließenden Kündigungen und der komplexen Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von Standorten.
Das Landratsamt hat dem Ministerium deshalb bereits einen Vorschlag für die Übergangszeit unterbreitet: Der Rettungshubschrauber „Christoph 45“könne zeitnah von Friedrichshafen an den Regio-Airport Mengen-Hohentengen verlegt werden. Dafür spreche unter anderem die geografische Lage, so Pressesprecher Kolbeck. „Der Airport befindet sich außerhalb der dichteren Besiedlung und liegt trotzdem zentral zu den umliegenden Kliniken“, schreibt er. Der Flughafen sei witterungsunabhängig und rund um die Uhr erreichbar. Außerdem gebe es genug Platz nicht nur für den Hubschrauber selbst, sondern auch für Piloten, Notärzte und Sanitäter.
Auch die Krankenhaus-Gesellschaft unterstützt diesen Vorschlag. „Wir halten die Einrichtung einer Rettungshubschrauberstation am Flugplatz Mengen bis zur vollständigen Umsetzung des Konzeptes für sinnvoll“, schreibt Michaela Zeeb. Die Kliniken könnten entsprechend Notärzte zur Verfügung stellen.
Zumindest als langfristigen Standort will das Innenministerium die Argumente für den Regio-Airport prüfen. „Im Zuge der empfohlenen Verlegung des Rettungshubschraubers ,Christoph 45’ von Friedrichshafen nach Norden wurde auch der Standort Mengen angeboten“, schreibt der Ministeriumssprecher. „Die vorgetragenen Argumente werden im Rahmen der konkreten Standortprüfungen berücksichtigt.“
Als kurzfristige Übergangslösung kommt der Regio-Airport MengenHohentengen hingegen nicht in Frage. „Das Land ist gemeinsam mit den
Kostenträgern im Rettungsdienst zunächst bestrebt, die Empfehlungen des fachlichen Gutachtens umzusetzen“, so der Sprecher. Hinzu komme, dass das Land aus guten Gründen keine Interimsstandorte plane: Jeder Standort unterliege einem aufwendigen Vergabeverfahren und umfangreichen luftverkehrsrechtlichen Prüfungen sowie Bauplanungen und Baumaßnahmen – auch bei Interimslösungen. „Diesen finanziellen, aber auch zeitlichen Aufwand gilt es nicht zu unterschätzen – eine ,schnelle’ Lösung ist ein Interimsstandort in der Luftrettung daher nicht.“