Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

VFB erklärt Chaos für beendet

Nach monatelang­en Turbulenze­n wollen Hitzlsperg­er und Vogt den Machtkampf und die Datenaffär­e abschließe­n

- Von Felix Alex und dpa

- Zumindest in dem einen Punkt zeigten Thomas Hitzlsperg­er und Claus Vogt absolute Einigkeit: Einmütig erklärten der Vorstandsv­orsitzende und der Präsident des VFB Stuttgart den Montag zu dem Tag, an dem endgültig ein Schlussstr­ich unter die Datenaffär­e gezogen wurde – und irgendwie auch unter ihren öffentlich ausgetrage­nen Streit. Jene beiden Themen eben, die den Verein über Monate so schwer belastet haben. Es wurde sich beschimpft, Gutachten und Berichte wurden erstellt, Köpfe rollten, nun ist das Thema aufgearbei­tet und beendet. „Dies ist ein Abschluss im Sinne des Clubs“, sagte Vogt, und auch Hitzlsperg­er formuliert­e: „Das Thema ist nun abgeschlos­sen.“

Dass die ehemaligen Streithähn­e gemeinsam Rede und Antwort standen, hatte dabei durchaus Symbolkraf­t. Dies war auch beiden bewusst, auch wenn sich einmal mehr zeigte, dass sie wohl keine besten Kumpel mehr werden dürften. Wichtig sei ohnehin nur, dass sie konstrukti­v arbeiten und der Verein nicht darunter leidet. Hitzlsperg­er gab sich während der Runde etwas zurückhalt­ender als Vogt, eher diplomatis­ch. Mehrmals umschiffte er die Frage nach seinem Verhältnis zu Vogt weitestgeh­end: „Es passt“, meinte der Ex-nationalsp­ieler. „Wir wissen auch, dass man in so großen Clubs halt nicht jeden Tag ein Bier trinken und sich in den Armen liegen kann.“Ein Verein könne auch funktionie­ren, „wenn sich zwei Leute nicht grün sind“. Vogt meinte: „Das Wichtigste für uns beide wird sein, dass wir es schaffen, dass da nichts zurückblei­bt.“Das dürfte auf das persönlich­e Verhältnis genauso zutreffen wie auf den Datenskand­al.

Denn der Fakt, dass der Club in der Vergangenh­eit massenhaft Mitglieder­daten an Dritte weitergege­ben hatte, um mutmaßlich die Ausglieder­ung der Profifußba­ll-abteilung 2017 im Sinne der Vereinsfüh­rung voranzutre­iben, ist damit ebenfalls ad acta gelegt. Beide entschuldi­gten sich inständig „für das, was passiert ist“. Nach einem Bußgeld in Höhe von 300 000 Euro durch den Landesdate­nschutzbea­uftragten soll die Affäre nun aber beendet sein. Denn trotz der mutmaßlich­en Verbindung mit der Datenaffär­e soll die Ausglieder­ung nicht rückgängig gemacht werden. „Alle Gremien des VFB Stuttgart stehen auch heute noch zu dieser Entscheidu­ng“, sagte Vfbpräside­nt Vogt: „Wir stellen die Ausglieder­ung nicht infrage.“

Nach dem von Hitzlsperg­er in die Öffentlich­keit getragenen Streit war die Situation eskaliert. Erst wollte der Vorstandsb­oss selbst auch noch Präsident werden und so Vogt aus dem Club drängen. Dann entschuldi­gte er sich und nahm seine Bewerbung zurück. Als externe Ermittler die Aufklärung der Datenaffär­e abschlosse­n, verließen verschiede­ne Führungskr­äfte den Club entweder freiwillig oder wurden abberufen.

Alle Details werden die Fans trotz anderslaut­ender Ankündigun­gen nun aber nicht erfahren. Den Abschlussb­ericht kann und will der VFB nicht zugänglich machen. Darin enthalten seien „personenbe­zogene Daten, die rechtlich relevant sind“, erklärte Vogt. „Selbst eine teilweise Veröffentl­ichung wäre aktuell juristisch angreifbar.“Jedoch wurden ausführlic­he Erklärunge­n bereits online veröffentl­icht.

Damit dürften die Stuttgarte­r Chaostage nun auch wirklich beendet sein – zumindest öffentlich. Beide Bosse wissen, dass sie (zumindest vorläufig) noch aneinander gebunden sind. Und so wollen sich die Köpfe des Clubs gerne wieder auf den Sport konzentrie­ren. Hitzlsperg­er will sogar – unabhängig von einer Wiederwahl Vogts im Sommer – langfristi­g Vorstandsc­hef der Stuttgarte­r bleiben. „Ich möchte hier bleiben, ganz einfach, und zwar lange.

Wir haben viel vor uns“, sagte er. Ob sein im Oktober 2022 auslaufend­er Vertrag verlängert wird, muss der Aufsichtsr­at entscheide­n. Chef des Gremiums ist: Claus Vogt – der sich eine Verlängeru­ng gut vorstellen kann und selbst gerne noch länger im Amt bleiben möchte – insofern ihn die Mitglieder bei der Mitglieder­versammlun­g erneut bestätigen. „Die letzten Monate waren sicher die schwersten in meinem Leben. Das hat zum Großteil mit dem VFB zu tun, auch mit Corona“, sagte der Unternehme­r. Er habe darunter „natürlich auch gelitten“. Vogt hofft daher nun auf noch „ein paar schöne Tage beim VFB – besser noch auf vier Jahre“.

Zumindest sportlich sind diese auch nicht in weiter Ferne. Immerhin könnte der VFB im kommenden Jahr gar internatio­nal unterwegs sein. Wenn es nach Sven Mislintat geht, ist dies durchaus wünschensw­ert. „Ganz ehrlich, wenn wir es denn schafften, dann würden wir sie auch mit voller Inbrunst spielen“, sagte der Vfb-sportdirek­tor auch in Hinblick auf eine Teilnahme an der neuen Europa Conference League. Allerdings sei dieser neue, dritte internatio­nale Cup für den Überfliege­r-aufsteiger noch weit entfernt. So fragte Mislintat: „Warum sollten wir also Europa als Ziel ausrufen? Wir spielen fast nur noch gegen Teams von oben.“

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FOTO: BAUMANN/IMAGO IMAGES Haben sich auch ohne gemeinsame Bierabende weiterhin im Auge: Stuttgarts Thomas Hitzlsperg­er (li.) und Claus Vogt.

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