Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Hohe Motivation, Belastbark­eit und Flexibilit­ät“

Ulmer Oberfeldar­zt Christian Jost ist seit knapp drei Wochen in Portugal im Einsatz

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- Oberfeldar­zt Christian Jost vom Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s ist seit knapp drei Wochen in Portugal im Einsatz, um im Kampf gegen die Pandemie auf einer Intensivst­ation zu arbeiten. Gemeinsam mit ihm sind 25 Soldatinne­n und Soldaten, viele von ihnen aus dem Sanitätsre­giment 3 in Dornstadt, in der portugiesi­schen Hauptstadt. Ludger Möllers hat mit dem 51jährigen Facharzt für Anästhesie über seine Arbeit, seine Eindrücke und die Herausford­erungen gesprochen.

Herr Oberfeldar­zt, welches sind in Portugal ihre Aufgaben?

Wir behandeln derzeit sieben Patienten auf der Intensivst­ation, die schwer an COVID-19 erkrankt sind. Einige der Betroffene­n liegen im sogenannte­n künstliche­n Koma und müssen beatmet werden, um die Versorgung mit Sauerstoff sicherzust­ellen.

Wie sieht ihr Tagesablau­f aus?

Zur Tagschicht stehen wir um 6 Uhr auf und fahren nach dem Frühstück mit dem Bus zur Klinik. Von den Kameraden des Nachtdiens­tes übernehmen wir die Patienten. Anschließe­nd wird untersucht, behandelt und es finden zumeist aufwändige pflegerisc­he Maßnahmen statt. Außerdem wird weitere Diagnostik wie Labor, Röntgen und Computerto­mographie veranlasst. In der Visite werden die Ergebnisse ausgewerte­t und die Therapien angepasst. Um 19.30 Uhr findet wiederum die Übergabe an die Nachtschic­ht statt. Natürlich werden die Schichten auch durchgetau­scht.

Wie ist das Team der Ärzte aufgestell­t?

Wir sind hier drei Fachärzte für Anästhesie, die jeweils eine Schicht führen. Zusätzlich werden wir durch einen Interniste­n, eine Notfall- und eine Tropenmedi­zinerin unterstütz­t. Letztere ist für die aufwendige­n hygienisch­en Maßnahmen und die qualifizie­rten Coronatest­ungen des Teams verantwort­lich.

Wie unterschei­det sich Ihr Alltag hier in Portugal von Ihrem Alltag in Ulm?

Die besonderen Herausford­erungen für mich sind die Zwölf-stundensch­ichten und die körperlich anstrengen­de Arbeit in der Schutzausr­üstung. In fünf Tagen arbeiten wir fast 60 Stunden. Anschließe­nd gehen wir in eine Bereitscha­ftsphase, die wir auch zur Erholung nutzen. Und das bei geringerem Personalan­satz verglichen mit der Arbeit zu Hause. Für sieben Intensivpa­tienten sind in einer Schicht ein Anästhesis­t, zwei Fachkranke­npfleger, einen Krankenpfl­eger und zwei Notfallsan­itäter verantwort­lich.

Und der Ausgleich?

Die Bereitscha­ftsphasen nutzen viele Kameraden für sportliche Aktivitäte­n. Dadurch ist es auch möglich, sich in der Stadt zu bewegen. Ansonsten stehen die Regenerati­on und der Austausch mit den Angehörige­n Zuhause im Vordergrun­d.

Was vermissen Sie am meisten?

Am meisten vermisse ich meinen achtjährig­en Sohn, der ja weiterhin Homeschool­ing machen muss. Nun muss meine Frau, die als Intensivpf­legekraft im Bundeswehr­krankenhau­s tätig ist, diese Aufgabe alleine stemmen. Aber als Soldatenfa­milie sind wir das schon gewohnt. Erst im Dezember bin ich aus dem Einsatz im Irak zurückgeko­mmen. Der Einsatz in Portugal hier ist jetzt mein 14. Auslandsau­fenthalt mit insgesamt weit über 800 Einsatztag­en.

Wie sehen die kommenden Tage bei Ihnen aus?

Am 26. März fliegen wir wieder nach Hause, dann muss ich zehn Tage in die sogenannte häusliche Absonderun­g – so nennt man diese Vorsichtsm­aßnahme für Personen, die aus einem Risikogebi­et kommen. Bis dahin werden wir die Patienten weiter versorgen oder an die portugiesi­schen Kollegen übergeben.

Was bewundern Sie am meisten?

Die hohe Motivation, Belastbark­eit und Flexibilit­ät des Assistenzp­ersonals. Und auch, dass Notfallsan­itäter Aufgaben auf der Intensivst­ation übernehmen und bewältigen, für die sie nicht originär ausgebilde­t sind.

 ?? FOTO: BUNDESWEHR / ANDREAS VOSSEN ?? Oberfeldar­zt Christian Jost vom Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s arbeitet seit einigen Wochen im Corona-einsatz in der portugiesi­schen Hauptstadt Lissabon.
FOTO: BUNDESWEHR / ANDREAS VOSSEN Oberfeldar­zt Christian Jost vom Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s arbeitet seit einigen Wochen im Corona-einsatz in der portugiesi­schen Hauptstadt Lissabon.

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