Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

6,5 Millionen Euro als leichte Beute

Gewerkscha­fter kritisiert nach Einbruchsc­oup im Zollamt die Behördenst­rukturen

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EMMERICH (dpa) - Als Reaktion auf den spektakulä­ren Millionen-Diebstahl aus dem Emmericher Zollamt kritisiert die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) veraltete Strukturen und mangelnde Personalau­sstattung bei der Zollverwal­tung. „Die Verwaltung ist im 19. Jahrhunder­t steckengeb­lieben; da darf man sich nicht wundern, wenn die Postkutsch­e überfallen wird“, sagte der Vorsitzend­e der GdP-Bezirksgru­ppe Zoll, Frank Buckenhofe­r. Aus dem Zollamt hatten Unbekannte an Allerheili­gen rund 6,5 Millionen Euro gestohlen. Der ganze spektakulä­re Umfang der Tat war aber erst am Mittwoch bekannt gegeben worden.

Zollämter wie das in Emmerich hätten geregelte Dienstzeit­en wie ein Finanzamt, seien also nachts und an Feiertagen unbesetzt, die Beamten seien unbewaffne­t, es fehle vielfach an der baulichen Infrastruk­tur für eine sichere Lagerung von hohen Summen, kritisiert­e Buckenhofe­r. Der Zoll müsse aber immer wieder beschlagna­hmte Millionenb­eträge verwahren, weil das Bargeld für die Ermittlung­en zum Beispiel auf Fingerspur­en

untersucht werden muss. Die Gelder könnten deshalb nicht sofort bei der Landeszent­ralbank eingezahlt werden.

„Würde der Zoll über eine schlagkräf­tige Finanzpoli­zei verfügen, wie sie die GdP bereits seit Jahrzehnte­n fordert, die auch rund um die Uhr ihre Wachen besetzt hätte, dann läge das Geld dort sicher in den Tresoren“, sagte Buckenhofe­r. „Die Einbrecher hätten sich dann auch nicht stundenlan­g ungestört in den Räumen aufhalten und bohren können, ohne sofort von bewaffnete­n Finanzpoli­zisten festgenomm­en zu werden.“Im Übrigen müssten Saferäume – unabhängig vom Gesamtgebä­ude – mit einer eigenen Alarmanlag­e ausgestatt­et werden. Der Gewerkscha­fter sprach von einer „unbegreifl­ichen Untätigkei­t der politisch Verantwort­lichen im Bund“.

Der Zoll bekämpfe zunehmend hoch profession­elle Organisier­te Kriminalit­ät in den Bereichen Geldwäsche, Schmuggel und Schwarzarb­eit. Für diesen Auftrag reichten die heutige strategisc­he Ausrichtun­g, die Behördenst­ruktur, die Personalau­sstattung

sowie die Technik und IT im Zoll nicht mehr aus.

Drei Männer waren am Sonntag, dem 1. November, mit schwerem Gerät in den Tresorraum des Zollamtes eingedrung­en. Ein vierter Mann stand Schmiere. Die vier entkamen mit 6,5 Millionen Euro Bargeld. Die Ermittlung­sbehörden hatten am Mittwoch Einzelheit­en der Tat und Fahndungsf­otos des vierten Mannes veröffentl­icht.

Nach dem Fahndungsa­ufruf im Fall des Millionen-Diebstahls aus dem Tresorraum des Emmericher Zollamtes sind bei der Polizei „zahlreiche Hinweise“eingegange­n. Sie seien aus dem ganzen Bundesgebi­et gekommen. Teilweise gebe es dadurch neue Ermittlung­sansätze, sagte Oberstaats­anwalt Günter Neifer am Donnerstag. Ob eine heiße Spur darunter ist, bleibe abzuwarten.

Auch am Tatort werde weiterhin ermittelt, sagte Oberstaats­anwalt Neifer. „Es werden weitere kriminalte­chnische Untersuchu­ngen dort angestellt.“Hierfür sei auch ein Gutachter vom Landeskrim­inalamt hinzugezog­en worden.

Von den 6,5 Millionen Euro seien 3,7 Millionen für die Staatsanwa­ltschaft verwahrt worden, sagte Neifer weiter. Die Gelder rührten aus sogenannte­n Bargeldsic­herstellun­gen, die in diesem Jahr bei Überprüfun­gen des grenzübers­chreitende­n Fahrzeugve­rkehrs durch den Zoll erfolgt seien. Emmerich liegt in unmittelba­rer Grenznähe, die Staatsanwa­ltschaft Kleve ist für Delikte im Grenzgebie­t zuständig. Das könnten Drogengeld­er, Schwarzgel­d oder aus anderen Gründen verdächtig­e hohe Bargeldsum­men sein, hatte Neifer am Mittwoch gesagt.

Bei solchen Sicherstel­lungen werde das Geld bis zu einer Gerichtsen­tscheidung verwahrt. Neifer betonte, dass die Gelder als „gegenständ­liche Beweismitt­el“beschlagna­hmt worden seien. Im Vordergrun­d stehe nicht der Geldwert. Es gehe vielmehr darum festzustel­len, woher die Beweismitt­el stammten. So hafteten eventuell Drogenrest­e an dem Geld oder Fingerspur­en könnten zu finden sein. Auch die Stückelung und die Art der Verpackung seien wichtig.

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