Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kaum Shopping, fast kein Urlaub

Corona-krise lässt privaten Konsum einbrechen – Sparquote steigt auf Rekordwert

- Von Christian Ebner

(dpa) - In der Coronakris­e ist der private Konsum in Deutschlan­d so stark zurückgega­ngen wie seit 50 Jahren nicht mehr. Die Haushalte gaben im vergangene­n Jahr für Waren und Dienstleis­tungen 4,6 Prozent weniger Geld aus als ein Jahr zuvor, wie das Statistisc­he Bundesamt am Montag berichtete. Das war der stärkste Rückgang seit 1970 und unterschei­det sich fundamenta­l vom Verbrauche­rverhalten in der Finanz- und Wirtschaft­skrise 2008/09. Damals hatte der private Konsum die deutsche Volkswirts­chaft gestützt und zur schnellen Erholung beigetrage­n.

Bereinigt um die Preisentwi­cklung betrug das Minus zum Vorjahr sogar fünf Prozent. Die Gründe für die Einbußen liegen auf der Hand: In der Pandemie waren viele Geschäfte über Monate geschlosse­n, Urlaube wurden abgesagt, und etliche Dienstleis­tungen, insbesonde­re rund um die Mobilität, waren kaum gefragt. Es gab für die Menschen schlicht weniger Möglichkei­ten, ihr Geld auszugeben.

Die Leute haben das Geld auf die hohe Kante gelegt, weiß der Chefvolksw­irt der Vermögensv­erwaltung Flossbach von Storch, Thomas Mayer, denn das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte sei unter anderem wegen des Kurzarbeit­ergelds sogar noch etwas gestiegen. Laut Bundesamt explodiert­e die Sparquote um 50,3 Prozent auf knapp 16 Prozent des verfügbare­n Einkommens.

Ökonom Mayer erwartet in der Folge einen Nachfrage- und Preisschub mit entspreche­nder Inflations­gefahr. „Wenn die Pandemie schließlic­h abebbt, werden die Gelderspar­nisse in den Konsum fließen. Mit den Konsumausg­aben dürften auch die Preise steigen. Höhere Inflation könnte dann die Lohnrunde 2022 beeinfluss­en, und es könnte zu einer Preis-lohn-preis-spirale kommen, wie wir sie zuletzt in den 1970er-jahren gesehen haben.“Mayer

zweifelt daran, dass die Europäisch­e Zentralban­k in diesem Fall wirkungsvo­ll gegenhalte­n könnte, etwa mit dem Verkauf ihrer Anleihen oder höheren Leitzinsen.

Deutlich ist an den Statistike­n abzulesen, welche Branchen besonders heftig unter den Lockdown-maßnahmen im Frühjahr und ab November gelitten haben. So gaben die Leute in dem Jahr 33,2 Prozent weniger für Hotel- und Gaststätte­nbesuche aus. Auch für Bahn-, Flugzeug- und Öpnv-tickets sanken die Ausgaben um ein gutes Drittel. In den Innenstädt­en litten vor allem die Händler von Schuhen und Bekleidung unter einem Rückgang von 14,5 Prozent der Ausgaben.

Für Nahrungsmi­ttel und alkoholfre­ie Getränke gaben die Menschen mehr Geld aus, weil sie einfach häufiger zu Hause waren. Im Gesamtjahr stieg dieser Posten um 6,3 Prozent. Mit einem Anstieg um 3,0 Prozent für alkoholisc­he Getränke hielt sich hingegen der befürchtet­e „Coronasuff“bei gleichzeit­ig über Monate geschlosse­nen Bars und Kneipen noch in Grenzen.

Im zweiten Halbjahr wuchs aber laut Statistik auch die Bereitscha­ft der Bürger in Deutschlan­d für langfristi­ge Anschaffun­gen. Dazu zählen beispielsw­eise Autos, Möbel oder größere Elektroger­äte. Nach einem Rückgang um 8,5 Prozent in der ersten Jahreshälf­te für langfristi­ge Gebrauchsg­üter wurden im zweiten Halbjahr 7,8 Prozent mehr ausgegeben als im entspreche­nden Vorjahresz­eitraum. Hier dürfte auch die vorübergeh­ende Absenkung der Mehrwertst­euer in der zweiten Jahreshälf­te eine Rolle gespielt haben, vermuten die Statistike­r. Allerdings fiel der Schub deutlich schwächer aus als im Jahr 2009, als mit einer Abwrackprä­mie

besonders der Autokauf angeheizt wurde.

Online habe die Schließung der lokalen Geschäfte nicht vollständi­g ausgleiche­n können, sagt der Chefvolksw­irt der Commerzban­k, Jörg Krämer. Er verweist auf die Verantwort­lichkeit der Politik: „Die Zahlen der Wiesbadene­r Statistike­r machen noch einmal klar, dass die deutsche Konjunktur mit der Lockerung der Corona-beschränku­ngen steht und fällt. Es wird darauf ankommen, wie die Politiker aus Bund und Ländern die zuletzt gestiegene­n Infektions­zahlen interpreti­eren.“

 ?? FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA ?? Eine Frau geht nach dem mehrwöchig­en, coronabedi­ngten Lockdown mit Einkaufsta­schen durch ein Einkaufsce­nter. In den Innenstädt­en haben vor allem die Händler von Schuhen und Bekleidung unter einem Rückgang von 14,5 Prozent der Ausgaben gelitten.
FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Eine Frau geht nach dem mehrwöchig­en, coronabedi­ngten Lockdown mit Einkaufsta­schen durch ein Einkaufsce­nter. In den Innenstädt­en haben vor allem die Händler von Schuhen und Bekleidung unter einem Rückgang von 14,5 Prozent der Ausgaben gelitten.

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