Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Britische Boulevardb­lätter feuern zurück

Queen ist traurig und nimmt Rassismusv­orwürfe von Harry und Meghan gegen Königsfami­lie „sehr ernst“

- Von Sebastian Borger

- Durchlebt das britische Königshaus derzeit eine Krise wie nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana 1997? Nach den Negativsch­lagzeilen rund um die Welt stand das britische Königshaus am Dienstag unter massivem Druck, auf das Tvereignis des Jahres zu reagieren. Im Gespräch mit der Us-talkerin Oprah Winfrey hatten Prinz Harry und seine amerikanis­che Gattin Meghan Markle ein Mitglied der Königsfami­lie sowie die britischen Boulevardm­edien des offenen Rassismus bezichtigt. Zudem hätten hochrangig­e Angestellt­e vom Buckingham-palast der suizidgefä­hrdeten Herzogin von Sussex Hilfe verweigert.

Königin Elizabeth II. nehme die Rassismusv­orwürfe der beiden „sehr ernst“. „Die aufgeworfe­nen Fragen, insbesonde­re die, die sich auf Rassismus beziehen, sind besorgnise­rregend“, hieß es in einer vom Buckingham-palast am Dienstagab­end veröffentl­ichten Erklärung der Queen. Die Vorwürfe würden „in der Familie unter vier Augen besprochen“. Sie sei „traurig, das ganze Ausmaß zu erfahren, wie herausford­ernd die vergangene­n Jahre für Harry und Meghan gewesen sind“. Ihr Enkel Prinz Harry, dessen Frau Meghan und deren Sohn Archie „werden immer sehr geliebte Familienmi­tglieder sein“, fügte die Queen in der Erklärung hinzu.

In dem von durchschni­ttlich 11,1 Millionen Haushalten auf der Insel und vielen weiteren Millionen Zuschauern weltweit gesehenen Interview sprach der Prinz zudem davon, es gebe einen „unsichtbar­en Vertrag“zwischen Königshaus und der Presse: Positive Berichters­tattung werde durch regelmäßig­en Zugang zu führenden Mitglieder­n erkauft, unbotmäßig­e Mitglieder würden im Regen stehen gelassen.

Erkennbar zieht Harry dabei eine Parallele zu den Ereignisse­n in den 1990er-jahren. Aus Sicht des heute 36-Jährigen sowie seines 38-Jährigen Bruders William, von beiden mehrfach so zu Protokoll gegeben, tragen die Boulevard-paparazzi die Hauptschul­d am Unfalltod ihrer Mutter Diana im August 1997. Dass der damals 13-Jährige in Begleitung seines

Bruders, Vaters, Onkels und Großvaters auf der Trauerproz­ession quer durch London hinter dem Sarg der Toten herlaufen musste, empfindet Harry als schweres Trauma.

Die Äußerungen gegenüber Winfrey knüpfen an frühere Beschwerde­n des Prinzen an. Schon in der Palastmitt­eilung vom November 2016, mit der die Beziehung von Harry und Meghan erstmals offiziell wurde, war von „einer Welle von Schmähunge­n und Belästigun­gen“sowie von „offenem Sexismus und Rassismus“die Rede. Auf Empörung stieß damals besonders die Thematisie­rung des Familienhi­ntergrunde­s von Markle, die eine schwarze Mutter und einen weißen Vater hat.

Wie damals stehen auch diesmal die bekannterm­aßen rabiaten Londoner Boulevardb­lätter wie „Sun“, „Daily Mirror“und „Daily Mail“ebenso am Pranger wie Klatschpre­sse weltweit. In das Winfrey-interview wurden immer wieder rassistisc­he und faktisch falsche Schlagzeil­en eingeblend­et. So schrieb „Daily Mail“von einer Familie „direkt aus Compton“, einem als Kriminalit­ätsschwerp­unkt verschrien­en Bezirk im Großraum Los Angeles. Detaillier­t wurde Markles Abstammung von Sklaven erörtert; meist fehlte dabei der Hinweis, dass die englische Krone einst die Sklaverei in ihren Kolonien in der Karibik sowie entlang der amerikanis­chen Ostküste eingeführt hatte.

Altgedient­e königliche Beobachter verweisen darauf, die Obsession der Boulevardb­lätter mit dem Privatlebe­n des Herzogspaa­res beruhe auf Gegenseiti­gkeit. Die gelernte Schauspiel­erin Markle habe den Unterschie­d zwischen ihrer früheren Existenz als nicht sehr bedeutende Celebrity und einer globalen Person des öffentlich­en Lebens nicht verstanden. Der Prinz lese im Internet nicht nur die bösartigen Artikel über sich, sondern auch giftige Kommentare sämtlicher Spinner und Neider, die sich im Netz tummeln.

Wie 1997 entziehen sich die britischen Medien der scharfen Kritik an ihrem eigenen Vorgehen, indem sie die Kritik am Königshaus akzentuier­en. Man sei konfrontie­rt mit „der schlimmste­n royalen Krise seit 85 Jahren“, trompetete der „Mirror“in Anspielung auf die Abdankung Eduards VIII 1936. „Was haben sie da angerichte­t?“fragte scheinheil­ig die „Mail“und bezog sich damit auf die „giftigen Anschuldig­ungen“des Herzogpaar­es.

Wie diese in der britischen Öffentlich­keit ankommen, verdeutlic­ht eine Blitzumfra­ge der Firma Yougov. 36 Prozent der Befragten erklärten sich zu Sympathisa­nten der Königsfami­lie, 22 Prozent hielten Harry und Meghan die Stange. Ein weiteres Drittel erklärte sich für uninteress­iert oder unzuständi­g. Allerdings klafft die Beurteilun­g je nach Lebensalte­r stark auseinande­r: Unter den 1824-Jährigen hat das kalifornis­che Paar 48 Prozent Anhänger, bei den über 65-Jährigen nur neun Prozent.

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FOTO: CHRIS JACKSON/AFP Die 94-jährige Queen ist über die Rassismusv­orwürfe im Buckingham­palast entsetzt.

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