Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Britische Boulevardblätter feuern zurück
Queen ist traurig und nimmt Rassismusvorwürfe von Harry und Meghan gegen Königsfamilie „sehr ernst“
- Durchlebt das britische Königshaus derzeit eine Krise wie nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana 1997? Nach den Negativschlagzeilen rund um die Welt stand das britische Königshaus am Dienstag unter massivem Druck, auf das Tvereignis des Jahres zu reagieren. Im Gespräch mit der Us-talkerin Oprah Winfrey hatten Prinz Harry und seine amerikanische Gattin Meghan Markle ein Mitglied der Königsfamilie sowie die britischen Boulevardmedien des offenen Rassismus bezichtigt. Zudem hätten hochrangige Angestellte vom Buckingham-palast der suizidgefährdeten Herzogin von Sussex Hilfe verweigert.
Königin Elizabeth II. nehme die Rassismusvorwürfe der beiden „sehr ernst“. „Die aufgeworfenen Fragen, insbesondere die, die sich auf Rassismus beziehen, sind besorgniserregend“, hieß es in einer vom Buckingham-palast am Dienstagabend veröffentlichten Erklärung der Queen. Die Vorwürfe würden „in der Familie unter vier Augen besprochen“. Sie sei „traurig, das ganze Ausmaß zu erfahren, wie herausfordernd die vergangenen Jahre für Harry und Meghan gewesen sind“. Ihr Enkel Prinz Harry, dessen Frau Meghan und deren Sohn Archie „werden immer sehr geliebte Familienmitglieder sein“, fügte die Queen in der Erklärung hinzu.
In dem von durchschnittlich 11,1 Millionen Haushalten auf der Insel und vielen weiteren Millionen Zuschauern weltweit gesehenen Interview sprach der Prinz zudem davon, es gebe einen „unsichtbaren Vertrag“zwischen Königshaus und der Presse: Positive Berichterstattung werde durch regelmäßigen Zugang zu führenden Mitgliedern erkauft, unbotmäßige Mitglieder würden im Regen stehen gelassen.
Erkennbar zieht Harry dabei eine Parallele zu den Ereignissen in den 1990er-jahren. Aus Sicht des heute 36-Jährigen sowie seines 38-Jährigen Bruders William, von beiden mehrfach so zu Protokoll gegeben, tragen die Boulevard-paparazzi die Hauptschuld am Unfalltod ihrer Mutter Diana im August 1997. Dass der damals 13-Jährige in Begleitung seines
Bruders, Vaters, Onkels und Großvaters auf der Trauerprozession quer durch London hinter dem Sarg der Toten herlaufen musste, empfindet Harry als schweres Trauma.
Die Äußerungen gegenüber Winfrey knüpfen an frühere Beschwerden des Prinzen an. Schon in der Palastmitteilung vom November 2016, mit der die Beziehung von Harry und Meghan erstmals offiziell wurde, war von „einer Welle von Schmähungen und Belästigungen“sowie von „offenem Sexismus und Rassismus“die Rede. Auf Empörung stieß damals besonders die Thematisierung des Familienhintergrundes von Markle, die eine schwarze Mutter und einen weißen Vater hat.
Wie damals stehen auch diesmal die bekanntermaßen rabiaten Londoner Boulevardblätter wie „Sun“, „Daily Mirror“und „Daily Mail“ebenso am Pranger wie Klatschpresse weltweit. In das Winfrey-interview wurden immer wieder rassistische und faktisch falsche Schlagzeilen eingeblendet. So schrieb „Daily Mail“von einer Familie „direkt aus Compton“, einem als Kriminalitätsschwerpunkt verschrienen Bezirk im Großraum Los Angeles. Detailliert wurde Markles Abstammung von Sklaven erörtert; meist fehlte dabei der Hinweis, dass die englische Krone einst die Sklaverei in ihren Kolonien in der Karibik sowie entlang der amerikanischen Ostküste eingeführt hatte.
Altgediente königliche Beobachter verweisen darauf, die Obsession der Boulevardblätter mit dem Privatleben des Herzogspaares beruhe auf Gegenseitigkeit. Die gelernte Schauspielerin Markle habe den Unterschied zwischen ihrer früheren Existenz als nicht sehr bedeutende Celebrity und einer globalen Person des öffentlichen Lebens nicht verstanden. Der Prinz lese im Internet nicht nur die bösartigen Artikel über sich, sondern auch giftige Kommentare sämtlicher Spinner und Neider, die sich im Netz tummeln.
Wie 1997 entziehen sich die britischen Medien der scharfen Kritik an ihrem eigenen Vorgehen, indem sie die Kritik am Königshaus akzentuieren. Man sei konfrontiert mit „der schlimmsten royalen Krise seit 85 Jahren“, trompetete der „Mirror“in Anspielung auf die Abdankung Eduards VIII 1936. „Was haben sie da angerichtet?“fragte scheinheilig die „Mail“und bezog sich damit auf die „giftigen Anschuldigungen“des Herzogpaares.
Wie diese in der britischen Öffentlichkeit ankommen, verdeutlicht eine Blitzumfrage der Firma Yougov. 36 Prozent der Befragten erklärten sich zu Sympathisanten der Königsfamilie, 22 Prozent hielten Harry und Meghan die Stange. Ein weiteres Drittel erklärte sich für uninteressiert oder unzuständig. Allerdings klafft die Beurteilung je nach Lebensalter stark auseinander: Unter den 1824-Jährigen hat das kalifornische Paar 48 Prozent Anhänger, bei den über 65-Jährigen nur neun Prozent.