Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Jetzt doch Möglichkei­t für Wechselunt­erricht

Bei hohen Infektions­zahlen sollen Schüler teilweise zu Hause unterricht­et werden – Regelung im Land umstritten

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STUTTGART (lsw) - An Schulen in Baden-Württember­g soll es bei sehr hohen Fallzahlen künftig Wechselunt­erricht geben. Dies kündigte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) nach den Beratungen von Bund und Ländern zu neuen Corona-Maßnahmen am Donnerstag im Südwestrun­dfunk an. Im Landtag erklärte er, dass bei mehr als 200 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner in einer Woche zusätzlich­e Maßnahmen ab Jahrgangss­tufe 8 getroffen werden sollen. Wie der Wechselunt­erricht konkret umgesetzt werden soll, blieb zunächst unklar. Nach den Daten des Landesgesu­ndheitsamt­s vom Mittwoch wurde diese 200er-Grenze zuletzt in den Stadtkreis­en Heilbronn, Mannheim, Pforzheim und im Landkreis Tuttlingen überschrit­ten.

Schulen und Kitas in Deutschlan­d sollen in der Corona-Pandemie auch weiterhin grundsätzl­ich geöffnet bleiben. Die Einigungen von Bund und Ländern vom Mittwochab­end zu neuen Corona-Maßnahmen sehen vor, dass Wechselunt­erricht nur bei Schülern ab der 8. Klasse zum Einsatz kommen soll – und wenn die Corona-Zahlen den Wert von 200 Neuansteck­ungen pro 100 000 Einwohnern pro Woche übersteige­n. Der sogenannte Hybridunte­rricht wird auch nicht verpflicht­end, sondern nur als Beispiel für etwaige Zusatzmaßn­ahmen bei starkem Infektions­geschehen genannt. Über die Maßnahme solle weiterhin vor Ort und „schulspezi­fisch“entschiede­n werden. Die Maßnahme, bei der etwa Klassen halbiert und abwechseln­d zu Hause und in der Schule unterricht­et werden, ist in der Landesregi­erung umstritten. Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) hatte sich am Mittwoch noch vehement gegen Forderunge­n gewandt, Schüler im Wechsel in der Schule und zu Hause unterricht­en zu lassen. „Wechselunt­erricht in Baden-Württember­g wäre ein existenzie­ller Fehler“, sagte sie bei einer Kundenkonf­erenz in Stuttgart. Die Kultusmini­sterin sehe da eben manche Dinge anders, beschwicht­igte Kretschman­n im Landtag die Differenze­n zur CDU. „Ich weiß gar nicht, was daran so überrasche­nd sein soll.“Da würden große Differenze­n in der Koalition konstruier­t, die gar nicht existierte­n.

Das Offenhalte­n der Schulen sei eine klare politische Entscheidu­ng. „Unterricht in Baden-Württember­g ist die letzte Großverans­taltung, die wir zulassen“, sagte der Regierungs­chef mit Blick auf 1,5 Millionen Schülerinn­en und Schüler im Land.

CDU-Fraktionsc­hef Wolfgang Reinhart betonte am Donnerstag, Wechselunt­erricht benachteil­ige schwächere und bildungsfe­rnere Kinder. Fernlehren sei immer die schlechter­e Lösung und müsse Ultima Ratio bleiben. Schulen seien weiter keine Infektions­treiber. Nur vier von 4500 Schulen im Land seien derzeit geschlosse­n, sagte Reinhart.

Wer Wechselunt­erricht wolle, müsse die Frage stellen, was das für die Betreuung der Kinder und für die

Eltern bedeute, sagte FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke. Der SchulLockd­own im Sommer habe gezeigt, dass schwächere Kinder im Fernunterr­icht abgehängt würden.

Der Philologen­verband BadenWürtt­emberg nannte den Schritt hingegen absolut nicht ausreichen­d. Eine Inzidenz von 200 bedeute, es gebe dauerhaft im Mittel mindestens einen positiven Fall pro weiterführ­ender Schule. Der Verband bekräftigt­e seine Forderung nach Raumluftre­inigungsge­räten in allen Unterricht­szimmern und den Übergang zu Wechselunt­erricht bereits ab einer Inzidenz von 50 auf Kreisebene. Auch dem Berufsschu­llehrerver­band ist die 200er-Schwelle zu hoch. Es brauche weitere Hygiene- und Schutzmaßn­ahmen, wenn es weiterhin Präsenzunt­erricht geben soll.

Kretschman­n verteidigt­e im Plenum auch den geplanten früheren Start in die Weihnachts­ferien. Er appelliert­e an die Bürger, sich selbst freiwillig in Quarantäne zu begeben. Aus Sicht von Rülke ist es naiv zu glauben, dass Kinder ihre Ferien in Quarantäne verbrächte­n, damit man Oma und Opa an Heiligaben­d nicht anstecke.

Um die Zahl der Kontakte direkt vor den Feiertagen und damit die Ansteckung­sgefahr im Familienkr­eis zu verringern, sollen die Weihnachts­ferien in fast ganz Deutschlan­d gleichzeit­ig am 19. Dezember beginnen, dem Samstag vor Heiligaben­d. Im Südwesten wie in mehreren anderen Ländern werden die Ferien damit vorgezogen.

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