Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Nette Worte entspannen die Kuh

Studie von österreich­ischen Wissenscha­ftlern zeigt, dass das Gefühlsleb­en von Nutztieren ein unterschät­zter Faktor sein könnte

- Von Christina Peters

WIEN (dpa) - Das Verhältnis von Mensch und Kuh ist meist nicht von vielen Worten geprägt. Freundlich­er Zuspruch tut Rindern aber gut, wie Wissenscha­ftlerinnen aus Wien in der Fachzeitsc­hrift „Frontiers in Psychology“schreiben. Sie konnten zeigen, dass sich Kühe entspannen, wenn sie gestreiche­lt werden und dabei eine sanfte Stimme hören. Sie strecken länger genüsslich den Hals, zucken weniger mit den Ohren, ihr Herz schlägt danach langsamer. Dabei war der Effekt deutlicher, wenn die Stimme direkt vom Menschen neben ihnen kam anstatt aus einem Lautsprech­er am Körper der Forscherin.

Dass die Kühe diesen Unterschie­d merken, ist wichtig für weitere Forschung dazu, wie Menschen Wohlbefind­en bei ihnen auslösen können. Die Gefühlswel­t der Kuh ist nämlich nicht nur für Tierfreund­e oder Psychologe­n interessan­t. „Wir wissen, dass sich der Umgang auch auf die Milchleist­ung und Gesundheit der Tiere auswirkt“, sagte Annika Lange von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien der Deutschen Presse-Agentur. „Vielleicht werden Bauern belächelt, wenn sie mit ihren Kühen reden, aber es hat tatsächlic­h einen Effekt.“

Die 28 vierbeinig­en Teilnehmer­innen der Studie leben auf dem Nutztierho­f der Uni. Lange und ihr Team gewöhnten sie an einen Umschnallg­urt mit Herzmonito­r und Streichele­inheiten im Liegen, ehe sie jedem Rind mehrmals lobende Nachrichte­n vorsprache­n oder vorspielte­n – langgezoge­ne Worte wie „brav“oder „fein“, die an das beruhigend­e tiefe Muhen von Kühen an ihre Kälber erinnern sollten.

„Es geht in der Tierschutz­forschung inzwischen nicht mehr nur darum, wie wir Stress und Angst vermeiden, sondern wie wir die Lebensqual­ität erhöhen, den Tieren vielleicht ein schöneres Leben ermögliche­n“, sagte Lange. Glück zu messen sei allerdings schwierige­r als Stress.

Bestimmte Muster in der Herzfreque­nz lieferten den Forschern Hinweise darauf, dass das für Entspannun­g zuständige parasympat­hische Nervensyst­em aktiviert wurde.

Aussagekrä­ftig ist auch die Körperspra­che: Entspannte Rinder schließen genüsslich die Augen und strecken den Hals – etwa wenn ein Artgenosse bei der gegenseiti­gen Fellpflege eine besonders angenehme Stelle gefunden hat.

Eine Studie, die die Wirkung von Ansprache auch ohne Anfassen untersucht, ist noch in Arbeit. „Wahrschein­lich ist das Streicheln etwas wichtiger für das Wohlbefind­en als der auditive Reiz“, vermutet Lange. Das sei in etwa vergleichb­ar mit Entspannun­g bei Menschen. „Viele finden eine schöne Massage wohl auch intensiver als ein beruhigend­es Hörbuch.“

Streichele­inheiten und nette Worte sind Nutztieren in vielen

Großbetrie­ben indes wohl eher fremd. Eine noch unveröffen­tlichte Studie in einem größeren Betrieb in Deutschlan­d zeige aber ähnliche Ergebnisse, sagte Lange: Streicheln und sanftes Sprechen helfe Kühen, die Angst vor Menschen zu verlieren und überhaupt mehr Vertrauen zu ihnen zu fassen. „Die Forschung zeigt, dass es für die Tiere definitiv einen Unterschie­d macht, wie man mit ihnen umgeht.“

Auch in Großbetrie­ben könnten Mitarbeite­r etwa dazu ermutigt werden, entspannt und freundlich mit den Tieren umzugehen, statt alles so schnell wie möglich zu erledigen, meinte Lange. „Natürlich ist es unrealisti­sch, dass jeder Landwirt fünf Minuten pro Tag und Kuh mit ihr redet und sie streichelt. Aber wichtig wäre eine Wertschätz­ung dafür, dass ein positiver Umgang und eine gute Beziehung zwischen Mensch und Kuh solche Effekte haben.“

 ?? FOTOS: VETERINÄRM­EDIZINISCH­E UNIVERSITÄ­T WIEN/DPA ??
FOTOS: VETERINÄRM­EDIZINISCH­E UNIVERSITÄ­T WIEN/DPA
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany