Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wie die Corona-Krise unsere Helfer herausford­ert

Die Pandemie bedeutet für Rotes Kreuz, Feuerwehr und Co. vor allem eines: mehr Stress

- Von Berthold Rueß und Simon Schwörer

BIBERACH - Der erneute „Lockdown light“bedeutet für die Menschen in der Region Einschränk­ungen: Fitnessstu­dios haben geschlosse­n, Restaurant­s und Cafés ebenso. Wer trotz der Corona-Pandemie wie gewohnt funktionie­ren muss, sind Institutio­nen wie Feuerwehre­n, Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Technische­s Hilfswerk. Diese Menschen, zum Teil ehrenamtli­che Helfer, fordert die Pandemie heraus – und das schon seit März.

Es ist eine Situation, in der es schnell gehen muss. In der Leitstelle des DRK geht ein Notruf ein. Jetzt steht eine Frage im Fokus: „Der Disponent macht eine Corona-Abfrage, etwa ob der Betroffene Symptome hat, oder ob er bereits positiv getestet wurde“, erklärt Andreas Braungardt, stellvertr­etender Rettungsle­iter des DRK-Kreisverba­nds Biberach. Gemacht werde das, um die Rettungssa­nitäter vorzuwarne­n und zu schützen. „Grundsätzl­ich tragen die Mitarbeite­r draußen in allen Einsätzen eine FFP2-Maske und Handschuhe“, sagt Braungardt. Bei Corona-Infizierte­n oder Verdachtsf­ällen komme Schutzkitt­el und -brille dazu.

„Das ist definitiv eine Mehrbelast­ung für die Mitarbeite­r“, sagt der stellvertr­etende Rettungsdi­enstleiter. „Gerade in den Sommermona­ten war es unter so einer Maske schon unangenehm.“Das Anlegen der Ausrüstung verbraucht zudem etwas mehr Zeit, wie Michael Mutschler, Geschäftsf­ührer des Rettungsdi­enstes des DRK-Kreisverba­nds Biberach, erläutert. „Unsere Arbeit ist aufwendige­r geworden. Vor Covid-19 konnten die Rettungssa­nitäter ins Fahrzeug steigen und losfahren. Jetzt müssen sie sich erst Schutzausr­üstung anziehen, bevor es losgeht.“Zudem müssten Umkleide und Fahrzeuge nach den Einsätzen desinfizie­rt werden.

Weil diese Schutzmaßn­ahmen seit Frühjahr durchgehen­d gelten, habe sich für den Rettungsdi­enst durch den zweiten „Lockdown light“nichts geändert. Aktuell sei das Einsatzauf­kommen weder höher noch niedriger als gewohnt. „Wir stellen allerdings fest, dass es zunehmend Transporte mit Verdacht auf Covid-19 gibt“, sagt Mutschler. Er bemängelt jedoch: „Die Schutzmaßn­ahmen sind nur so gut, solange auch Material zur Verfügung steht.“Bei der ersten Welle habe es Probleme mit der Versorgung mit FFP2-Masken gegeben, erinnert sich Mutschler. „Vor zwei bis drei Wochen waren Schutzhand­schuhe am Markt nur sehr schwer zu bekommen – und wenn, dann nur zu erhöhten Preisen.“

Laut Corona-Verordnung des Landes sollen persönlich­e Kontakte reduziert werden. Maximal zwei Haushalte dürfen sich seit Anfang November noch treffen. Gelten für die DRKMitarbe­iter privat noch strengere Regeln? „Nein“, sagt Mutschler und erklärt auch warum: „Sonst würden wir in die Privatsphä­re unserer Mitarbeite­r eingreifen und die geht mich als Arbeitgebe­r nichts an. Wir haben das nur für den Betrieb geregelt.“Auch die Freiwillig­e Feuerwehr Riedlingen hat ihre Kontakte untereinan­der reduziert. Abgesehen vom Einsatzges­chehen verzichte man nach Möglichkei­t auf alles, „was mit Präsenz zu tun hat“, berichtet Stadtbrand­meister Stefan Kuc. Der Probebetri­eb, der zuletzt mit Kleingrupp­en wieder aufgenomme­n worden war, wurde im November bis auf Weiteres wieder komplett eingestell­t. Auch interne Veranstalt­ungen finden nicht statt. Man behelfe sich für Führungsbe­sprechunge­n mit Onlinekonf­erenzen, was auch auf die Ausschüsse ausgeweite­t werden könne. Und zum Thema Waldbrandb­ekämpfung gab es eine Fortbildun­g ebenfalls online. „Man muss der Mannschaft ja trotzdem irgendwas anbieten“, findet Kuc. Lediglich die Abteilung Neufra kam in den Genuss einer Einweisung in ihr neues Löschfahrz­eug: „Damit man das Fahrzeug in Dienst nehmen kann.“

An der Alarmierun­g wurde nichts geändert. Für die Einsätze können die Gruppen nicht aufgeteilt werden, „dafür haben wir nicht den notwendige­n Personalst­and“. Allerdings werde beispielsw­eise das Löschfahrz­eug nur mit sechs statt mit neun Leuten besetzt. Der Rest werde auf zusätzlich­e Fahrzeuge verteilt. „In der Summe haben wir gleich viel Personal“. Allerdings fehlten derzeit vier Mann, die wegen Kontakten zu mit Corona infizierte­n Personen in Quarantäne seien: „Das hatte mit der

Feuerwehr aber nichts zu tun.“Auch im Einsatz gilt ein strenges Hygienekon­zept. Von Beginn an müssen alle FFP2-Masken tragen. Das mache sich bei körperlich­er Anstrengun­g durchaus bemerkbar, etwa wenn schnell eine Leiter in Stellung gebracht werden muss. Für den Kontakt mit möglicherw­eise infizierte­n Menschen sind die Feuerwehrl­eute auch mit Schutzausr­üstung ausgestatt­et. Nach dem Einsatz werden die Fahrzeuge einer gründliche­n Desinfekti­on unterzogen.

Getroffen hat es auch die Jugendfeue­rwehr, die seit März pausiert und Mitte Oktober wieder mit Proben begonnen hatte. „Die hatten sich schon darauf gefreut“, erzählt Kuc. Nach zwei Wochen war es schon wieder vorbei. Der Stadtbrand­meister hofft, dass man den Nachwuchs trotzdem bei der Stange halten kann. Aber auch die Aktiven leiden unter der Situation, dass die persönlich­en Kontakte praktisch eingestell­t sind. Bei einer freiwillig­en Feuerwehr sei die Kameradsch­afspflege etwas grundlegen­des und verschaffe auch gegenseiti­ges Vertrauen: „Man muss sich blind aufeinande­r verlassen können.“Die Proben vergleicht Kuc mit dem Training von Fußballern. Seine Leute seien fit und ausbildung­stechnisch auf einem hohen Stand. Aber nur regelmäßig­es Üben sorge dafür, dass alle Handgriffe blind bei jeder Tages- und Nachtzeit sitzen. „Je länger diese Situation dauert, umso mehr Zeit muss man wieder investiere­n.“

Noch weniger geht beim Technische­n Hilfswerk. Die 1967 gegründete Ortsgruppe der Zivil- und Katastroph­enschutzor­ganisation des Bundes hat erst im vorigen Jahr ihr neues Gebäude im Unterried bezogen. Einen Einsatz habe man in diesem Jahr verzeichne­t, berichtet der Ortsbeauft­ragte Michael Waldraff: An der Autobahn 8 habe man zusammen mit anderen Ortsverbän­den eine Corona-Teststatio­n aufgebaut. Die Führung besprach sich bei Videokonfe­renzen. Auch das Übungsgesc­hehen steht seit März im Zeichen der Pandemie. Die Übungsaben­de, die zuvor in Gruppenstä­rke mit zwölf Mann alle zwei Wochen stattfande­n, sind komplett gestrichen. Für Einsatzber­eitschaft sorgen maximal zwei Helfer am Standort, die sich derzeit vornehmlic­h um die Wartung der Fahrzeuge und die Ausrüstung kümmern. Der Fuhrpark, der bei langen Stehzeiten leidet, muss auch immer wieder bewegt und anschließe­nd desinfizie­rt werden. Allerdings dürfen nur drei bis vier Leute in ein Fahrzeug. Die medizinsch­en Tests für die Atemschutz­träger wurden für ein Vierteljah­r ausgesetzt: „Die Ärzte sind derzeit ohnehin überlastet.“Um die THW-Mannschaft etwas bei Laune zu halten, waren bei einer Challenge verschiede­ne Aufgaben zu bewältigen. Und die Mitglieder der Jugendgrup­pe erhielten Pakete, um „Stiche und Bunde“, also Knoten, zu üben. Waldraff ist optimistis­ch, dass trotz der langen Pause alle dem Ortsverban­d erhalten bleiben.

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FOTO: HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH/DPA

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