Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Jahr Pandemie

Wie Corona den journalist­ischen Alltag bei der „Schwäbisch­en“verändert hat

- Von Steffi Dobmeier

- Es gibt Kolleginne­n und Kollegen, die habe ich seit einem Jahr nicht mehr persönlich getroffen. Dafür kenne ich das Bücherrega­l in ihrem Büro zu Hause und die Fotos an der Wand hinter dem Heimarbeit­splatz.

Ich habe inzwischen auch manche Kinder kennengele­rnt, wenn auch nur kurz, als sie mal in eine Video-schalte platzten, um zu fragen, ob sie noch eine Folge “Feuerwehrm­ann Sam” anschauen dürfen oder wie die Mathehausa­ufgabe wohl zu verstehen sei.

Corona hat unser Miteinande­r verändert. Nach einem Jahr Pandemie schauen wir uns kaum noch persönlich ins Gesicht, dafür aber in die Wohnungen und ins private Leben. Das verbindet auf die eine und trennt auf die andere Art. Aber es ist unser neuer Alltag. Da geht es Journalist­innen und Journalist­en nicht anders als vielen in diesen sonderbare­n und herausford­ernden Zeiten.

Wie organisier­t man eine Redaktion auf Distanz? Wie recherchie­ren Journalist­en, wenn sie kaum jemanden persönlich treffen können? Ein Fazit nach einem Jahr Pandemie.

Corona hat unseren journalist­ischen Alltag verändert. Die Art wie wir arbeiten und wie wir kommunizie­ren, wie wir über Themen diskutiere­n und recherchie­ren. Wie wir uns vergewisse­rn, dass trotz physischer Distanz in den einzelnen Ressorts und Abteilunge­n alles – oder zumindest das meiste – in Ordnung ist.

Journalism­us lebt davon, dass man sich austauscht. Dass man mit Kolleginne­n und Kollegen über Themen diskutiert und sich abstimmt. Was ist jetzt und in den nächsten Stunden wichtig? Wer kümmert sich um was? Wie gehen wir das an? Wie präsentier­en wir die Themen digital – und wie in der Zeitung?

So sind wir vor genau einem Jahr ins Homeoffice gestartet. Vor der Pandemie fanden diese Gespräche in den Redaktione­n statt, über den Schreibtis­ch hinweg oder rund um einen Konferenzt­isch, auf dem Flur, manchmal auch in einem Büro. Es gab mehrere Konferenze­n und Absprachen am Tag, in den einzelnen Lokalredak­tionen und auch in der Zentrale in Ravensburg.

Das ist heute anders. In den 19 Lokalredak­tionen und auch in der zentralen Redaktion sitzt kaum noch jemand. Die allermeist­en Kolleginne­n und Kollegen arbeiten seit nunmehr einem Jahr von zu Hause. Wir kommunizie­ren die meiste Zeit über Videokonfe­renzen und Chatfenste­r.

Vor genau einem Jahr, am 16. März 2020 haben wir damit begonnen die Arbeit ins Homeoffice zu verlagern. Die Kolleginne­n und Kollegen des Digitaltea­ms haben den Anfang gemacht. Sie waren es gewohnt, am Wochenende öfter mal mobil von zu Hause aus zu arbeiten, die nötige technische Infrastruk­tur war schon vorhanden, der Umstieg deshalb unkomplizi­ert.

Nach und nach folgten weitere Abteilunge­n. Laptops wurden eingericht­et, digitale Absprachek­anäle etabliert, neue Programme für Telefonund Videoschal­ten installier­t.

Der Aufwand war groß, es ruckelte hier und da, weil die Technik nicht immer mitspielte und Prozesse dadurch langwierig und mühsam wurden. Manches hat erst nach Wochen richtig funktionie­rt. Nicht wenige von uns haben geflucht. Homeoffice und mobiles Arbeiten waren vor der Pandemie keine Selbstvers­tändlichke­it, nun sind sie das neue Normal. Wir haben unsere redaktione­llen Strukturen in großen Teilen virtualisi­ert.

Unsere Art zu recherchie­ren hat sich verändert. Was für die Organisati­on einer Redaktion funktionie­rt, bringt allerdings Grenzen für den journalist­ischen Alltag. Es fehlt der Kontakt zu Menschen im Verbreitun­gsgebiet, der die Grundlage unserer Arbeit als regionales Medienunte­rnehmen ist. Unsere Aufgabe ist es, Leserinnen und Leser über die wichtigste­n Ereignisse in der Region zu informiere­n und aufzukläre­n, spannende Geschichte­n zu suchen und zu finden, komplizier­te Sachverhal­te verständli­ch zu machen, interessan­te Menschen zu porträtier­en, nützliches und hilfreiche­s Wissen als Service aufzuberei­ten.

Ohne die direkte Begegnung mit Menschen ist das schwierig – die aber ist seit etwa einem Jahr die Ausnahme. Journalist­innen und Journalist­en können sich zwar aufgrund ihres Jobs auch in der Pandemie ein bisschen freier bewegen. Aber selbstvers­tändlich ist der persönlich­e Kontakt mit Informante­n und Zitatgeber­n, mit Bürgerinne­n und Bürgern auf der Straße oder in Behörden gerade nicht mehr.

Wir überlegen inzwischen, welche Recherche und welcher direkte Kontakt persönlich notwendig sind, wann ein Telefonat oder eine E-mail reichen muss, ob wir auch Videomater­ial brauchen und ein zweiter Kollege unterwegs sein muss. Unsere Arbeit hat sich verändert.

Hinzu kommt: Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Krise haben auch unser Medienhaus getroffen und wir müssen darauf reagieren. Seit April vergangene­n Jahres sind große Teile des Verlags in Kurzarbeit, die Kolleginne­n und Kollegen der Redaktion arbeiten derzeit 80 Prozent.

Viele Inhalte können Sie kostenfrei lesen – aber nicht alle. Eine Herausford­erung, denn gleichzeit­ig ist das Interesse unserer Leserinnen und Leser an verlässlic­hen und relevanten Informatio­nen gestiegen. Wir sehen das an den Zugriffsza­hlen im Digitalen, aber auch in unserer Abo-entwicklun­g. Hochwertig­er und seriöser Journalism­us ist wichtiger denn je, wenn rundherum die Unsicherhe­it steigt. Sie finden die wichtigste­n Nachrichte­n und Informatio­nen deshalb selbstvers­tändlich auch weiter bei uns – egal ob in der Zeitung oder digital.

All das, was unsere Leserinnen und Leser in der Pandemie wissen müssen, um sich zurechtzuf­inden und entspreche­nd handeln zu können, wird im Netz wie gehabt frei zugänglich sein. Sie finden etwa die relevantes­ten Informatio­nen zu Alltagsbes­chränkunge­n, Lockerunge­n und Impfstrate­gie seit einem Jahr täglich in unserem Coronanews­blog. Andere Geschichte­n sind nur für unsere Abonnentin­nen und Abonnenten zugänglich. So finanziere­n wir, unter anderem, unsere Arbeit. Besonders auch jetzt.

 ?? FOTO: HASSAN AL MOHTASIB ?? Gehört in Zeiten von Corona längst zum Alltag der Redakteure der „Schwäbisch­en Zeitung“: Das tägliche Kommunizie­ren über Videokonfe­renzen. Auf dem Bild sind Teile des Digitaltea­ms zu sehen.
FOTO: HASSAN AL MOHTASIB Gehört in Zeiten von Corona längst zum Alltag der Redakteure der „Schwäbisch­en Zeitung“: Das tägliche Kommunizie­ren über Videokonfe­renzen. Auf dem Bild sind Teile des Digitaltea­ms zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany