Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Goldene Zeiten für sparsame Autokäufer

Der Griff zum Auslaufmod­ell kann sich bezahlt machen – Lediglich Elektroaut­os stellen für Experten eine Ausnahme dar

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(dpa) - Was dem Einzelhand­el der Schlussver­kauf, das ist dem Autohaus der Modellwech­sel. Denn so, wie Skipullis und Winterjack­en Platz machen müssen für T-shirts und Bademode, müssen auch die letzten Exemplare eines noch aktuellen Autos vom Hof, bevor eine neue Fahrzeugge­neration in den Showroom rollt. Aber lohnt sich die Lagerware, oder ist die neue Generation vielleicht doch das bessere Geschäft?

Für sparsame Autokäufer können das goldene Zeiten sein. Denn nicht nur, dass Autos Generation für Generation in der Regel teurer werden, weil sie im Format wachsen, oft mehr Leistung haben und besser ausgestatt­et sind. Sondern um den Abverkauf zu fördern, gibt es die letzten Exemplare einer Baureihe oft als Sondermode­lle mit besonders üppiger Ausstattun­g und extra niedrigem Preis, wie Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r vom Center Automotive Research sagt. Und größere Rabatte räumen die Händler dafür in der Regel auch noch ein. „Bis zu 30 Prozent sind da leicht zu holen“, sagt Dudenhöffe­r.

Erleichter­t wird die Entscheidu­ng durch die Tatsache, dass die technische­n Sprünge in einigen, für den Kunden wichtigen Bereichen oft sehr klein ausfallen, sagt Jan Burgard vom Strategieb­erater Berylls. Er zieht als Beispiel den VW Golf heran. Der Normverbra­uch des Golf VII 1.0 TSI (85 PS) lag bei 4,8 Litern, bei einem Basispreis von 19 520 Euro. Der Generation­enwechsel hat dem vergleichb­ar motorisier­ten Golf VIII 1.0 TSI (90 PS) einen Normverbra­uch von 4,5 Litern beschert. Der Kunde spart mit dem neuen Modell für mindestens 19 881 Euro also etwa 40 Cent auf 100 Kilometer, rechnet er vor. „Preislich scheinen die Generation­en also nah beieinande­r zu liegen. Allerdings waren kurz vor dem Wechsel zur achten Golfgenera­tion auf das Auslaufmod­ell Rabatte bis 7700 Euro zu erzielen. Aus wirtschaft­licher Sicht war der Kauf der älteren Generation damit offensicht­lich die richtige Entscheidu­ng.“

Bei der Frage nach Auslaufmod­ell oder neuer Generation geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um Güte. Oftmals wird die Qualität eines Autos über die Jahre besser, sagt der Sprecher der Sachverstä­ndigenorga­nisation KÜS, Hans-georg Marmit: „Die Produktion hat sich eingespiel­t, und Kinderkran­kheiten haben sich ausgewachs­en“. Gerade bei großen technische­n Umstellung­en kommt es nämlich immer wieder zu Problemen, die Käufern von neuen Modellen den Spaß an ihrer Errungensc­haft verderben können. Davor sind selbst Bestseller wie der VW Golf nicht gefeit. So bitten die Niedersach­sen seit Januar allein in Deutschlan­d 26 000 Kunden zum Softwareup­date in die Werkstatt, weil das völlig neuartige Infotainme­nt-system

Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r über Rabatte bei Auslaufmod­ellen immer wieder Hänger hat und mit unverständ­lichen Fehlermeld­ungen nervt, bestätigt Vw-sprecher Stefan Voswinkel. „So etwas kommt zwar mittlerwei­le nicht mehr allzu oft vor“, sagt Marmit. „Doch wenn es solche Serviceakt­ionen gibt, dann eher bei jungen als bei alten Modellen. Denn je länger sie schon auf dem Markt sind, desto mehr Fehler wurden gefunden und korrigiert.“

Und es muss gar nicht zum Defekt kommen. Für viele Interessen­ten sind derart radikale Umstellung­en wie das digitalisi­erte Bediensyst­em des VW Golf, das Aus der Saugmotore­n in der letzten Generation des Porsche 911 oder der Verzicht zum Beispiel auf Schaltgetr­iebe oder Sechszylin­der Grund genug, noch einmal zum alten Auto zu greifen, sagt Burgard.

Allerdings machen die Experten unisono eine Ausnahme: Elektroaut­os. „Technologi­sch noch lange nicht so ausgereizt wie die Verbrenner, bieten sie beim Modellwech­sel meist deutliche Fortschrit­te bei Batterieka­pazität, Reichweite, Energiever­brauch oder Schnelllad­efähigkeit“, sagt Dudenhöffe­r. „Da ist man mit einem Auslaufmod­ell deshalb eher schlecht beraten, und es ist sinnvoll, sich auf den Nachfolger zu konzentrie­ren.“

Neben Preis und Technik gibt es noch einen Faktor, der in die Kaufentsch­eidung hineinspie­lt: die Lieferzeit. „Wer partout die neuartigen Leuchten, den moderneren Motor, den Allradantr­ieb oder die größere Reichweite will, der wird beim neuen Modell landen und eventuell lange auf die Lieferung warten müssen“, sagt Marmit. „Wer dagegen dringend ein neues Auto braucht und keine so hohen Ansprüche an sein Fahrzeug stellt, entscheide­t sich für das Auslaufmod­ell, spart ein paar Tausender und fährt sofort vom Hof.“

Anderersei­ts muss man auch den Restwert beim Wiederverk­auf bedenken, der bei Auslaufmod­ellen natürlich schneller fällt als bei einem ganz neuen Modell, mahnt Dudenhöffe­r: „Wer seinen Wagen alle zwei oder drei Jahre wechselt, sollte eher auf das Nachfolgem­odell gehen, da sonst später größere Einbußen drohen. Wer allerdings mit sechs Jahren oder mehr plant, kann auch diesen Faktor vernachläs­sigen und ist mit dem Auslaufmod­ell gut bedient.“

Zwar sind diese Hinweise Hilfestell­ungen, geben aber keinen eindeutige­n Rat. Deshalb versucht sich Burgard an einem Kompromiss und empfiehlt, Autos etwa ein Jahr nach der Markteinfü­hrung zu bestellen. „Dann sind die meisten Kinderkran­kheiten auskuriert, es sind alle Antriebs- und Ausstattun­gsvariante­n verfügbar, die Hersteller haben noch nicht damit begonnen, einzelne Extras wieder herauszusp­aren, und die Händler zeigen sich auch schon wieder verhandlun­gsbereit.“

„Bis zu 30 Prozent sind da leicht zu holen.“

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FOTO: GERALD MATZKA/DPA Unwiderste­hlich? Auch wenn die neueste Generation blitzblank im Verkaufsra­um glänzt, kann der Vorgänger noch ein guter Neukauf sein.

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