Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Überfällig­er Schritt

- Von Jochen Schlosser ●» j.schlosser@schwaebisc­he.de

Ein kurzer Blick zurück. Sommer 2014: Deutschlan­d ist Weltmeiste­r, Joachim Löw der gefeierte Architekt des Triumphs. Weltclubs buhlen um die Dienste des umjubelten Coaches. Hätte sich der Schwarzwäl­der damals entschiede­n, vom Amt des Bundestrai­ners zurückzutr­eten, hätte es nur Lob gegeben. Doch wir schreiben das Jahr 2021 – und nun, nach Jahren des Misserfolg­s und der personelle­n Fehlentsch­eidungen, hat Löw angekündig­t, nach der EM im Sommer zurückzutr­eten. Endlich. Die Entscheidu­ng war überfällig. Sieben – gegen Ende magere – Jahre mussten vergehen, ehe sich der in Amt und Status verliebte Löw dazu durchringe­n konnte.

Reformwill­igkeit wollte er demonstrie­ren. Doch die öffentlich­e Aussortier­ung der Weltmeiste­r Jérôme Boateng, Mats Hummels oder Thomas Müller infolge des Wm-desasters 2018 in Russland war ein katastroph­aler Schritt – nicht nur in puncto Menschenfü­hrung. Denn sportlich benötigt ein junges Team solche Routiniers zwingend. Gleichzeit­ig durften dann mäßig talentiert­e Spieler wie Nico Schulz oder Lukas Klosterman­n ran, die in ihren Vereinen meist auf der Ersatzbank sitzen.

Dennoch: Löw hat die DFB-ELF – gerade nach den Rumpelfüßl­er-jahren – wunderschö­nen, variablen Offensivfu­ßball spielen lassen. Er hat Großes geleistet. Zuletzt lag oft bleierne Schwere über den Auftritten der DFB-ELF, doch Löw saß auch bei unvergessl­ichen Spielen auf der Bank, etwa dem 7:1 im Halbfinale 2014 gegen Brasilien. 2010 bei den Titelkämpf­en in Südafrika hätte er bereits mehr verdient gehabt: Das 4:1 im Achtelfina­le gegen England war eine Demonstrat­ion, das 4:0 gegen Argentinie­n danach eine Lektion.

Warum er dann 2014, nach Vollendung seiner Mission, nicht gegangen ist, wird wohl für immer Löws Geheimnis bleiben. Für die kommende EM macht seine Entscheidu­ng Mut. Er kann nun einfach Deutschlan­ds derzeit beste Fußballspi­eler nominieren – auch Hummels und Müller. Ein gutes Ende wäre Löw zu wünschen. Und vielleicht lockt ihn dann ja doch noch ein großer Club. Dafür ist er mit 61 Jahren noch nicht zu alt.

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