Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einmalige Chance, das Stadtsäckel zu füllen
Kommunen erhalten Kompensation für Gewerbesteuer-Ausfall – Wie nachhaltig wirkt die Finanzspritze?
RIEDLINGEN/REGION - Neuartig und bislang einmalig ist dieser Finanzstrom, der im November in die Städte und Gemeinden in BadenWürttemberg zugeflossen ist: eine Kompensation für die fehlenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer 2020. Insgesamt hat laut Gemeindetag Baden-Württemberg das Land dafür 1,811 Milliarden Euro zusätzlich in die Hand genommen. Keine Frage, die Kämmerer in den Rathäusern zwischen Donau, Bussen und Federsee können die Finanzspritze gut gebrauchen, denn die Corona-Krise hat in zahlreichen Kommunen zu erheblichen Einnahmerückgängen geführt – gerade auch bei der Gewerbesteuer.
Doch nicht jede Gemeinde hat solche Probleme. „Wir sind von der jetzigen Krise nicht ganz so hart betroffen, denn einige der bei uns angesiedelten Betriebe erleben einen Boom“, sagt Elmar Lohner, Kämmerer der Gemeinde Altheim. Die Gewerbesteuer-Einnahmen blieben bislang recht stabil. Der Kompensationsbetrag von 196 000 Euro wirke für Altheim wie ein „Konjunkturprogramm“. Darüber hinaus profitierten davon sämtliche Städte und Gemeinden in der Region und Baden-Württemberg. Denn er rechnet damit, dass die stabile Haushaltslage in Altheim im kommenden Jahr zu einem Geldabfluss aus der Gemeindekasse in den kommunalen Finanzausgleich führt. Das nütze finanzschwachen Kommunen im Land in den kommenden Jahren. „Ich rechne damit, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen in Altheim im nächsten Jahr leicht sinken, aber in den darauffolgenden
Jahren wieder ansteigen.“
Wenngleich Elmar Lohner für sich einen gewissen Planungshorizont hat, gilt das nicht für sämtliche Kommunen im Ländle. Karl Reif, Finanzreferent des Gemeindetags Baden-Württemberg, würdigt die diesjährige Kompensation für das fehlende Geld aus Gewerbesteuereinnahmen als wichtiges Instrument. In Zeiten der mannigfaltigen Rettungsschirme und üppigen Geldtöpfchen für Unternehmen bräuchten ebenso die Kommunen finanzielle Hilfe. Denn Städte und Gemeinden müssten zahlreiche CoronaAuflagen und andere Aufgaben schultern. Das koste zusätzliches Geld. Ob sie nach 2021 wieder auf solche Pfründe wie in diesem Jahr zurückgreifen können, bleibe unklar. „Die diesjährige Kompensationszahlung, für die der Bund das Grundgesetz geändert hat, deckt im Großen und Ganzen die fehlenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer 2020. Im August wussten die Kommunen bereits, wie viel Geld sie bekommen würden. Sie hatten eine gewisse Planungssicherheit“, erklärt
Reif. Immerhin erwarte er, dass gut eine Milliarde Euro in den nächsten zwei Jahren in der Masse des kommunalen Finanzausgleichs verbleiben. Aufgrund der einmaligen Struktur des baden-württembergischen Finanzausgleichsgesetzes, überweise nicht nur das Land Geld an die Kommunen, sondern Städte und Gemeinden verteilen ihre Finanzmittel mit Hilfe einer Umlage – je nach Ertragskraft – untereinander.
Für Kommunen wie Bad Buchau ist ein solches Umlagesystem ganz entscheidend. Bei der Steuerkraft nimmt die Kurstadt seit Jahren im Landkreisvergleich die hinteren Plätze ein, umso wichtiger erscheinen Umlagen und Schlüsselzuweisungen. „Unsere Gewerbesteuereinnahmen sind im Durchschnitt deutlich unter einer Million und nur in besonders guten Jahren im siebenstelligen Bereich“, erklärt Bürgermeister Peter Diesch. In der Krise schon fast ein Vorteil: „Wir sind von der Gewerbesteuer
Savita Christ, Kämmerin der Stadt Bad Buchau
Alleshausen 12 602,70 €; Allmannsweiler 20 879,10 €; Altheim 196 000,20 €; Bad Buchau 309 424,50 €; Betzenweiler 375 447,60 €; Dürmentingen 535 144,50 €; Dürnau 6207,30 €; Ertingen 533 827,80 €; Kanzach 25 017,30 €; Langenenslingen deshalb nicht so existenziell abhängig wie andere Kommunen“, sagt Diesch. Dennoch sei man „nicht unglücklich“über die rund 309 500 Euro Gewerbesteuerkompensation.
Zusammen mit einigen großen Gewerbesteuernachzahlungen aus 2018 können die „übliche“eine Million Euro Gewerbesteuereinnahmen trotz Corona-Krise gut erreicht werden, zeigt sich auch Kämmerin Savita Christ optimistisch: „Dieses Jahr wird – wenn es so bleibt – ein ziemlich gutes Jahr werden.“Rückgänge habe es freilich auch gegeben, vor allem bei der Gastronomie und allgemein im Tourismus. Doch da diese Bereiche ohnehin nur einen kleinen Anteil an den Gewerbesteuereinnahmen haben, können die Mindereinnahmen ausgeglichen werden. „Ich habe eher Bedenken, was in den nächsten zwei, drei Jahren kommt“, blickt Christ voraus. Dann werde man wohl die – schon vor Corona bestehende – Krise im Maschinenbau stärker zu spüren bekommen. Und auch die Kompensationszahlungen haben ihren Haken: Sie werden auf die Gewerbesteuereinnahmen angerechnet, die zeitversetzt für die Berechnung der Schlüsselzuweisungen herangezogen werden. 470 250 €; Moosburg 13 731,30 €; Oggelshausen 88 030,80 €; Riedlingen 974 546,10 €; Seekirch 12 602,70 €; Tiefenbach
24 076,80 €; Unlingen
155 746,80 €; Uttenweiler 440 530,20 €; Zwiefalten
138 253,50 €. Dadurch erscheint Bad Buchaus Steuerkraft etwas mächtiger als sie tatsächlich ist.
„Die Kompensation ist eine Hilfe. Aber für die Zukunft müssen wir wieder zu einem normalen Modus kommen“, sagt der Riedlinger Kämmerer Elmar Seifert. Er sei dem Land sehr dankbar für die rund 947 000 Euro Kompensationszahlung, aber in den nächsten Jahren müsse sich die Stadt bemühen, wieder mehr Gewerbesteuer aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Oft hänge es vom Branchenmix an den jeweiligen Wirtschaftsstandorten ab, welchen Effekt die Corona-Krise auf die Gewerbesteuererträge habe. Riedlingen weise eine gute Bandbreite von Unternehmen auf. Und dennoch schrumpften die Erlöse aus der Gewerbesteuer, Riedlingens wichtigste Einnahmequelle, deutlich: Statt der bereits eher pessimistisch kalkulierten 3,2 Millionen Euro, die für den Haushalt 2020 berechnet wurden, erwartet Seifert derzeit 2,5 bis 2,8 Millionen Euro für das laufende Jahr. „Wir dürfen nicht jammern. Wir müssen uns halt bemühen.“
Jammern möchte auch Wolfgang Kopp nicht. Unlingens Kämmerer kann zwar die Steuerausfälle noch nicht im Detail abschätzen. Doch die Kompensationszahlung über rund 155 700 Euro reichen zumindest aus, um ein Fünftel der im Haushalt eingeplanten 700 000 Euro Gewerbesteuereinnahmen auszugleichen. Und was danach komme, müsse sich zeigen: „Die coronabedingten Mindereinnahmen werden erst im nächsten Jahr richtig spürbar werden.“
Diese Einschätzung teilt auch Kopps Kollege in Dürmentingen.
Die Gemeinde hat einen Ausgleich über rund 535 000 Euro erhalten und kurzfristig, so Kämmerer Simon Schübert, „hilft uns das schon“. Tatsächlich seien die aktuellen Gewerbesteuerausfälle geringer als die Kompensationszahlung. „Wir wissen aber noch nicht, wie es sich entwickelt, denn viele Betriebe haben ihre Vorauszahlung noch nicht angepasst.“Für die Gemeinde sei ein solches finanzielles Polster jedoch wichtig, da im nächsten Jahr für das Großprojekt „Lebendige Ortsmitte“der Baubeginn anstehe.
Auch in Uttenweiler kommt die Finanzspritze über rund 440 000 Euro im richtigen Moment. „Für uns ist das sehr hilfreich, weil wir teilweise Rückzahlungen bei der Gewerbesteuer zu leisten haben“, sagt Bürgermeister Werner Binder. Neben diesen Rückzahlungen über gut 400 000 Euro fallen nun wegen der CoronaKrise auch noch Mindereinnahmen an. Stand heute betragen die Gewerbesteuereinnahmen damit rund 870 000 Euro – im Haushaltsplan seien mit 1,6 Millionen Euro gut das Doppelte eingeplant worden, vergleicht Kämmerin Heike Binder. Durch die Kompensationszahlung hofft die Gemeinde nun auf einen bestimmten Puffer, um bereits verschobene Projekte, wie den Brückenbau in Sauggart, im kommenden Jahr angehen zu können. Die rund eine Million Euro teure Maßnahme soll nun im Frühjahr ausgeschrieben werden, kündigt Bürgermeister Binder an: „Wir müssen jetzt einfach ein bisschen auf Sicht fahren. Aber wenn die öffentliche Hand als Auftraggeber wegfallen würde, wäre das für die Wirtschaft auch nicht gut.“
„Ich habe eher Bedenken, was in den nächsten zwei, drei Jahren kommt.“