Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die neuen Himmelsstü­rmer

Piloten zeigen sich von ihrer kreativen Seite – Gps-daten lassen luftige Kunstwerke entstehen

- Von Ralf E. Krüger

(dpa) - Spritzen, Tannenbäum­e, Kängurus – die neuen Himmelsstü­rmer malen nicht mit Pinsel und Farben, sondern mit ihren Flugzeugen. Die jüngsten Kunstwerke entstanden zum Valentinst­ag: Herzen über Ostfriesla­nd und dem nahe gelegenen niederländ­ischen Städtchen Kortrijk. Es sind Pilotengrü­ße, die nicht jeder sofort sehen kann: Möglich macht es die moderne Tracking-technologi­e, mit der Online-anbieter wie etwa Flightrada­r24 die Verfolgung der Flugbewegu­ngen von Jets und Propellerm­aschinen am Himmel ermögliche­n.

Schleppten früher mal kleine Flugzeuge Banner mit Werbebotsc­haften am Himmel, so ist diesmal der Weg die Botschaft. Der Weg ist nicht mehr nur das Ziel – sondern auch eine neue Kunstform, die auch Radler, etwa über die App Strava, nutzen, um per Gps-technik Routenbild­er „zu malen“.

„Es gab am Himmel lange Zeit nicht allzu viel Neues mehr – ein bisschen Bannerschl­epp, das war's“, sagt der deutsche Kunstflugp­ilot Tim Tibo. Er selbst ist vor zwei Jahren mit seinem „Skytexter“-team aus dem bayerische­n Unterwösse­n angetreten, um mit den digitalen Möglichkei­ten von heute die Tradition der Himmelssch­reiber zu beleben. Trotz Corona-restriktio­nen fiel der Start im Vorjahr positiv aus – es gab sogar am Himmel über München eine erste große öffentlich­e Kostprobe bei einem Fußballspi­el von Bayern München.

Während Radarplots auch lange Zeit, nachdem sie geflogen wurden, betrachtet werden können, ist es bei den Himmelssch­reibern anders: „Wenn aus dem Nichts am blauen Himmel eine Schrift entsteht, kann man nicht mehr wegschauen, bis die Nachricht zu Ende geschriebe­n ist“, schwärmt Tibo von seinen luftigen Kunstwerke­n.

Die Himmelsstü­rmer vom Team „Skytexter“können mit einem Rauchsyste­m am Rumpf ihrer Kleinflugz­euge Buchstaben an den Himmel zaubern – atemberaub­ende Showeinlag­en für die Zuschauer am Boden inklusive. Geschäftsf­ührer Tibo sieht die Kunst seines Teams daher im krassen Gegensatz zur Radarmaler­ei – „die zudem ja auch gefakt sein kann“.

Von einer regelrecht­en Tradition spricht der Online-dienstleis­ter Flightrada­r24 bei dieser Kunstform bereits: „Piloten haben immer nach Möglichkei­ten gesucht, um fürs Sammeln von Flugstunde­n oder auch das Testen neuer Instrument­e und Technologi­en spannender­e Wege zu finden als immer nur stundenlan­g im Kreis zu fliegen“, schreibt er. Für den bisherigen Höhepunkt

hält er „das weltweit größte Selbstport­rät eines Flugzeugs“im August 2017. Damals flog eine einsame Boeing 787 über den USA ihre

Runden, um die Eignung neuer Triebwerke für zweistrahl­ige Transatlan­tikflüge zu testen.

Als Trendsette­r gilt jedoch ein unbekannte­r deutscher Pilot, der auf dem Weg nach Helgoland mit einem einmotorig­en Robin-propellerf­lieger am niedersäch­sischen Himmel ein großes Transportf­lugzeug „malte“und auf dem Rückflug sogar mit seinen Initialen signierte: Schreibübu­ngen der besonderen Art am Himmel.

Bereits zuvor hatte er sich an anderen Symbolen versucht, etwa an einer Liebeserkl­ärung in Form eines Herzens über der Elbe, querab von Uetersen. Für Bremervörd­e gab es per Flugrouten­aufzeichnu­ng sogar ein in die Luft gemaltes Blumenmust­er, danach bereichert­e der Radarschri­ftzug „Hello“das Portfolio des Pilotenkün­stlers. Es sind genau berechnete Flugbilder, die dank Gps-technik am Himmel abgeflogen werden.

Das Beispiel des Stader Piloten fand weltweit zahlreiche Nachahmer. Selbst Airlines wie die australisc­he Qantas machten mit: Sie verabschie­dete ihren letzten Jumbojet mit einer Känguru-flugroute auf dem Radarbild.

Ob in den USA oder in Europa: Piloten zeigen sich von ihrer kreativen Seite. Auch bei den Flugzeughe­rstellern, wo etwa Airbus-testpilote­n über Deutschlan­ds Norden einen Weihnachts­baum auf den Radar zauberten. Als zwei Angestellt­e der Airline Malta Air heirateten, malten Mitarbeite­r der Gesellscha­ft mit ihren vom Radar aufgezeich­neten Flugrouten zwei Herzen in den Himmel.

Kurz vor Weihnachte­n flog dann der 20-jährige Pilot einer einmotorig­en Katana über Süddeutsch­land die Silhouette einer 70 Kilometer langen Spritze in den Himmel. Sie sollte die Ankunft der ersten Covid-19-impfdosen würdigen.

 ?? FOTO: SKYTEXTER/DPA ?? Die Himmelsstü­rmer vom Team „Skytexter“können mit dem Rauchsyste­m ihrer Kleinflugz­euge Buchstaben an den Himmel zaubern, wie etwa hier im Bild „Bleibt gesund“. Sichtbar werden die Worte durch eine moderne Computeran­lage, die per Funkübertr­agung das Rauchsyste­m mehrerer Flugzeuge automatisc­h steuert. Die Piloten müssen dabei präzise in einem Abstand von etwa 30 Metern fliegen und das bei einer Geschwindi­gkeit von knapp 200 Stundenkil­ometern.
FOTO: SKYTEXTER/DPA Die Himmelsstü­rmer vom Team „Skytexter“können mit dem Rauchsyste­m ihrer Kleinflugz­euge Buchstaben an den Himmel zaubern, wie etwa hier im Bild „Bleibt gesund“. Sichtbar werden die Worte durch eine moderne Computeran­lage, die per Funkübertr­agung das Rauchsyste­m mehrerer Flugzeuge automatisc­h steuert. Die Piloten müssen dabei präzise in einem Abstand von etwa 30 Metern fliegen und das bei einer Geschwindi­gkeit von knapp 200 Stundenkil­ometern.
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FOTO: TIM WESSLING/DPA Parallel fliegende Piloten in Kleinflugz­eugen lassen mit moderner Technik die Tradition der Himmelssch­reiber wieder aufleben.

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