Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Starke Übersterbl­ichkeit bei über Achtzigjäh­rigen

Die Sterbezahl­en zeigen die Gefährlich­keit des Virus – Trendwende im Februar

- Von Hajo Zenker

- Wie tödlich ist Corona tatsächlic­h? Statistike­r versuchen, Antworten zu liefern. Das Statistisc­he Bundesamt hat jetzt neue Zahlen veröffentl­icht: In der zweiten Welle waren viel mehr an oder mit Corona Gestorbene zu beklagen als in der ersten. Es traf insbesonde­re die Älteren. Gleichzeit­ig macht sich bemerkbar, dass die Grippewell­e dank Hygiene und hoher Impfquote ausgefalle­n ist – weshalb im Februar 2021 sogar weniger Menschen starben als üblich.

Um abzuschätz­en, wie tödlich eine Krankheit ist, wird die Übersterbl­ichkeitsra­te herangezog­en, man schaut, wie viele Menschen normalerwe­ise in der jeweiligen Zeit sterben würden und wie viel mehr es bei einem besonderen Krankheits­geschehen sind. So kam das Robert-koch-institut (RKI) für die schwere Grippesais­on 2017/18 in einer späteren Abschätzun­g etwa auf 25 000 Tote, obwohl es nur 1674 laborbestä­tigte Fälle gab.

Wie sehr nun Corona-todesfälle die Zahl der Verstorben­en beeinfluss­t haben, zeigen Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s für 2020. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „durchgehen­d und deutlich erhöhte Sterbefall­zahlen im Vergleich zum Durchschni­tt der Jahre 2016 bis 2019“. Mitte April war die Abweichung mit 15

Prozent über dem vierjährig­en Durchschni­tt am größten. Auch die Zahl der Covid-19-todesfälle, die beim RKI gemeldet werden, hatte da einen Höchststan­d erreicht. Im gesamten April lag die Zahl der Gestorbene­n zehn Prozent über dem Durchschni­tt der Vorjahre. Danach normalisie­rte sich das Geschehen – mit der Ausnahme Mitte August, wo – laut Behörde wegen der Hitze – die Zahlen um 21 Prozent über dem Schnitt lagen.

Während auch noch in der ersten Oktoberhäl­fte die Gesamtzahl der Sterbefäll­e im Bereich des Durchschni­tts der Vorjahre lag, nahm ab Mitte Oktober die Übersterbl­ichkeit spürbar zu – auf sieben Prozent. Für den November waren es elf Prozent mehr als gewöhnlich, im Dezember bereits 31 Prozent. Im Januar 2021 lagen die Sterbefall­zahlen noch 20 Prozent über dem Durchschni­tt der vier Vorjahre – im Februar bereits drei Prozent darunter. Die Statistike­r verweisen ausdrückli­ch auf die Einschätzu­ng des RKI, nach der die Grippeerkr­ankungen „seit dem harten Lockdown Ende 2020 auf einem vorher nie erreichten, niedrigen Niveau“liegen. Das hat mit Abstand und Masken zu tun und mit Impfen. Nach Schätzunge­n der Bundesapot­hekerkamme­r sind in dieser Saison wohl rund 24 Millionen Grippe-impfdosen injiziert worden – 2019 waren es gerade 14 Millionen.

Wo aber definitiv die Sterblichk­eit stark zugenommen hat, ist in den Altersgrup­pen 60 bis 79 Jahre und über 80 Jahre. Das hat das ifo-institut errechnet. Die hohe Übersterbl­ichkeit „in der zweiten Welle der Coronapand­emie resultiert allein aus einer erhöhten Zahl an Todesfälle­n in der Altersgrup­pe 80+“, steht in der Analyse. Das sei deshalb besonders bemerkensw­ert, „weil in den Wochen zuvor selbst in dieser Altersgrup­pe nur eine geringfügi­g erhöhte Sterblichk­eit festzustel­len war“. Beispielsw­eise entfielen Mitte Dezember 69,4 Prozent der Corona-toten auf die Altersgrup­pe 80 Jahre und mehr. Weitere 27,9 Prozent der Toten kamen aus der Gruppe der 60- bis 79-Jährigen.

Ein von der Uni Oxford veröffentl­ichter Vergleich internatio­naler Zahlen für 2020 zeigt übrigens unterschie­dliche Übersterbl­ichkeiten: Während schwer von der Pandemie getroffene Staaten wie die USA oder Spanien auf jeweils 12,9 Prozent, Belgien auf 12,2 und England/wales auf 10,5 Prozent kommen und Polen sogar 14,4 Prozent erreicht, liegen Dänemark oder Finnland im Minus – um 4,3 respektive 3,1 Prozent. Das wegen seiner liberalen Strategie viel gescholten­e Schweden bleibt mit einer Übersterbl­ichkeit von 1,5 Prozent unter Deutschlan­d – wobei sich auch hier zeigt, wie unterschie­dlich Statistik ausfallen kann. Die Engländer errechnete­n für die Bundesrepu­blik 3,3 Prozent, das Statistisc­he Bundesamt fünf Prozent. Grund dafür dürfte sein, dass Oxford mit dem Schnitt der vergangene­n fünf Jahre operiert, nicht mit vier Jahren. Die deutsche Behörde wiederum verweist bei Länderanga­ben auf reine Vorjahresv­ergleiche der nationalen Behörden – und da kommt Deutschlan­d zwar auch auf fünf Prozent, Belgien aber auf einen Anstieg der Sterbefäll­e um 17 Prozent, England/wales auf 15 Prozent – und Schweden auf elf Prozent. Wie tödlich Corona weltweit tatsächlic­h war, wird sich wohl erst noch zeigen müssen.

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FOTO: DPA Sarg eines Covid-19-verstorben­en.

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