Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Aus Konkurrenten werden Kollegen
Vor zehn Jahren entscheiden sich vier Landwirte in Hahnennest für eine Kooperation
HAHNENNEST - Ende der 2000erJahre waren Preise für Weizen und Schweine im Keller. Manch einem Landwirt wurde angesichts der trüben Zukunftsaussichten bange. „Da haben auch wir in Hahnennest uns Gedanken gemacht. Bis dato waren wir Konkurrenten, wenn es etwa um Flächen und Pacht ging. Daher kam uns die Idee, stattdessen mal gemeinsam etwas zu versuchen“, erinnert sich Mitbegründer Simon Rauch. Wie viele andere Landwirte beschäftigte auch die Hahnennester damals das Thema Biogas. Zehn Jahre später ist der Energiepark ein breit aufgestelltes Unternehmen mit 30 Angestellten – plus die Beschäftigten aus den eigenen Familien.
Zehn Millionen Euro haben die vier Familien Rauch, König, Kaltenbach und Metzler in die Zwei-Megawatt-Anlage investiert. Seit 2012 ist sie in Betrieb, produziert aktuell 1100 Kubik Rohgas pro Stunde. Zum Vergleich das entspricht einem Heizwert von rund 6000 Kilowattstunden. Es war damals in Baden-Württemberg die erste Anlage, die Biogas ins Höchstdrucknetz einspeist. Über ein angeschlossenes Nahwärmenetz beziehen mittlerweile 80 Haushalte in Hahnennest, Mettenbuch, Burgweiler und Waldbeuren ihre Energie. „Rückblickend betrachtet war das ein ziemlich mutiger Schritt, weil wir an die Sache relativ unbedarft herangegangen sind. Mit der Zeit hat sich aber die Zusammenarbeit als extremer Mehrwert herausgestellt, weil wir uns optimal ergänzt haben“, sagt Rauch. So habe der eine etwa ein Talent für Betriebswirtschaft, der andere sei ein Tüftler bei technischen Angelegenheiten.
Im Laufe der Jahre schauten die Landwirte sich für die Biogasanlage nach einer Alternative zum Mais um. Fündig wurden sie ausgerechnet in einem Quartett-Spiel mit Pflanzen, denn dort stach die Durchwachsene Silphie die anderen Karten aus. So pflanzte der Burgweiler Ralf Brodmann, der mittlerweile als Landwirt zum Energiepark hinzugestoßen war, die Silphie in seinem Garten an, vertiefte die Recherche. Voller Begeisterung zeigte er seinen
Kollegen die Pflanze und die zu erwartenden Erträge. „In der Ausbeute ist sie zwar rund zehn Prozent geringer als Mais, hat aber ganz andere Vorteile“, sagt Brodmann. Denn die Blühpflanze sei eine mehrjährige Staude, erfordere ab dem zweiten Standjahr keine Bodenbearbeitung und Pflanzenschutzmaßnahmen, sorge für einen Humusaufbau und könne sich durch die bis zu zwei Meter tiefen Wurzeln besser versorgen. „Bienen und Insekten lieben sie. 30 Imker haben hier im Umfeld rund 1000 Bienenvölker aufgestellt“, sagte Brodmann. Auch andere Landwirte seien mittlerweile interessiert. In Deutschland und dem benachbarten Ausland wachse die Donau-Silphie aus Hahnennest auf rund 6000 Hektar Fläche – Tendenz steigend.
Im Energiepark landete die Silage der Pflanze bislang in der Biogasanlage, die Verarbeitung der Fasern dauerte aber etwas länger als bei anderen Materialien. Über den Arbeitskreis Bio-Ökonomie des Landes knüpften die Landwirte Kontakte in andere Branchen, zusammen mit der Schwarz-Gruppe entstand die Idee der Fasergewinnung. Ergebnis ist die seit Mai stehende Dampfaufschlussanlage. Darin werden die faserreichen Stängel der Silphie aufgeschlossen und zur Herstellung von Papierverpackungen aufbereitet.
Reststoffe landen weiterhin in der Biogasanlage. „Als sich uns diese Chance aufgetan hat, haben wir schnell das Potenzial auch im Zuge der Debatte um Plastik erkannt. Denn durch die optimale Verwertung schließen wir zudem einen Kreislauf und sind auch wirtschaftlich unabhängiger von Zuschüssen und Subventionen. Da muss die Landwirtschaft hin“, sagt Rauch. Dafür sei auch kurzzeitig der Bau des 1000-Kühe-Stalls hintenangestellt worden. „Wir können auch als Gemeinschaft nicht alles gleichzeitig. Auch wenn das Projekt bei vielen Menschen umstritten ist, hat es alle rechtlichen Hürden genommen und
Wie hat sich das gesellschaftliche Leben im vergangenen Jahrzehnt verändert? Und was erwartet uns in den kommenden zehn Jahren? Bis lesen Sie eine Bestandsaufnahme mit Blick in die Vergangenheit und Zukunft. Wenn möglich, untermauern wir unsere Analysen mit Daten. Nachzulesen sind alle Serienteile unter
Samstag, 7. November: So verändert sich die Welt der Vereine
Dienstag, 10. November: So sieht die Ärzteversorgung im Kreis aus
Freitag, 13. November: Die Dorfwird nächstes Jahr begonnen“, sagt Rauch.
Durch die Gemeinschaft gab es für die Einzelnen aber auch Freiheiten. Etwa zwei bis drei Wochen Urlaub im Jahr, wovon als Einzelkämpfer zuvor nur zu träumen gewesen sei. „Enorm wichtig war aber auch, dass jeder seinen eigenen Hof weiter unabhängig bewirtschaftet. Dort können wir Alphatiere uns dann ausleben, wissen aber, dass es im Energiepark auf Kompromisse ankommt“, sagt der 38-Jährige mit einem Schmunzeln. Dabei hatten die Erfahrungen aus der Branche eigentlich nichts Gutes verheißen. Viele Kooperationen seien schließlich gescheitert, weil zu viele Zugeständnisse gemacht werden mussten oder Beteiligte Reibungen nicht in den Griff bekommen haben.
In einem Teil der Familien ist nach einem Jahrzehnt bereits die nächste Generation am Betrieb beteiligt. „Die denken schon automatisch aus der Gemeinschaft heraus, entwicklung am Beispiel der Region Altshausen und von Hermentingen
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Heute, Montag, 30. November: weil sie es gar nicht anders kennen. Das ist die Basis für eine gute Zukunft“, sagt Rauch. Die Früchte der Arbeit in Hahnennest sieht er auch für andere Betriebe als eine Zukunftsoption. In Gemeinschaft oder auch alleine. „Wir haben zum Beispiel bei der Silphie eine optimale Verwertungskette aufgezeigt. Andere Betriebe in Deutschland werden demnächst nachziehen“, sagt der Landwirt. In Hahnennest selber werde aber kein Wert auf das Motto „höher, schneller, weiter“gelegt. Wichtiger sei den Familien eine generationenverträgliche Landwirtschaft. Sodass auch sein jüngstes Kind mit nun drei Jahren noch die Entscheidungsfreiheit haben werde, in den Betrieb einzusteigen. Eine generelle Prognose für die Landwirtschaft im Jahr 2030 wagt Rauch nur bedingt. „Aber für uns bin ich überzeugt, dass sich in den nächsten zehn Jahren wieder Türen öffnen, die wir jetzt noch gar nicht im Blick haben“, sagt der 38-Jährige.
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