Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
In der Krise gefestigt
Thomas Bach wird abermals Ioc-präsident werden – Einen Gegenkandidaten gibt es nicht
(Sid/dpa) - Es ist einsamer geworden um Thomas Bach im Zentrum des olympischen Sports in Lausanne. So wie es um jeden Menschen einsamer geworden ist in Zeiten der Corona-pandemie. Die großen Sausen des Internationalen Olympischen Komitees finden nur noch virtuell statt – und auch die kleinen: Video-call statt Vieraugengespräch. Die digitale Distanz, die das vergangene Jahr geprägt hat, kann gerade dem großen Strippenzieher aus Deutschland nicht gefallen.
Und doch hat sie Thomas Bach nicht geschadet, während der Krise schloss er die Reihen der olympischen Familie noch fester als in den ersten sieben Jahren seiner Amtszeit als IOC-CHEF. So fest, dass es bei der Präsidentenwahl während der 137. Session diesen Mittwoch, der zweiten virtuellen der Ioc-geschichte, keine Opposition gibt. Thomas Bach ist der einzige Kandidat, und manch einer geht sogar von einer einstimmigen Entscheidung aus.
Für seine Anhänger bringt der Wirtschaftsanwalt mit dem Fdp-parteibuch die notwendige Stabilität ins IOC, für seine Kritiker steht Bachs Politik für das Demokratiedefizit in der Fünf-ringe-organisation. Nicht nur der unabhängige Verein Athleten Deutschland fordert: „Machtkonzentration muss abgebaut und echte Gewaltenteilung auf vielen Ebenen des Sportsystems eingeführt werden.“Ein tiefgreifender Strukturund Kulturwandel sei unumgänglich.
Thomas Bachs Allmacht im IOC geht derzeit aber so weit, dass kein Nachfolger für den Florett-olympiasieger von 1976 in Sicht ist. Dabei hätte sich durchaus jemand in Stellung bringen können, der in vier Jahren, wenn Bach laut Ioccharta
„Wenn er 2025 die Präsidentschaft an seinen Nachfolger übergibt, wird Thomas Bach nach meiner Meinung eine bessere Organisation übergeben als die, die er geerbt hat.“
aus dem Amt ausscheiden muss, aus dem Windschatten tritt. Da bislang aber kein Ioc-mitglied Ambitionen zeigt, wird sogar spekuliert, dass Bach die olympische Verfassung ändern lässt, um die Geschicke länger zu leiten.
Das IOC verweist auf den Status quo, der im Artikel 20 geregelt ist, undenkbar ist eine Überarbeitung aber nicht – das gab auch der Kanadier Richard Pound zu. „Chartas können immer geändert werden“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“das älteste Ioc-mitglied, und auch in Deutschland sind sich die Beobachter längst nicht mehr sicher, dass Bach wie geplant im Jahr 2025 sein Büro in
Richard Pound, Ioc-mitglied seit 1978 der Zentrale am Genfer See räumen wird.
Es sei für Außenstehende zwar noch „reine Spekulation“, sagte die Spd-politikerin Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag. Doch „wenn man an die Huldigungsadressen seitens der Mitglieder des Exekutivkomitees bei der Bekanntgabe seiner neuerlichen Kandidatur zurückdenkt, würde ein solches Vorhaben ziemlich sicher zumindest an diesen Herrschaften nicht scheitern“. Freitag weiter: „Das IOC war und ist ein exklusiver Zirkel der sportpolitischen Macht und dank der Olympischen Spiele ein gigantisches Geschäftsmodell.“Die für den Erfolg des Businessmodells notwendige Klaviatur spiele Thomas Bach „zweifellos virtuos“und sichere auch damit seine unangefochtene Macht.
Amtsmüde ist der 67-jährige Bach ohnehin nicht, ganz im Gegenteil. Auf Mitstreiter wie Thomas Weikert, Präsident des Tischtennis-weltverbands ITTF, wirkt er wie ein Kapitän, der
„ein Schiff durch stürmische Zeiten“steuert. Seine Getreuen dürfen sich auf ihn verlassen – das ist viel wert im Orkan der Pandemie, durch den auch die Spiele in Tokio, das lukrativste Gut des Ringe-konzerns, heftig wanken. Thomas Bach wird unerschütterlich für das Mega-event kämpfen. Egal, wie es ausgeht: Längst warten weitere Herausforderungen, auch die haben es in sich. „Athletenrechte, Anti-doping-reformen, Governancestandards, Nachhaltigkeit und die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht des Sports“sind für die Athleten Deutschland und ihre Kollegen auf der ganzen Welt „nur einige von vielen drängenden Themen“.
Die Olympischen Winterspiele in China, einem Land, dem aus der internationalen Staatengemeinschaft öffentlich „Völkermord“vorgeworfen wird, stehen in nicht einmal einem Jahr auf dem Programm. Der Druck auf das IOC wächst täglich. Thomas Bach bleibt im Krisenmodus, egal wie lange er in Lausanne noch regiert.