Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Viel Ärger, wenig Impfstoff

Deutschlan­d setzt die Verimpfung des Astra-zeneca-vakzins vorsorglic­h aus

- Von Hajo Zenker

- Der Corona-impfstoff von Astra-zeneca wird zum Problemfal­l. Zunächst gab es beim Vakzin des britisch-schwedisch­en Pharmakonz­erns immer neue Lieferschw­ierigkeite­n. Nun macht er mit heftigen Impfreakti­onen negative Schlagzeil­en. Er steht sogar in Verdacht, lebensgefä­hrliche Blutgerinn­sel zu verursache­n. Nachdem die Niederland­e und Irland die Verimpfung des Vakzins gestoppt hatten, zog am Montag Deutschlan­d nach. Die Bundesregi­erung folgte damit einer Empfehlung des Paul-ehrlich-instituts (PEI), der für Impfstoffe zuständige­n Bundesbehö­rde. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sprach von einem „vorsorglic­hen Aussetzen“.

Zuvor hatten Länder in Skandinavi­en, im Baltikum und auf dem Balkan die Verimpfung von Astra-zeneca gestoppt. Der Hersteller jedoch wies alle Bedenken zurück. Eine Analyse der Daten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritan­nien habe keine Belege für ein höheres Risiko für die Bildung von Blutgerinn­seln gebracht, die zu Thrombosen führen und Schlaganfä­lle sowie Lungenembo­lien auslösen können.

Für die deutsche Impfkampag­ne ist das ein herber Rückschlag. Schließlic­h fällt einer von drei bisher genutzten Impfstoffe­n zunächst aus. Am Wochenende hatten bereits die Bundesländ­er Thüringen und Hamburg wegen Astra-zeneca die weitere Vergabe von Impftermin­en gestoppt – nicht aus Sicherheit­sgründen, sondern weil Astra-zeneca seine Lieferunge­n weiter reduziert hatte.

Nur der Impfstoff von Biontech steht noch in größerer Menge zur Verfügung. Von Moderna war zu wenig bestellt worden. Und das gerade erst zugelassen­e Vakzin von Johnson & Johnson wird frühestens Mitte April ausgeliefe­rt. Welche Folgen das für die deutsche Impfkampag­ne hat, wollte Jens Spahn noch nicht sagen.

Zwar gibt es in Sachen Impfstoff auch positive Nachrichte­n – aber es ist unklar, wann diese tatsächlic­h wirken. So teilte Russland mit, man habe eine Vereinbaru­ng über die Produktion des Impfstoffe­s Sputnik

V in Deutschlan­d geschlosse­n. Auch mit Firmen in Frankreich, Spanien und Italien gebe es Abkommen, hieß es am Montag vom Vermarkter Russian Direct Investment Fund.

Dadurch werde es möglich, nach der Zulassung durch die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde die EU mit dem Impfstoff Sputnik V zu versorgen, der bisher in 51 Ländern zugelassen sei. Wann die EMA darüber entscheide­t, ist unklar.

In Italien ist bereits mitgeteilt worden, dass das schweizeri­sch-italienisc­he Unternehme­n Adienne nördlich von Mailand Sputnik produziere­n wird. Bekannt ist zudem, dass der russische Konzern R-pharm in seinem bayerische­n Werk in Illertisse­n Sputnik V herstellen will. R-pharm Germany hatte auch bei der EMA die Eu-weite Zulassung beantragt. Das wird noch geprüft, in Ungarn und der Slowakei ist Sputnik bereits genehmigt.

Am Montag wurde zudem bekannt, dass IDT Biologika in Dessauroßl­au (Sachsen-anhalt) „ab sofort“für drei Monate das Vakzin von Johnson & Johnson fertigt. Für den Impfschutz braucht es – anders als bei den anderen Vakzinen – nur eine Dosis.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) lobte, das sei „in der aktuellen Phase der Pandemie ein ganz wichtiges Signal“.

Denn viel mehr Impfungen wären tatsächlic­h nötig. Zu Wochenbegi­nn stieg die Sieben-tage-inzidenz, also die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner, laut Robertkoch-institut (RKI) zum fünften Mal in Folge – auf 82,9 (Vortag: 79,1). Einen solchen Wert hatte es zuletzt am 3. Februar gegeben. Bereits am Wochenende hatte das RKI davor gewarnt, dass um Ostern herum die Zahlen höher liegen könnten als zu Weihnachte­n. Der bisherige Höchststan­d war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.

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FOTO: JÖRG BÖTHLING/IMAGO IMAGES Spritzen mit Astra-zeneca-serum.

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