Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Diese Gastronomen wagen trotz Corona Neues
Restaurants und Bars sind mit am stärksten von Pandemie betroffen – Neu-ulmer Wirt wagt sich an neue Projekte
- Es ist sind nur wenige Meter von Ulm nach Neu-ulm. Für den Neu-ulmer Gastronom Francesco Contino ist der Schritt von der Augsburger Straße zum Kornhaus in Ulm aber ein riesiger. In Neu-ulm und Ulm hatte sich der Sizilianer mit seinem Betrieb Portico einen Namen gemacht. Nicht nur durch den Verkauf aus der Ex-döner-bude am Augsburger-tor-platz.
Der Gitarre spielende Pizza-bäcker tauchte immer wieder an verschiedenen Orten mit seiner Pizza und weiteren italienischen Snacks auf: Im Gastronomen-projekt „Die Halle“in der ehemaligen Kirche der Zeugen Jehovas bei den Sedelhöfen in Ulm, auf diversen Street-food-märkten oder auf Firmenveranstaltungen. Große Unternehmen der Region buchten Contino und seine azurblaue, sehr dekorative Piaggio-ape, die als mobile Food-bar dient. In der Pandemie gründete Contino zusammen mit den Gastronomen von Damn Burger, Elinaki, Kleinlaut und Oh My Waffle den Lieferdienst „Ulm isst“. Das kam jedoch zum Stopp, weil die gemietete Großküche gekündigt wurde.
„Ich bin immer in Vagabund gewesen“, sagt er. Nun wird Contino sozusagen sesshaft: Nach einem kurzen Intermezzo am Judenhof eröffnet Portico am Samstag „Risto Bar & Pizza“in der Kornhausgasse. „Wie in Sizilien“soll die Mischung aus Espresso-bar, Snack-theke und Pizzeria werden. In Neapel habe er in einer solchen Bar einmal gearbeitet. Nun hat er das Konzept nach Ulm verlagert.
Vorbei an Stehtischen und einer Kühl- und Wärmetheke führt der Weg direkt zur Bar, in dessen Zentrum eine chromblitzende Faema-e61-espressomaschine thront. Auch sein Faible für Vinyl-schallplatten ist im neuen Portico sofort zu erkennen: Eine ganze Wand ziert seine große Sammlung. Doch sein wichtigstes Verkaufsargument:
alles frisch, alles beste, handgemachte Qualität.
Der Lockdown konnte den Traum des 42-Jährigen nicht bremsen, denn er hat einiges erlebt. „Ich komme aus dem Krieg“, sagt er über seine Heimat Neapel. Dort habe er mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Außerdem habe er ein gutes Verhältnis zum Vermieter. Als er Mitte vergangenen Jahres den Mietvertrag unterschrieb, sei die Unplanbarkeit durch die Pandemie berücksichtigt worden. Seinen Stand in der „Die Halle“will Contino nicht aufgegeben. Wie er das bewerkstelligt, wisse er noch nicht. Das als „Pop-up-projekt“, also auf begrenzte Zeit geplante Restaurant, wird sich nun auf Dauer in Ulm etablieren.
Wie Dimi Katranis, der Hauptmieter der fünf Küchen aus fünf Nationen in „Die Halle“, sagt, sei erst jüngst der Mietvertrag verlängert worden. Veränderungen werde es geben: Matroschka, der Anbieter von russischer Küche, werde ausziehen. Die Inhaberin eröffne in ihrer Heimatstadt Laupheim ein Restaurant. Katranis bedauert den Auszug sehr, denn die russische Küche habe „Die Halle“auch für ein älteres Publikum interessant gemacht. Es gebe aber bereits Interessenten für den Stand.
Als eine „enge Kiste“bezeichnet
Katranis den Betrieb unter Pandemiebedingungen. „Es langt gerade zum Überleben.“So 30 bis 50 Essen würden am Tag ausgeliefert. Kein Vergleich zu den Vor-corona-zeiten: Ab Donnerstag sei die Halle immer ausgebucht gewesen. Nachdem Katranis befürchtet, dass Corona das Ausgehverhalten der Menschen nachhaltig verändert habe, sei aber geplant, auch in Zukunft zu liefern. Doch nur einen Lieferdienst zu betreiben, käme für den 34-Jährigen, der zusammen mit seiner Partnerin , südamerikanische Küche unter den Namen Abuelitas serviert, nicht infrage. „Mir fehlt das Feedback.“
Neben Portico eröffnete auch ein zweiter Standbetreiber aus „Die Halle“ein eigenes Lokal. Seit Dezember servieren Jerusalem Wallace und ihr Mann Charles im ehemaligen Ofaschlupfer und zusätzlich in der Ulmer Kohlgasse äthiopische Küche. Die Situation sei „nicht einfach“, doch alles werde sich zum Guten ändern, sind die zwei überzeugt. „Man muss alle Kanäle nutzen.“
Und so gibt es afrikanische Gerichte zum Abholen, auch über den Dienst Lieferando. Die Fusion-küche des Paares hat sich längst in der Doppelstadt einen Namen gemacht: Abyssinia wurde erstmalig 2006 in der Herdbruckerstraße geführt. Nach einigen
Jahren im Ausland mit Aufenthalten in Äthiopien kam das Comeback in „Die Halle“.
Den anderen Weg von Ulm nach Neu-ulm machte Antonio Malizia mit seinem Restaurant Michaelangelo. Wo früher der „Metzger Hans“Leberkäs-semmel und Frischfleisch an den Mann brachte, wird jetzt „feine italienische Küche“serviert. Nun ja, serviert derzeit wegen Corona nicht, dafür aber frisch gekocht und zur Mitnahme verkauft. Doch auch den alten Standort an der Stadtmauer direkt an der Herdbrücke will Malizia weiter betreiben: Als Eiscafé, das kommende Woche eröffnen soll. „Ich habe viel Geld in die Hand genommen“, sagt Malizia. Von oben bis unten wurde das Ex-speiselokal auf eine helle „Gelateria“getrimmt.
„Das Eis ist selbstgemacht“, sagt Malizia. Sein Favorit: Pistazie. Ein Wagnis seien die Investitionen gewesen, denn die Pandemie habe zu „sehr großen Verlusten“geführt. Staatliche Hilfe sei nicht zu geflossen, wie versprochen. Doch das neue Konzept werde funktionieren: Denn die enorme Frequenz an der Herdbrücke sei ideal für eine Eisdiele. Und die Liebhaber seiner italienischen Klassiker würden auch den Weg in die Marienstraße in Neu-ulm finden.
Neu ist auch Name und Konzept des Imbisses im Ulmer Hafenbad: statt Howies steht seit Anfang März nun der „Wilde Wirt“. Der Gastronom dahinter ist aber der gleiche: Jonas Baumgärtner, der sein Konzept aus Markbronn nun auch in der Innenstadt von Ulm realisierte. In einer Welt der Burger-läden, Döner-buden und exotischen Konzepte ist die Küche der Heimat im Imbissbereich zur Nische geworden. Und so gibt es im Imbiss Maultaschen, Linsen, Spätzle und Co. Und im „Waidomat“vor der Tür. Darin gibt’s nach Geschäftsschluss (Wild-)frischfleisch für alle, die den Gang zum Metzger versäumt haben.