Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Neustart beim Ulmer Unverpackt-laden

Aus „Klare Kante“wird Ora doro – Dahinter stehen zwei sehr persönlich­e Geschichte­n

- Von Sebastian Mayr

- Am Mittwoch soll das neue Schild angebracht werden. Dann wird auch von außen sichtbar, was am Montagmorg­en beim Notar beurkundet worden ist: Der Ulmer Unverpackt-laden „Klare Kante“heißt von nun an Ora doro, auf deutsch: die goldene Stunde. Der Weißenhorn­er André Wieland steigt aus, er behält den Laden in der Fuggerstad­t. Wielands Kompagnon Anthony Saad, der den Ulmer Laden schon seit Monaten eigenständ­ig führt, ist jetzt auch offiziell alleinvera­ntwortlich. Hinter dem Schritt stecken eine mutige Entscheidu­ng und ein heftiger Schlag.

Saad ist 2010 aus dem Libanon nach Deutschlan­d gekommen und hat in Karlsruhe ein Maschinenb­austudium aufgenomme­n. Anschließe­nd arbeitete er zwei Jahre lang bei Daimler in Stuttgart. Als er einem Freund beim Aufbau eines Unverpackt-laden geholfen habe, sei ihm klar geworden, ein solches Geschäft selbst leiten zu wollen. Weil er Ulm kannte und es dort keinen Unverpackt-laden gab, nahm er die Stadt in den Blick. Zeitgleich sammelte André Wieland Spenden, um in Ulm eine Filiale seines Weißenhorn­er Ladens Klare Kante zu eröffnen. Saad schrieb Wieland an, die beiden taten sich zusammen und eröffneten Ende April 2020 ihr Geschäft auf halber

Strecke zwischen Metzgertur­m und Stadtbibli­othek.

Zusammen führten sie den Laden aber nicht lange. „Ich musste aus diesem Projekt einfach aussteigen“, sagt Wieland in einer Videobotsc­haft, die er über seine Kanäle in den Sozialen Medien verbreitet­e. Zwei sehr nahe Angehörige hätten im vergangene­n Jahr lebensbedr­ohliche gesundheit­liche Probleme gehabt.

Da sei ihm bewusst geworden, dass er mehr Zeit für seine Familie haben wolle. Und auch er selbst, berichtet Wieland, habe plötzlich auf die Intensivst­ation

gebracht werden müssen. In einem Kundengesp­räch in Ulm habe er bemerkt, dass ihm die Luft wegblieb.

Im Krankenhau­s hätten die Ärzte nichts gefunden, er sei körperlich gesund. Psychisch seien die Belastunge­n aber zu groß. „Ich konnte es nicht mehr alles unter einen Hut bringen“, sagt Wieland. Jetzt habe er die Reißleine gezogen und wolle voll für den Weißenhorn­er Laden da sein.

„Er kann nicht beide Läden gleichzeit­ig führen“, sagt auch Anthony Saad, der das Ulmer Geschäft bereits seit Juli de facto eigenständ­ig leitet. Er wolle gern weiter in Kontakt mit André Wieland bleiben, zwischen ihnen beiden gebe es keine Probleme. Der neue Name sei nach dem Ausstieg Wielands aber ein wichtiger Schritt gewesen. Die Kunden müssten wissen, dass es sich bei den beiden Läden eben nicht um das gleiche Unternehme­n handelt. In Ulm bleibe vorerst alles beim Alten beim Team, beim Sortiment und bei den Öffnungsze­iten. Im Sommer sollen neue Produkte dazukommen, Saad spricht von „Erfrischun­gen“. Eine Neuerung gibt es schon: Seit einer Woche werden Flocken, zum Beispiel fürs Frühstück, mit einer eigenen Maschine im Laden frisch gemacht.

Saad bezieht viele Produkte aus der Region: zum Beispiel Linsen aus Burlafinge­n, Milch und Joghurt aus dem Eselsburge­r Tal, Nudeln aus Krumbach und Backwaren aus Langenau. „Der Laden funktionie­rt gut, die Kunden sind sehr zufrieden, die Ulmer schätzen das“, sagt Saad. Dass er nun auch offiziell alleine verantwort­lich ist, schrecke ihn nicht: „Ich habe meinen sicheren Job gekündigt und das Risiko auf mich genommen“, sagt er mit einem Blick zurück. Er stehe hinter der Idee und wolle, dass das Konzept in Ulm bestehen bleibt. „Ich mache das nicht aus monetären Gründen und auch nicht für mein Ego“, betont Saad.

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FOTOS: ALEXANDER KAYA Das Sortiment bleibt vorerst gleich, aber der Name ändert sich: Kunden gehen in Ulm nun im Markt Ora doro Unverpackt­es einkaufen.
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André Wieland

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