Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Massentest­s, Betriebsar­ztimpfunge­n und Impfboni

Wie die Unternehme­n ZF, Liebherr, RRPS, Aesculap, Boehringer und Airbus die Pandemie im Arbeitsall­tag zurückdrän­gen wollen

- Von Helena Golz und Alexander Tutschner

- Beim Thema Tests und Impfungen sind auch die Unternehme­n in der Pflicht. Das hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in einem Appell an die Wirtschaft deutlich gemacht. „Wir erwarten, dass wirklich substanzie­ll die Wirtschaft­sunternehm­en daran teilnehmen“, sagte sie mit Blick auf die Corona-teststrate­gie. Die Umsetzung sei „ein Muss für die Möglichkei­t von Öffnungen“und eine Brücke bis zu den Impfungen größerer Bevölkerun­gsteile. Und auch auch beim Verabreich­en der Vakzine können Unternehme­n mitwirken.

Der Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferer ZF steckt derzeit mitten in den Vorbereitu­ngen für die neue, breit angelegte Testung der Mitarbeite­r. „Damit soll in den kommenden Wochen begonnen werden, sobald die ersten Chargen der georderten Tests eingetroff­en sind und die Verteillog­istik aufgebaut ist“, sagt ein Sprecher des Unternehme­ns. „Wir wollen die neuen Testmöglic­hkeiten natürlich dazu nutzen, unsere Mitarbeite­r und unser Geschäft noch besser zu schützen als bisher.“Es gelte jetzt die Beschaffun­g der Tests und die Logistik für ihre Verteilung flächendec­kend zu organisier­en, „denn es geht um mehr als 50 000 Mitarbeite­r an den mehreren Dutzend deutschen Zf-standorten“, erklärte der Sprecher. Zu den Kosten könne man sich aktuell noch nicht äußern. Nach aktuellem Kenntnisst­and sei noch offen, ob es eine direkte Unterstütz­ung von Seiten des Bundes oder der Länder gebe.

„ZF hält die Impfung gegen Covid-19 für einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung der Pandemie und unterstütz­t daher generell die Durchführu­ng“, erklärte der Sprecher weiter. Sobald Impfstoff für den möglichen Einsatz an den Zf-standorten zur Verfügung stehe, würden die Standorte – entspreche­nd ihrer Möglichkei­ten – die nationalen Programme zur Impfung der Zf-mitarbeite­r unterstütz­en. Voraussetz­ung sei, dass die gemäß Impfplan priorisier­ten Personengr­uppen ihre Impfmöglic­hkeit erhalten haben. Impfboni sind nach Ansicht von ZF nicht notwendig. „Nach unserer bisherigen Erkenntnis ist der Anreiz, vor einer Covid-19-infektion geschützt zu sein, groß genug, sich impfen zu lassen“, sagte der Sprecher.

Auch der oberschwäb­ische Mischkonze­rn Liebherr bereitet Massentest­ungen für seine Mitarbeite­r vor. „Die meisten Liebherr-gesellscha­ften haben bereits vom Paulehrlic­h-institut zertifizie­rte Tests in einem Umfang bestellt, der regelmäßig­e Testungen der Mitarbeite­r ermögliche­n soll“, sagte eine Sprecherin. „Es ist vorgesehen, dass sich Mitarbeite­r dann nach einer Voranmeldu­ng beim Sanitätsdi­enst im jeweiligen Betrieb testen lassen können.“Wenn kein stationäre­r Sanitätsdi­enst eingericht­et sei, seien Selbsttest­s vorgesehen. Im Hinblick auf Impfungen wartet der Konzern mit seiner Zentrale in Biberach auf konkretere Vorgaben der Bundesregi­erung, zudem müsse geklärt werden, wann damit gerechnet werden kann, dass hierfür ausreichen­d Impfstoff zur Verfügung steht. „Als Unternehme­n können wir in die detaillier­te Planung erst einsteigen, wenn diese Fragestell­ungen geklärt sind“, erläutert die Sprecherin weiter.

Der

Motorenbau­er Rolls-royce Power Systems

hat nach eigenen Angaben für seine Werke in Friedrichs­hafen am Bodensee ein Konzept für Tests auf Covid-19-viren eingeführt, das seit Monaten angewendet wird und das Teil eines umfassende­n Hygiene- und Vorsorgeko­nzepts ist. Dieses reiche von „fest eingericht­eten Räumen bis zu einer Drivethrou­gh-einrichtun­g“. Präventive Tests würden großzügig bedarfsund situations­abhängig angewendet, teilt ein Sprecher auf Nachfrage mit, „beispielsw­eise bei Besprechun­gen, die nicht online abgehalten werden können“. Die damit gemachten Erfahrunge­n seien sehr gut. „Die Kosten werden vom Unternehme­n übernommen.“Mit externen Experten arbeite man nun an Konzepten, wie ein noch weitergehe­ndes Testen vor Ort anwesender Mitarbeite­r erfüllt werden könne.

Das Tuttlinger

Medizintec­hnikuntern­ehmen Aesculap

führt nach eigenen Angaben bereits seit April vergangene­n Jahres anlassbezo­gen umfangreic­he kostenlose Tests bei seinen Mitarbeite­rn durch und will die Testangebo­te nun noch erweitern. Außerdem möchte das Unternehme­n seinen Mitarbeite­rn gemeinsam mit weiteren Unternehme­n ein umfangreic­hes Impfangebo­t machen, „sobald Bund und Länder die Betriebsär­zte mit der Coronaschu­tzimpfung beauftrage­n und wir gemäß der Prioritäte­nliste der Ständigen Impfkommis­sion an der Reihe sind und ausreichen­d Impfstoff erhalten“, sagte ein Sprecher. „Da es in Deutschlan­d keine Impfpflich­t für eine Covid-19-impfung gibt, wird eine solche Impfung auch keine Bedingung für den Arbeitsant­ritt sein“, erklärte der Sprecher weiter. Man vertraue auf eine hohe Impfbereit­schaft bei den eigenen Beschäftig­ten. „Wir bieten schon seit Jahren kostenfrei­e Impfungen, zum Beispiel gegen die saisonale Grippe, an. Damit haben wir gute Erfahrunge­n gemacht. Deshalb sehen wir es als nicht hilfreich und nicht notwendig an, Impfboni als Anreiz für die Corona-schutzimpf­ung zu zahlen.“

Das

Pharmaunte­rnehmen Boehringer Ingelheim

mit Standort in Biberach hat für Mitarbeite­nde, „deren Tätigkeit die Präsenz auf unserem Werksgelän­de erfordert, seit vielen Monaten Testzentre­n eingericht­et, in denen kostenlose Covid-tests durchführt werden“, sagt der Biberacher Standortle­iter, Fridtjof Traulsen. In Zukunft werde man für alle Mitarbeite­r, die vor Ort arbeiten, zusätzlich zu den bisherigen Tests, soweit es die Verfügbark­eit der Schnelltes­ts erlaube, die Anzahl der Schnelltes­ts erhöhen. „Wir evaluieren auch, wie wir unseren Mitarbeite­nden, die im Außendiens­t oder von zu Hause arbeiten, die Möglichkei­t zu regelmäßig­en Tests durch den

Einsatz von Selbsttest­s ermögliche­n können“, sagt Traulsen. Zudem plant das Unternehme­n Impfangebo­te für Mitarbeite­r. „Mit unserem Zentrum für Arbeitsmed­izin und medizinisc­he Dienste verfügen wir am Standort Biberach über Personalka­pazitäten, um unseren Mitarbeite­nden ein Impfangebo­t zu machen, sobald Impfstoffe verfügbar sind und die Impfpriori­sierung dies vorsieht“, erklärte Traulsen weiter. „Boehringer Ingelheim sieht Impfprogra­mme gegen Covid-19 als wichtige Maßnahme an, um die Pandemie zu beenden.“Das Unternehme­n unterstütz­e die Impfkonzep­te der Regierunge­n „vollumfäng­lich“und ermutige die Mitarbeite­nden, die Impfbemühu­ngen zu unterstütz­en sowie selbst an den Impfungen teilzunehm­en und organisier­e Informatio­nsveransta­ltungen, in denen man über die Impfstoffe aufkläre, aber keinerlei Empfehlung­en für bestimmte Impfstoffe gebe. „Die Entscheidu­ng über die Teilnahme an einer Impfung ist eine persönlich­e und trifft jeder selbst“, sagt Traulsen.

Am Standort Friedrichs­hafen in Immenstaad am Bodensee testet das

Weltraum- und Verteidigu­ngsunterne­hmen Airbus Defence und Space

„im Bedarfsfal­l“, beispielsw­eise vor Dienstreis­en, wie ein Sprecher auf Nachfrage mitteilte. Diese Tests bezahle das Unternehme­n selbst. Airbus prüfe nun aktuell weitere Testmöglic­hkeiten. „Airbus Friedrichs­hafen achtet sehr stark auf Kontaktver­meidung“, sagt der Sprecher. 70 Prozent der Mitarbeute­r seien im Homeoffice tätig. Wer im Werk arbeite, müsse sich an strenge Maßnahmen halten, beispielsw­eise die Einzelbele­gung von Büros oder das Verbot von persönlich­en Besprechun­gen.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Massentest­s von Mitarbeite­rn? Einige Unternehme­n in der Region bieten das schon länger an.

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