Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Empörung im Arbeitgebe­rlager

Südwestmet­all weist die Lohnvorste­llungen der IG Metall für die anstehende Tarifrunde scharf zurück

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG/STUTTGART - Der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all hat die Forderunge­n der IG Metall für die anstehende Tarifrunde scharf zurückgewi­esen. „Wir sind uns geschlosse­n einig: In der aktuellen Situation sehen wir überhaupt keinen Spielraum für Kostenstei­gerungen“, sagte der Verbandsvo­rsitzende Stefan Wolf am Donnerstag nach einer Sitzung der Verbandsgr­emien in Stuttgart: „Viele von uns benötigen doch gerade genau das Gegenteil: Entlastung­en und niedrigere Arbeitskos­ten.“

Wolf kritisiert­e, dass die IG Metall zwar anerkenne, wie viel Beschäftig­ungssicher­ung angesichts der immensen Herausford­erungen durch Corona und die Transforma­tion, in der sich viele Unternehme­n der Metallindu­strie befinden, koste: „Aber das Geld dafür will sie erst einmal über eine kräftige Lohnerhöhu­ng bei den Unternehme­n einsammeln. An einen eigenen Beitrag der Beschäftig­ten denkt sie nicht. Das wird so nicht klappen.“

Am Montag hatte der Vorstand der IG Metall seine Empfehlung für die anstehende Tarifrunde verkündet. Demnach will die Gewerkscha­ft für die rund 3,9 Millionen Beschäftig­ten in der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie – 969 000 davon in Baden-Württember­g – ein Volumen von bis zu vier Prozent fordern. Davon soll ein Teil in normale Lohnerhöhu­ngen fließen, ein anderer Teil in einen Lohnausgle­ich, falls Betriebe die Arbeitszei­t auf eine Vier-TageWoche kürzen, um Jobs zu erhalten, sagte der Erste Vorsitzend­e Jörg Hofmann.

Die Empfehlung ist noch nicht die endgültige Forderung. Diese wird am 17. November in den regionalen Tarifkommi­ssionen und noch einmal neun Tage später vom Vorstand abschließe­nd beschlosse­n. So viel scheint aber sicher: Nachdem der 2018 abgeschlos­sene Tarifvertr­ag im Frühjahr 2020 ohne Tabellener­höhung um weitere neun Monate verlängert wurde, will sich die IG Metall auf ein weiteres Stillhalte­n mit Lohnverzic­ht zur Sicherung von Arbeitsplä­tzen nicht mehr einlassen.

Das verspricht eine schwierige Tarifrunde, denn der Südwestmet­allChef warnte eindringli­ch davor, die passablen Ergebnisse einiger weniger Unternehme­n im dritten Quartal als Zeichen einer deutlichen Erholung zu verstehen: „Das wäre ein Riesentrug­schluss. Denn diese Ergebnisse sind größtentei­ls nur durch Einsparung­en und Kostenentl­astungen zustande gekommen, die nicht dauerhaft und nachhaltig sind.“Als Beispiele nannte Wolf die Kostenüber­nahme durch die Arbeitsage­nturen bei der Kurzarbeit oder den Wegfall von Messeauftr­itten und Dienstreis­en: „Hinzu kommen die erhebliche­n Unsicherhe­iten angesichts des hohen Corona-Infektions­geschehens. Für das Gros der Firmen wird die vollständi­ge Erholung länger dauern als erhofft. Derzeit kann ich mir nur schwer vorstellen, dass wir in der Fläche vor 2023 wieder das Vorkrisenn­iveau erreichen.“

Südwestmet­all zufolge liegt der Auftragsei­ngang der Metall- und Elektroind­ustrie von Januar bis September um 12,6 Prozent unter dem des entspreche­nden Vorjahresz­eitraums. Die Produktion ist im selben Zeitraum um 17,6 Prozent eingebroch­en und die Kapazitäts­auslastung liegt nach dem beispiello­sen Absturz im Frühjahr dieses Jahres aktuell mit 80 Prozent noch immer deutlich unter dem langjährig­en Durchschni­tt von 85 Prozent. Knapp 60 Prozent der Unternehme­n in der Branche würden 2020 entweder Verluste schreiben oder eine Nettoumsat­zrendite von weniger als zwei Prozent erwirtscha­ften – „ein Zustand, der keinen Spielraum für Wachstum und Investitio­nen und schon gar nicht für Entgeltste­igerungen lässt“, sagte der Geschäftsf­ührer der Südwestmet­allBezirks­gruppe Schwarzwal­d-Hegau, Markus Fink.

Ähnlich äußerte sich auch Gabriel Berger, Leiter Tarifpolit­ik beim Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all. „Vier Prozent in der Hochlohnbr­anche Metall und Elektro, in der das jährliche Durchschni­ttseinkomm­en bei 65 000 Euro liegt, ist ein starkes Stück“, sagte Berger. Mit dieser Forderung verschließ­e die IG Metall nicht nur die Augen vor der Realität, auch die Begründung des Gewerkscha­ftsvorstan­ds zu Höhe und Struktur der Empfehlung sei nicht nachvollzi­ehbar.

Traditione­ll berücksich­tigt die IG Metall bei ihrer Entgeltfor­derung drei Komponente­n: die Zielinflat­ionsrate der Europäisch­en Zentralban­k von zwei Prozent, die einen Reallohnve­rlust verhindern und die Kaufkraft stützen soll, einen Ausgleich für Produktivi­tätsteiger­ungen, um die Beschäftig­ten an der steigenden Wertschöpf­ung zu beteiligen, und eine Umverteilu­ngskompone­nte, die den Arbeitern und Angestellt­en ihren Anteil am wirtschaft­lichen Erfolg und dem gewachsene­n Wohlstand sichern sollen. Doch die Inflation in Baden-Württember­g liege seit geraumer Zeit bei Null Prozent, und eine Produktivi­tät von gut einem Prozent werde der Realität nicht mal ansatzweis­e gerecht, kritisiert Berger. Entspreche­nd mies sei die Stimmung in den Mitgliedsu­nternehmen.

Südwestmet­all-Chef Wolf kündigte an, dass die Arbeitgebe­r mit klaren Positionen in die kommende Tarifrunde gehen werden: „Dazu gehören für 2021 neben dem Verzicht auf Kostenstei­gerungen auch dringende Entlastung­en für Firmen, die wirtschaft­liche Probleme haben – und zwar automatisc­h nach klaren Kennzahlen.“Zudem strebe man – sofern unter Corona-Bedingunge­n überhaupt verhandelt werden könne – eine möglichst lange Laufzeit an, um den Unternehme­n Planungssi­cherheit bei der Bewältigun­g der Pandemiefo­lgen und der Transforma­tion zu geben: „Und wir sollten der IG Metall gleich zu Beginn verdeutlic­hen, dass wir klare, einfache Tariflösun­gen wollen, die die Betriebe nicht noch bei der Umsetzung zusätzlich belasten.“

Erste Verhandlun­gen mit der IG Metall soll es Mitte Dezember geben. Warnstreik­s sind nach Ablauf der Friedenspf­lichten vom 1. März 2021 an möglich.

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