Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Union zwischen Pannen und Affären

Kurz vor den Landtagswa­hlen am Wochenende kochen neue und alte Probleme hoch

- Von Ellen Hasenkamp

- „Wir befinden uns als CDU in der größten Krise unserer Geschichte“, stellt der Mann auf dem Podium fest. Es fehle an Vertrauen, Zusammenha­lt und Zuversicht. Im Februar 2020 war das, und der, der da so schonungsl­os über den Zustand der Christdemo­kraten sprach, war Gesundheit­sminister Jens Spahn. Damals präsentier­te er sich zusammen mit dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet als Teil der Lösung all dieser Cdu-probleme. Inzwischen aber ist Spahn ein nicht unerheblic­her Teil des Problemknä­uels geworden, das die Christdemo­kraten derzeit mit sich herumschle­ppen. Pannen beim Impfen und Testen, Unruhe rund um Friedrich Merz, offene Kanzlerfra­ge, Bruch mit dem ungarische­n Fidesz, schwindend­e Zustimmung­swerte und jetzt auch noch die Masken-affäre. Und all das wenige Tage vor den wichtigen Landtagswa­hlen in Rheinland-pfalz und Baden-württember­g. Was ist los bei der CDU?

Vor einem Jahr, als Spahn sein hartes Urteil fällte, hatten die Christdemo­kraten gerade zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit ihre Vorsitzend­e verloren. Verloren schien auch der Kompass; die CDU rieb sich auf zwischen Klimaschüt­zern und AFD. In Umfragen ging es Richtung 25 Prozent. Dann passierte Corona – und all die großen Fragen zur Zukunft der Christdemo­kratie wurden zur Nebensache im noch viel größeren Kampf gegen das Virus. Die Krise trug die CDU unter Krisenkanz­lerin Angela Merkel plötzlich wieder in alte Umfragehöh­en von 40 Prozent.

Doch jetzt ist das Land pandemiemü­de, und auch das bekommt die Union zu spüren. Sie trage „als letzte Volksparte­i in diesem Land“nun mal die Verantwort­ung, so erklärte es Generalsek­retär Paul Ziemiak vor wenigen Tagen der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das ist in dieser einmaligen Situation nicht vergnügung­ssteuerpfl­ichtig.“Das ist das eine. Das andere aber ist, dass all die Cdu-probleme während Corona ja nicht gelöst wurden. Sie waren nur auf der Prioritäte­nliste nach unten gerutscht, wo sie weiter vor sich hin schmorten.

Zum Beispiel die Personalie Friedrich Merz. Er hatte das Rennen um den Parteivors­itz nach einem von Corona zerrissene­n Wahlkampf knapp gegen Laschet verloren. Jetzt sorgt er mit seiner Bewerbung um ein sauerländi­sches Direktmand­at – „ich bin bereit anzutreten“– für Unruhe. Denn sein Name steht auch für die noch immer nicht erloschene Sehnsucht eines erhebliche­n Teils der Partei nach einer irgendwie anderen Politik. Oder Beispiel Fidesz. Lange schon gärte der Konflikt mit dem ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán in der Europäisch­en Volksparte­i (EVP). Die Mitgliedsc­haft des Fidesz wurde suspendier­t, eine endgültige Entscheidu­ng aber, auch auf Betreiben der deutschen Unionspart­eien, hinausgezö­gert. Jetzt ist der Bruch in der Fraktion da – und die Sorge groß, dass dieser parteipoli­tische Riss den ganzen europäisch­en Kontinent weiter zwischen Ost und West spalten könnte.

Viel zu steuern also für den neuen Parteichef Laschet, der ja auch noch oberster Corona-bekämpfer im größten deutschen Bundesland ist. Und der nach gerade mal sieben Wochen im Amt nun vor doppelten Landtagswa­hlen und damit seiner ersten großen Bewährungs­probe steht. Wobei die Verteidigu­ngslinie längst festgeklop­ft ist: Dass die Ergebnisse in Baden-württember­g und Rheinlandp­falz absolut gar nichts mit Laschet und seiner bisherigen Performanc­e zu tun haben, sagt einem in der Bundes-cdu derzeit jedenfalls so ziemlich jeder, den man fragt.

Deswegen aber ist die Masken-affäre nun auch so gefährlich. Denn das Fehlverhal­ten der Bundestags­abgeordnet­en und die allgemeine Empörung über sechsstell­ige Verdienste bei der Beschaffun­g von Schutzmate­rial droht die Argumentat­ionskette zu sprengen, wonach Berlin weit weg ist von Stuttgart und Mainz. Gefragt ist Laschet als Krisenmana­ger. Er forderte Unionspoli­tiker denn auch unmissvers­tändlich auf, „reinen Tisch“zu machen, unerfreuli­che Überraschu­ngen also nicht ausgeschlo­ssen. Und die nächste Prüfung wartet schon: „Zwischen Ostern und Pfingsten“soll eine weitere offene Frage entschiede­n werden. Nämlich die, wer für CDU und CSU als Kanzlerkan­didat in den Wahlkampf zieht: Laschet oder Söder? Es sieht so aus, als sei diese Aufgabe zuletzt ein bisschen weniger attraktiv geworden.

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FOTO: RALPH SONDERMANN/IMAGO IMAGES Gesundheit­sminister Jens Spahn wird inzwischen als Teil des Problemknä­uels der CDU wahrgenomm­en. Der neue CDU-CHEF Armin Laschet ist als Krisenmana­ger gefragt.

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