Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Gut vertreten
Gleich drei Kandidaten des Wahlkreises 61 ziehen mit einem Zweitmandat in den Landtag ein
- Ein wenig kurios erscheint es schon, dass künftig gleich insgesamt vier Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Hechingen-münsingen in den Landtag einziehen werden: Neben dem gewonnenen Direktmandat, das die Grünen-politikerin Cindy Holmberg errungen hat, werden in der kommenden Legislaturperiode auch Manuel Hailfinger (CDU), Rudi Fischer (FDP) und Joachim Steyer (AFD) als Parlamentarier in Stuttgart arbeiten. Damit gehört der Wahlkreis 61 zu den ganz wenigen im Land, der mit so vielen Abgeordneten fortan im Landtag vertreten ist.
Der Wahlkreis Hechingen-münsingen hat weder besonders viele Wahlberechtigte – gerade einmal rund 118 000 – noch gelten irgendwelche Privilegien der Region. Grund für die sonderbare Konstellation ist das Wahlrecht in Badenwürttemberg, das sich beispielsweise deutlich vom System der Bundestagswahlen unterscheidet. Bei der Landtagswahl können Wähler ausschließlich eine Stimme an einen der Kandidaten vergeben. Politiker, die eine einfache Mehrheit erhalten, ziehen in den Landtag ein. Insgesamt gibt es 70 Wahlkreise in Baden-württemberg, folglich sitzen 70 direkt gewählte Abgeordnete im Parlament. Der Landtag hat aber deutlich mehr Sitze als Direktkandidaten. Deshalb erhalten weitere Kandidaten – in dieser Wahlperiode sind das 84 Abgeordnete – ein Zweitmandat.
Das Wahlsystem im Ländle erlaubt aber keine Landeslisten der Parteien wie in anderen Bundesländern, über die Kandidaten der jeweiligen Parteien proportional über den Stimmenanteil der Zweitstimmen Mandate gewinnen. Vielmehr ist in
Baden-württemberg maßgeblich, wie stark ein Kandidat in seinem Wahlbezirk zum Stimmenanteil seiner Partei im jeweiligen dazu gehörenden Regierungsbezirk beigetragen hat. Das heißt für den Wahlkreis Hechingen-münsingen: CDU, FDP und AFD im Wahlkreis 61 haben im Vergleich zu anderen Wahlkreisen im Regierungsbezirk Tübingen viele Stimmen gewonnen.
Ist das Ansporn für Cindy Holmberg, die nun mit drei ihrer Mitbewerber im
Landtag sitzt? „Wir Grünen im Wahlkreis Hechingen-münsingen müssen noch im ländlichen Raum überzeugen“, sagt sie selbstkritisch zum Wahlergebnis, obwohl sie klar gewonnen hat. In den Städten hat sie mehr Stimmen bekommen als auf dem Land. Trotzdem ist sie zufrieden: „Das ist ein hervorragendes Ergebnis für die Grünen. Wir sind im Wahlkampf auf die Menschen zugegangen.“
Noch gibt sie sich bedeckt, zu welcher Koalition die Grünen tendieren. Darüber sei bereits im Landesvorstand, in dem Holmberg vertreten ist, diskutiert worden. Sie wolle sich nun erst einmal der Sachpolitik zuwenden. Für sie hat die Planung der Regionalstadtbahn und der Ausbau des Tourismus auf der Alb Priorität.
Auch die anderen drei Kandidaten setzen klare Schwerpunkte: „Ich will die Digitalisierung vorantreiben, denn das wird alle Lebensbereiche betreffen: Schule, Rathäuser, Wirtschaft und Betriebe“, sagt Rudi Fischer (FDP) der SZ. Ihm sei es wichtig, dass die Betriebe künftig guten Zugang hätten zur digitalen Infrastruktur. Auch wolle er bessere Rahmenbedingungen für die Wasserstofftechnik schaffen.
Manuel Hailfinger betonte bereits am Sonntagabend, das landesweit schlechte Ergebnis seiner Partei müsse zunächst intern aufgearbeitet werden, bevor man sich Koalitionsverhandlungen und der Sachpolitik zuwende. Am Montag war er bei der konstituierenden Sitzung der neuen Cdu-fraktion im Landtag. Dort arbeiten die Abgeordneten erst einmal intern das schwache Ergebnis der Union auf. „Ich hoffe, dass wir in der Koalition mit den Grünen bleiben“, sagt Hailfinger der SZ. Sobald die Koaltionsfrage geklärt sei, wolle er sich stärker der Klima- und Tourismuspolitik zuwenden.
Joachim Steyer von der AFD führt die Stimmenverluste seiner Partei vor allem auf die vor Wochen ankündigte Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz und die schlechte Darstellung der Afd-fraktion im baden-württembergischen Landtag zurück. „Ich werde alles dafür tun, dass wir ein besseres Erscheinungsbild nach außen geben. Sachpolitisch will er sich beim Thema Fachkräftemangel einsetzen und einen neuen Kurs bei der Energiewende einschlagen.