Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auf der Suche nach einem Mittagsmahl
Schüler treibt es mittags in Supermärkte – Realschule will bald Nahrhaftes auf dem Schulgelände anbieten
RIEDLINGEN - Seit dem Schulstart im September spielen sich mehrmals pro Woche unübersichtliche Szenen in einem Supermarkt in der Gammertinger Straße in Riedlingen ab: Gegen 13 Uhr pilgern Dutzende hungriger junger Menschen von der Realschule zu einem Lebensmittelhändler. Dort drängen sie in die Geschäftsräume, um sich ein Mittagessen, Snacks oder Getränke zu kaufen. An den Kassen bilden sich lange Schlangen, Mitarbeiter des Markts verlieren die Übersicht, wie viele Menschen im Supermarkt einkaufen. In Zeiten der Corona-Pandemie ist das heikel: Gedrängel ist unerwünscht, Abstandsregeln müssen eingehalten werden. Das erzeugt Stress, sowohl bei den Schülern als auch den anderen Menschen im Markt.
Der Grund für das Phänomen: Seit einiger Zeit kann die Realschule keine Kost mehr in der Mittagspause anbieten. „Bis zum Beginn der Corona-Pandemie hat uns die Bäckerei Bochtler mittags versorgt. In der Cafeteria wurden belegte Brötchen und andere kleine Gerichte verkauft“, sagt Werner Rieber, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Realschule. Allerdings sei das nicht mehr der Fall, die Bedingungen in den vergangenen Monaten hätten sich verändert. Bochtler wolle auch weiterhin Mittagessen in der Schule anbieten, gleichwohl fehle Personal, um die Ware am Schulhaus zu verteilen. „Wir suchen bereits mit dem Elternbeirat eine Lösung für die Problematik. Wir wollen noch vor den Weihnachtsferien ein Ergebnis haben.“
Die Elternbeiratsvorsitzende der Geschwister-Scholl-Realschule, Sabine Weidner, sagt der SZ, sie erarbeite derzeit konkrete Vorschläge, um die Situation zum Guten zu wenden – schließlich „müssen die Kinder etwas essen. Und das Angebot soll vielfältig sein“. Sie sei nicht nur mit einer Bäckerei im Gespräch, sondern auch mit einer Metzgerei. Diese Betriebe sollten Mittagsgerichte für die Realschule anbieten können. „In einem Brief an die Elternvertreter fragen wir jetzt erst einmal den tatsächlichen Bedarf für Mittagsgerichte ab. Aber egal welche Lösung wir finden, wir müssen auch aus Kostengründen Eltern bitten, bei der Verteilung des Essens mitzuhelfen.“
Denn unter dem Regime der geltenden Corona-Verordnungen kann die Geschwister-Scholl-Realschule keinen großen Raum bereitstellen, in dem die jungen Menschen essen können. „Wir haben keine Mensa. Und die großen Aufenthaltsräume in der Schule dürfen wir nicht nutzen, weil die jeweiligen Klassen voneinander getrennt bleiben müssen. Die Schüler können in ihren Klassenräumen essen oder nach draußen gehen“, erklärt Schulleiter Rieber.
Neue Ideen gibt es bereits: Speisen könnten am Außenfenster der Cafeteria verkauft werden – oder eine Art Food Truck rollt auf den Hof, aus dem die Gerichte an die jungen Leute ausgegeben werden. Für Sabine Weidner ist Folgendes denkbar: Gastronomiebetriebe in Riedlingen, die derzeit geschlossen sind, könnten Schüler bewirten und damit Geld verdienen. In jedem Fall soll es ein nachhaltiges Konzept geben. Gegenwärtig bestellen sich viele Schüler telefonisch Döner Kebap oder Pizzen und ließen diese Gerichte von einem Lieferdienst in die Schule bringen. Täglich stapeln sich Pizzakartons und andere Verpackungen in und an den Mülltonnen, ist zu hören. Dieses Problem beobachtet auch Anja Blüthgen am Kreisgymnasium. Die Schulleiterin sagt aber, die Mensa des Gymnasiums sei in Betrieb. Bis zu 250 Schüler hätten dort Platz. Gebäck, Getränke sowie kleinere und größere Gerichte würden in der Cafeteria verkauft. Doch nicht jeder, der am Nachmittag Unterricht habe, nehme das Angebot an. Sie räumt ein, einige Gymnasiasten suchten mittags ebenfalls Supermärkte in Riedlingen auf.
Der Rewe-Markt hat inzwischen auf den Ansturm der jungen Menschen reagiert und den Zugang zu den Verkaufsflächen beschränkt. Nach Informationen
dieser Zeitung dürfen Kunden von Montag- bis Mittwochnachmittag ausschließlich mit Korb oder Einkaufswagen von Rewe in die Geschäftsräume kommen – immer dann, wenn einige Klassen in der Realschule nachmittags Unterricht haben und ihre Pause ab etwa 13 Uhr in der Nähe der Schule verbringen. Im Übrigen kontrolliert ein Sicherheitsdienst am Eingang des Supermarkts die Regeln.
Einige Schüler rennen das letzte Stück zum Markt, um noch einen Einkaufswagen zu ergattern. Zwei Schülerinnen, die anonym bleiben wollen, erzählen, dass sie trotz der geänderten Vorgaben im Rewe oft lange in der Schlange warten müssten. „Wir gehen auch manchmal zum Lidl nebenan.“Dort sei es nicht so voll.