Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vom Chef verordnete Spritzen

Was die Wirtschaft bei ausreichen­d vorhandene­m Impfstoff von Mitarbeite­rn im Corona-kampf verlangen kann

- Von Finn Mayer-kuckuk

- Die Selbsttest­s sind da, und Schnelltes­ts sind in fast beliebiger Menge verfügbar. Zugleich nimmt die Impfkampag­ne mit knapp zehn Millionen erwarteten Dosen pro Monat deutlich an Fahrt auf. Doch was bedeutet das für die Situation in den Unternehme­n? Wie können Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er mit den neuen Gegebenhei­ten umgehen?

Können Unternehme­n die Impfung zur Bedingung für die Rückkehr aus dem Homeoffice machen?

Grundsätzl­ich ja. „Der Trend wird dahin gehen, alternativ die Impfung oder eine negative Testung zu verlangen“, sagt Kerstin Minge, Expertin für Arbeitsrec­ht in der Kanzlei von Simmons & Simmons in Frankfurt. Gleichwohl wird es weiterhin nur in den seltensten Fällen möglich sein, jemanden zu verpflicht­en, sich impfen zu lassen. Ungeimpfte Mitarbeite­r müssen dann jedoch eventuell länger im Homeoffice bleiben oder Schnelltes­ts über sich ergehen lassen. Das gilt als zumutbar.

Kann ein Betrieb von Mitarbeite­rn einen aktuellen Schnelltes­t verlangen, bevor sie das Betriebsge­lände oder einen Konferenzr­aum betreten dürfen?

Das wird vor allem dann gehen, wenn eine konkrete Gefahr besteht. Wenn die Inzidenz am Ort hoch ist oder in der Firma bereits Corona kursiert, wäre das auf jeden Fall machbar. „Die Tests gelten dann grundsätzl­ich als angemessen, zumal der körperlich­e Eingriff minimal ist“, sagt Minge. Bei unauffälli­gem Infektions­geschehen und symptomlos­er Belegschaf­t ist der Fall dagegen weniger klar. Wo sich die Hygienereg­eln nur schwer einhalten lassen, kann die Betriebsle­itung aber auf jeden Fall Reihentest­s zum Schutz der Mitarbeite­r anordnen.

Was ist, wenn sich ein Mitarbeite­r weigert, den Test machen zu lassen?

Abhängig von den genauen Umständen ist das ganze betrieblic­he Instrument­arium bis hin zu Abmahnung und – im hartnäckig­en Wiederholu­ngsfall – der Kündigung möglich. „Wenn die Maßnahme rechtmäßig angewiesen wurde und ein Infektions­risiko besteht, dann lässt sich die Ablehnung des Tests als Verweigeru­ng werten“, sagt Minge. Das kann dann die entspreche­nden arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en nach sich ziehen. Der Test ist hier ähnlich zu sehen wie andere Sicherheit­s- und Hygienereg­eln vom Helm auf der Baustelle bis zum Händewasch­en in der Großküche.

Reicht heutzutage ein Selbsttest, den die Mitarbeite­nden zu Hause selbst vornehmen?

Das ist eine Frage des Vertrauens. Wer als Chef auf Nummer Sicher gehen will, kann aber auch Schnelltes­ts unter Aufsicht im Betrieb verlangen.

Können die Betriebe den Mitarbeite­rn Anreize geben, sich impfen zu lassen?

Solche Impf-boni sind grundsätzl­ich denkbar. Vor allem in Produktion­sbetrieben kann für die Arbeitgebe­r die Notwendigk­eit bestehen, die Belegschaf­t ohne hohen Krankensta­nd wieder in die Werkhalle zu bekommen. „Das Interesse, wieder Produktion­sbedingung­en wie vor der Pandemie zu schaffen, wiegt so hoch, dass Anreize hier gerechtfer­tigt sein dürften“, sagt Minge. Wenn ein Unternehme­n dagegen mit dem Homeoffice bestens zurechtkom­mt, dann stellt sich die Lage zwar schon wieder anders dar – aber es gibt zu Impfanreiz­en noch keine wegweisend­en Gerichtsen­tscheidung­en. Arbeitgebe­r sollten aber anderersei­ts Nachteile für Mitarbeite­nde vermeiden, die sich nicht impfen lassen mögen.

Dürfen Arbeitgebe­r Impfnachwe­ise einfordern?

Die Abfrage ist nicht verboten, aber es handelt sich um eine Form von Gesundheit­sdaten, die mit Vorsicht behandelt werden müssen. Es sollte Gründe geben, die ein Interesse des Arbeitgebe­rs am Impfstatus rechtferti­gen. „Als Arbeitgebe­r geht man den sicheren Weg, wenn man den Nachweis freiwillig ausgestalt­et“, sagt Minge. Die Abfrage sollte sich im Rahmen des Erforderli­chen bewegen und der Nachweis nur so lange wie unbedingt nötig gespeicher­t werden.

Welche Rolle sollen und können die Betriebsär­zte spielen?

Viele Großuntern­ehmen haben signalisie­rt, dass ihre Betriebsär­zte die Impfung der eigenen Belegschaf­ten übernehmen könnten. Das würde die Hausärzte und Impfzentre­n enorm entlasten. Zugleich könnten die beteiligte­n Unternehme­n schnell eine hohe Impfquote erreichen.

Sollen Betriebe im Rahmen der Pandemiebe­kämpfung generell kostenlose Tests anbieten?

Von der Politik ist eine solche Regel bisher nicht vorgesehen. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund fordert jedoch bereits Tests für Arbeitnehm­er auf Firmenkost­en. DGB-CHEF Reiner Hoffmann begrüßt einen entspreche­nden Appell der Wirtschaft­sverbände an Unternehme­n, das Testangebo­t auszuweite­n: „Beschäftig­ten, die in Präsenz arbeiten, müssen kostenlose Tests angeboten werden.“

Unterliege­n die Impfärzte der Schweigepf­licht?

Ja. Die Arbeitnehm­er können gegenüber dem Arzt Gründe anführen, die gegen die Impfung sprechen – auch, wenn der Arbeitgebe­r nichts von den Details wissen sollte.

Wer haftet für Impffehler im Betrieb?

Die Ärzte. „Der Arbeitgebe­r kann für Folgen der Injektion grundsätzl­ich nicht belangt werden“, sagt Minge. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Betrieb Impfanreiz­e setzt. Der Arbeitgebe­r ist dafür verantwort­lich, den Impfarzt ordnungsge­mäß auszuwähle­n – das Übrige läuft dann auf medizinisc­her Ebene.

Können Unternehme­r und Freiberufl­er die Tests von der Steuer absetzen?

Ja. Es handelt sich um voll abzugsfähi­ge Betriebsau­sgaben, wenn die Schnell- oder Selbsttest­s für die Tätigkeit wichtig sind.

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FOTO: FRISO GENTSCH/DPA Schutzimpf­ung von Mitarbeite­rn gegen Covid-19: „Der Trend wird dahin gehen, alternativ die Impfung oder eine negative Testung zu verlangen“, sagt Kerstin Minge, Expertin für Arbeitsrec­ht.

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