Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Wie die Corona-Krise unsere Helfer herausfordert
Die Pandemie bedeutet für Rotes Kreuz, Feuerwehr und Co. vor allem eines: mehr Stress
BIBERACH - Der erneute „Lockdown light“bedeutet für die Menschen in der Region Einschränkungen: Fitnessstudios haben geschlossen, Restaurants und Cafés ebenso. Wer trotz der Corona-Pandemie wie gewohnt funktionieren muss, sind Institutionen wie Feuerwehren, Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Technisches Hilfswerk. Diese Menschen, zum Teil ehrenamtliche Helfer, fordert die Pandemie heraus – und das schon seit März.
Es ist eine Situation, in der es schnell gehen muss. In der Leitstelle des DRK geht ein Notruf ein. Jetzt steht eine Frage im Fokus: „Der Disponent macht eine Corona-Abfrage, etwa ob der Betroffene Symptome hat, oder ob er bereits positiv getestet wurde“, erklärt Andreas Braungardt, stellvertretender Rettungsleiter des DRK-Kreisverbands Biberach. Gemacht werde das, um die Rettungssanitäter vorzuwarnen und zu schützen. „Grundsätzlich tragen die Mitarbeiter draußen in allen Einsätzen eine FFP2-Maske und Handschuhe“, sagt Braungardt. Bei Corona-Infizierten oder Verdachtsfällen komme Schutzkittel und -brille dazu.
„Das ist definitiv eine Mehrbelastung für die Mitarbeiter“, sagt der stellvertretende Rettungsdienstleiter. „Gerade in den Sommermonaten war es unter so einer Maske schon unangenehm.“Das Anlegen der Ausrüstung verbraucht zudem etwas mehr Zeit, wie Michael Mutschler, Geschäftsführer des Rettungsdienstes des DRK-Kreisverbands Biberach, erläutert. „Unsere Arbeit ist aufwendiger geworden. Vor Covid-19 konnten die Rettungssanitäter ins Fahrzeug steigen und losfahren. Jetzt müssen sie sich erst Schutzausrüstung anziehen, bevor es losgeht.“Zudem müssten Umkleide und Fahrzeuge nach den Einsätzen desinfiziert werden.
Weil diese Schutzmaßnahmen seit Frühjahr durchgehend gelten, habe sich für den Rettungsdienst durch den zweiten „Lockdown light“nichts geändert. Aktuell sei das Einsatzaufkommen weder höher noch niedriger als gewohnt. „Wir stellen allerdings fest, dass es zunehmend Transporte mit Verdacht auf Covid-19 gibt“, sagt Mutschler. Er bemängelt jedoch: „Die Schutzmaßnahmen sind nur so gut, solange auch Material zur Verfügung steht.“Bei der ersten Welle habe es Probleme mit der Versorgung mit FFP2-Masken gegeben, erinnert sich Mutschler. „Vor zwei bis drei Wochen waren Schutzhandschuhe am Markt nur sehr schwer zu bekommen – und wenn, dann nur zu erhöhten Preisen.“
Laut Corona-Verordnung des Landes sollen persönliche Kontakte reduziert werden. Maximal zwei Haushalte dürfen sich seit Anfang November noch treffen. Gelten für die DRKMitarbeiter privat noch strengere Regeln? „Nein“, sagt Mutschler und erklärt auch warum: „Sonst würden wir in die Privatsphäre unserer Mitarbeiter eingreifen und die geht mich als Arbeitgeber nichts an. Wir haben das nur für den Betrieb geregelt.“Auch die Freiwillige Feuerwehr Riedlingen hat ihre Kontakte untereinander reduziert. Abgesehen vom Einsatzgeschehen verzichte man nach Möglichkeit auf alles, „was mit Präsenz zu tun hat“, berichtet Stadtbrandmeister Stefan Kuc. Der Probebetrieb, der zuletzt mit Kleingruppen wieder aufgenommen worden war, wurde im November bis auf Weiteres wieder komplett eingestellt. Auch interne Veranstaltungen finden nicht statt. Man behelfe sich für Führungsbesprechungen mit Onlinekonferenzen, was auch auf die Ausschüsse ausgeweitet werden könne. Und zum Thema Waldbrandbekämpfung gab es eine Fortbildung ebenfalls online. „Man muss der Mannschaft ja trotzdem irgendwas anbieten“, findet Kuc. Lediglich die Abteilung Neufra kam in den Genuss einer Einweisung in ihr neues Löschfahrzeug: „Damit man das Fahrzeug in Dienst nehmen kann.“
An der Alarmierung wurde nichts geändert. Für die Einsätze können die Gruppen nicht aufgeteilt werden, „dafür haben wir nicht den notwendigen Personalstand“. Allerdings werde beispielsweise das Löschfahrzeug nur mit sechs statt mit neun Leuten besetzt. Der Rest werde auf zusätzliche Fahrzeuge verteilt. „In der Summe haben wir gleich viel Personal“. Allerdings fehlten derzeit vier Mann, die wegen Kontakten zu mit Corona infizierten Personen in Quarantäne seien: „Das hatte mit der
Feuerwehr aber nichts zu tun.“Auch im Einsatz gilt ein strenges Hygienekonzept. Von Beginn an müssen alle FFP2-Masken tragen. Das mache sich bei körperlicher Anstrengung durchaus bemerkbar, etwa wenn schnell eine Leiter in Stellung gebracht werden muss. Für den Kontakt mit möglicherweise infizierten Menschen sind die Feuerwehrleute auch mit Schutzausrüstung ausgestattet. Nach dem Einsatz werden die Fahrzeuge einer gründlichen Desinfektion unterzogen.
Getroffen hat es auch die Jugendfeuerwehr, die seit März pausiert und Mitte Oktober wieder mit Proben begonnen hatte. „Die hatten sich schon darauf gefreut“, erzählt Kuc. Nach zwei Wochen war es schon wieder vorbei. Der Stadtbrandmeister hofft, dass man den Nachwuchs trotzdem bei der Stange halten kann. Aber auch die Aktiven leiden unter der Situation, dass die persönlichen Kontakte praktisch eingestellt sind. Bei einer freiwilligen Feuerwehr sei die Kameradschafspflege etwas grundlegendes und verschaffe auch gegenseitiges Vertrauen: „Man muss sich blind aufeinander verlassen können.“Die Proben vergleicht Kuc mit dem Training von Fußballern. Seine Leute seien fit und ausbildungstechnisch auf einem hohen Stand. Aber nur regelmäßiges Üben sorge dafür, dass alle Handgriffe blind bei jeder Tages- und Nachtzeit sitzen. „Je länger diese Situation dauert, umso mehr Zeit muss man wieder investieren.“
Noch weniger geht beim Technischen Hilfswerk. Die 1967 gegründete Ortsgruppe der Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes hat erst im vorigen Jahr ihr neues Gebäude im Unterried bezogen. Einen Einsatz habe man in diesem Jahr verzeichnet, berichtet der Ortsbeauftragte Michael Waldraff: An der Autobahn 8 habe man zusammen mit anderen Ortsverbänden eine Corona-Teststation aufgebaut. Die Führung besprach sich bei Videokonferenzen. Auch das Übungsgeschehen steht seit März im Zeichen der Pandemie. Die Übungsabende, die zuvor in Gruppenstärke mit zwölf Mann alle zwei Wochen stattfanden, sind komplett gestrichen. Für Einsatzbereitschaft sorgen maximal zwei Helfer am Standort, die sich derzeit vornehmlich um die Wartung der Fahrzeuge und die Ausrüstung kümmern. Der Fuhrpark, der bei langen Stehzeiten leidet, muss auch immer wieder bewegt und anschließend desinfiziert werden. Allerdings dürfen nur drei bis vier Leute in ein Fahrzeug. Die medizinschen Tests für die Atemschutzträger wurden für ein Vierteljahr ausgesetzt: „Die Ärzte sind derzeit ohnehin überlastet.“Um die THW-Mannschaft etwas bei Laune zu halten, waren bei einer Challenge verschiedene Aufgaben zu bewältigen. Und die Mitglieder der Jugendgruppe erhielten Pakete, um „Stiche und Bunde“, also Knoten, zu üben. Waldraff ist optimistisch, dass trotz der langen Pause alle dem Ortsverband erhalten bleiben.