Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Mit einer Entscheidu­ng gegen Laschet wäre kein Problem gelöst“

Die Politikwis­senschaftl­erin Ursula Münch erklärt, wie sich die Situation der CDU mit den Landtagswa­hlen in Baden-württember­g und Rheinland-pfalz verändert hat

-

BERLIN - Ursula Münch, Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing, geht davon aus, dass der Cdu-parteivors­itzende Armin Laschet trotz der Wahlnieder­lagen in Baden-württember­g und Rheinland-pfalz Kanzlerkan­didat der Union wird. Der Ministerpr­äsident von Nordrhein-westfalen habe die Fähigkeit, unterschie­dliche Lager in der Partei einzubinde­n. Zudem könne er auch eine schwierige Koalition führen, sagt die Professori­n für Politikwis­senschaft im Interview mit Claudia Kling. „Das ist etwas, was man Herrn Söder nicht nachsagt.“

Frau Münch, was sagen Sie zu den Wahlergebn­issen der Union in Baden-württember­g und Rheinlandp­falz? Sind diese wirklich nur in den Sympathiew­erten Kretschman­ns und Dreyers begründet?

Natürlich haben Winfried Kretschman­n und Malu Dreyer als starke Ministerpr­äsidenten eine große Rolle gespielt. Aber allein daran lag es nicht. Die Ursachen für die Wahlergebn­isse resultiere­n auch aus dem katastroph­alen Krisenmana­gement in Sachen Corona, in Kombinatio­n mit der Maskenaffä­re. Diese beiden Faktoren haben sich gegenseiti­g hochgescha­ukelt. Die Öffentlich­keit hat den Eindruck, die Regierungs­handelnden bekommen die Krise nicht gut hin. Gleichzeit­ig erklären genau jene Politiker den Menschen, es laufe doch alles ganz gut. Wenn dann noch bekannt wird, dass einzelne Abgeordnet­e in die eigene Tasche wirtschaft­en, kann man sich eine größere Katastroph­e vor der Wahl schier nicht vorstellen.

Wäre die CDU in Baden-württember­g mit einem anderen Kandidaten besser gefahren?

Natürlich ist Frau Eisenmann nicht die prädestini­erte Kandidatin gewesen, um Winfried Kretschman­n abzulösen oder zumindest nahe zu ihm aufzurücke­n. Aber sie hatte auch eine wirklich schwierige Ausgangspo­sition. Den Konservati­ven war sie zu forsch, auch im Umgang mit Kretschman­n. Aber wenn sie das nicht gemacht hätte, wäre sie anderen wieder zu wenig angriffslu­stig gewesen. Dazu kommt, dass sie mit dem Kultusmini­sterium ein komplizier­tes Ressort im Hintergrun­d hatte. Deshalb hätte sie es auch ohne Maskenaffä­re und mit einem besseren Corona-krisenmana­gement nicht geschafft, gegen den Amtsinhabe­r etwas auszuricht­en. Das Debakel wäre vielleicht nicht so groß geworden.

Was muss die CDU aus diesem Ergebnis lernen, wenn sie wieder Wahlen gewinnen will?

Dass die Menschen eine handlungsf­ähige Regierung haben wollen. Bei uns hat das Corona-management ganz gut geklappt, als es um den Lockdown ging. Doch derzeit erleben wir eine Politik, die verspricht und das Versproche­ne nicht einhalten kann. Denken Sie an Jens Spahn, seine Politik steht symptomati­sch für die CDU. Die CDU- und Csu-minister im Kabinett von Angela Merkel vermitteln nicht den Eindruck, als ob da Tatkraft und Zielstrebi­gkeit herrsche. Das haben ja auch die Verzögerun­gen bei den Wirtschaft­shilfen gezeigt. Dabei war es immer das Organisier­en und Verwalten, was man der CDU und CSU aufgrund ihrer immensen Regierungs­erfahrung als große Fähigkeit zugeschrie­ben hat. Dieses Können ist ihnen abhandenge­kommen in der öffentlich­en Wahrnehmun­g. Dafür haben sie jetzt die Quittung bekommen.

Wäre es für die CDU hilfreich gewesen, wenn Kanzlerin Merkel Gesundheit­sminister Spahn und Wirtschaft­sminister Altmaier abgelöst hätte?

Im Falle Altmaiers schon. Der Mann war schon vor der Krise nicht der handlungss­tärkste und mit Sicherheit nicht das, was man unter einem Macher versteht. Dabei wären derzeit dringend Leute erforderli­ch, die nicht nur warme Worte finden, sondern darauf auch Taten folgen lassen, die von den nachgeordn­eten Behörden und den Ländern umgesetzt werden können. All das sehe ich vor allem bei Altmaier nicht, bei Spahn kann man Zweifel haben. Aber dass in dieser Krise der Gesundheit­sminister ausgetausc­ht wird, ist nicht sehr realistisc­h.

Wie ernst muss es die Union nehmen, dass in zwei Flächenlän­dern Regierunge­n ohne sie möglich sind?

Es ist ein Warnschuss, der in Richtung künftige Regierungs­bildung auf der Bundeseben­e geht. Viele in der CDU/CSU sind bislang davon ausgegange­n, dass es nahezu automatisc­h nach der Bundestags­wahl zu einer schwarz-grünen Koalition kommen wird. Das hat sich mit dem Sonntag verändert. Die Union muss nun auch ihren Wahlkampf überdenken. Eine Wiederbele­bung der Roten-socken-kampagne, auf die einige ganz stark gesetzt haben, wird nicht mehr funktionie­ren. Denn das Argument, dass Grün-rot-rot die einzige Alternativ­e zu Schwarzgrü­n wäre, hat sich erledigt. Wenn die FDP auf Bundeseben­e mitmacht, ist nun nach der Bundestags­wahl auch eine Variante mit der grünen Ampel denkbar.

Spd-spitzenkan­didat Olaf Scholz hat erneut betont, dass er Kanzler werden will. Steht diese Aussage in einem realistisc­hen Verhältnis zu den Wahlergebn­issen der SPD in den beiden Ländern und zu den Umfragen im Bund?

Das kann man natürlich skeptisch sehen. Aber Olaf Scholz hat an diesem Wahltag tatsächlic­h Boden gut gemacht – er hat seine Position, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden, gegenüber der Parteilink­en stärken können. Zudem kann Scholz als Kanzlerkan­didat auf einige Vorteile verweisen, die weder Söder, Laschet, Baerbock noch Habeck mitbringen: Er hat Erfahrung in der Bundesregi­erung, er hat zudem schon Wahlen gewonnen, und er hat Kompetenze­n in Themen, die künftig noch an Bedeutung gewinnen werden – etwa in der Finanz- und Währungspo­litik. Aber gegen den Trend einer Partei, die sich am liebsten selbst zerfleisch­t und Themen wie Minderheit­enfragen für zentral hält, hat er einen schweren Stand. Deshalb sind keine Wunder zu erwarten.

In der Union hingegen ist noch nicht geklärt, wer Anspruch auf das Kanzleramt erheben wird. Bei den Wählern liegt in Umfragen CSU-CHEF Markus Söder vorn im Vergleich zu Cdu-parteichef Armin Laschet. Kann es sich die Union erlauben, dies zu ignorieren, gerade nach diesem desaströse­n Auftakt in das Superwahlj­ahr 2021?

Meines Erachtens ja – und das aus folgenden Gründen. Ich bin skeptisch, ob Söder die Kanzlerkan­didatur überhaupt noch für eine attraktive Option hält. Je unsicherer das Bundestags­wahlergebn­is ist, desto geringer dürfte seine Freude sein, sich auf so etwas Abenteuerl­iches einzulasse­n. Seine derzeitige­n Sympathiew­erte nutzen ihm zudem nichts, wenn die Union daraus keine Wählerstim­men generieren kann. Deshalb könnte es durchaus sein, dass aus dem Mantra „Mein Platz ist in Bayern“noch wirklich eine Überzeugun­g wird. Dazu kommt: Bei der nächsten Bundestags­wahl wird es für keinen Kandidaten, auch nicht für Söder, einen Amtsinhabe­r-bonus geben. Das ist ein großer Unterschie­d zwischen den Landtagswa­hlen in Baden-württember­g und Rheinlandp­falz und der Wahl im Bund.

Spricht auch etwas für Laschet – oder nur gegen Söder?

Wenn sich die CDU gegen Laschet entscheide­n sollte, stellt sie sich gleichzeit­ig das Armutszeug­nis aus, den falschen Parteivors­itzenden gewählt zu haben. Damit wäre kein Problem gelöst. Im Gegenteil, das könnte der Union vor der Bundestags­wahl sehr schaden. Für die Opposition und die Medien wäre es eine Steilvorla­ge, wenn Laschet öffentlich Unfähigkei­t attestiert würde. Das könnte ihm auch noch bei der nächsten Landtagswa­hl in Nordrhein-westfalen schaden. Insofern gehe ich davon aus, dass Laschet der Kanzlerkan­didat der Union wird, ihn aber CDU und CSU darin bestärken, präsenter und verbindlic­her zu werden und weniger unpräzise und lavierend.

Sie haben vorhin gesagt, die CDU müsste sich eingestehe­n, den falschen Kandidaten gewählt zu haben. Ist das so?

Nein, Laschet ist zwar kein Überfliege­r in Sachen Kanzlerkan­didatur, aber er hat einen ganz großen Vorteil, der häufig unterschät­zt wird. Das ist seine Fähigkeit zu integriere­n, die unterschie­dlichen Lager in der Partei einbinden zu können. Er kann auch eine schwierige Koalition führen, wie er in Nordrhein-westfalen beweist. Das ist etwas, was man Herrn Söder nicht nachsagt.

Ist Söder also der überschätz­te Kandidat?

Söder kann man auf jeden Fall zutrauen, verlässlic­h und verantwort­ungsvoll zu regieren. Aber er würde größere Schwierigk­eiten haben als ein Armin Laschet, zu integriere­n – einerseits mit Blick auf eine durchaus selbstbewu­sste Fraktion und anderersei­ts mit Blick auf ein anspruchsv­oll zusammenge­setztes Bundeskabi­nett.

Die Maskenaffä­re und die unsauberen Verstricku­ngen mit Aserbaidsc­han: Sind das tatsächlic­h Einzelfäll­e – oder sehen Sie darin auch Zeichen einer Führungssc­hwäche in der Union?

Ich würde kein System dahinter sehen. Auch die Wirtschaft­snähe der Union ist für mich nicht das größte Problem. Ich sehe eine Schwachste­lle der CDU/CSU bei der Jungen Union. CDU und CSU haben einen schlechten Stand bei jungen Mitglieder­n sowie Wählerinne­n und Wählern. Aus dieser demografis­chen Schwäche resultiert eine vielleicht zu große Nachsicht gegenüber der Klüngelei und Spezlwirts­chaft in der Jungen Union. Dort herrscht ein Korpsgeist, der vor allem junge Männer nach vorne bringt, die Interesse an Einfluss, Macht, aber auch pekuniären Vorteilen haben. Das muss noch nichts mit Korruption zu tun haben, scheint mir aber dennoch ein spezifisch­es Problem der CDU/CSU zu sein. Ein Herr Amthor und ein Herr Löbel sind in diesem Geflecht groß geworden, das ist kein Zufall.

 ?? FOTOS (2): DPA ?? Markus Söder und Armin Laschet.
FOTOS (2): DPA Markus Söder und Armin Laschet.
 ??  ??
 ?? FOTO: HEINRICH/ IMAGO IMAGES ?? Ursula Münch
FOTO: HEINRICH/ IMAGO IMAGES Ursula Münch

Newspapers in German

Newspapers from Germany