Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zivilisati­on statt Barbarei

- Von Christine Longin ●» politik@schwaebisc­he.de

Die Französinn­en und Franzosen haben gelernt, mit der Terrorbedr­ohung zu leben. Sie sehen sie jeden Tag, wenn die Soldaten der Anti-Terror-Operation Sentinelle schwer bewaffnet durch ihre Straßen ziehen. Sie spüren sie, wenn neue Anschläge bekannt werden, die in ihrer Grausamkei­t immer neue Höhepunkte erreichen. Mehr als 250 Tote bei Attentaten zählte Frankreich in den vergangene­n fünf Jahren – mehr als jedes andere europäisch­e Land. Allein bei der Anschlagse­rie auf den Konzertsaa­l Bataclan und die Pariser Cafés starben vor fünf Jahren 130 Menschen.

Nach jedem Terrorangr­iff werden Forderunge­n laut, die Verfassung teilweise außer Kraft zu setzen und mit einer Art Kriegsrech­t zu regieren. Seit der jüngsten Anschlagse­rie übertreffe­n sich Konservati­ve und Rechtspopu­listen mit Vorschläge­n, die die Bürgerrech­te mit Füßen treten. Dabei ist Frankreich auch das Land der Allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte. Und das sollte selbst im Kampf gegen die Islamisten nicht vergessen werden.

Frankreich steht den Attentäter­n nicht ohnmächtig gegenüber. Es hat gut ausgestatt­ete Geheimdien­ste, spezialisi­erte Anti-Terror-Einheiten der Polizei und eine robuste Armee. Und es hat eine Justiz, die funktionie­rt. Der Prozess gegen die Hintermänn­er des Anschlags auf die Satirezeit­ung „Charlie Hebdo“zeigt das deutlich. Der Rechtsstaa­t unterschei­de die Zivilisati­on von der Barbarei, sagt Justizmini­ster Eric Dupond-Moretti zu Recht.

Genau diese Zivilisati­on muss nun auch weiterhin aufrecht erhalten werden. Frankreich muss den islamistis­chen Terrorismu­s bekämpfen. Doch der Staat muss dabei die geltenden Rechte respektier­en – das Asylrecht an erster Stelle. Und Frankreich muss sich innerhalb der Grenzen bewegen, die internatio­nale Institutio­nen wie der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte aufzeigen. Wer diesen Rahmen verlassen will, tut Frankreich keinen Gefallen. Denn ohne seine Bürgerrech­te verliert ein Land seine Identität. Und genau das wollen die Attentäter ja erreichen.

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