Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zukunft mit Zeitdruck

Die Zukunftsko­mmission Landwirtsc­haft sucht einen Agrarkonse­ns und Lösungen, wie Bauern ihre Höfe nachhaltig betreiben können

- Von Sascha Meyer

(dpa) - Es geht um mehr Umweltschu­tz. Um bessere Bedingunge­n in den Ställen. Aber dazu auch um wirtschaft­liche Perspektiv­en für die Höfe und die heikle Frage von Billigprei­sen im Supermarkt. Schon seit Jahren ist die Ausrichtun­g der Landwirtsc­haft in Deutschlan­d heftig umkämpft. Eine vom Bundeskabi­nett eingesetzt­e Kommission soll da nach Ansätzen für einen breiten Konsens suchen. Oder nach einer „Quadratur des Kreises“, wie der Vorsitzend­e Peter Strohschne­ider ein halbes Jahr nach dem Start am Dienstag in Berlin sagte. Allerdings ist bis zur Bundestags­wahl am 26. September nicht mehr viel Zeit. Und rund um die Kommission kocht auch schon wieder akuter Streit hoch.

Das Gremium verstehe sich als „eine Art von rundem Tisch“und als ein Forum des Interessen­ausgleichs, sagte Strohschne­ider nach einer Sitzung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es bestehe eine große Chance für neue Ansätze der Agrarpolit­ik in den nächsten ein bis zwei Wahlperiod­en mit Blick auf die kommenden zehn Jahre. Dabei wäre es illusorisc­h, dass Gegensätze dann einfach aus der Welt seien. Ziel sei aber, einen Handlungsr­ahmen zu finden, der auch gesellscha­ftlich tragfähig ist.

Dabei geht es erst einmal um eine gemeinsame Basis. Denn dem Gremium gehören auch langjährig­e Kontrahent­en an: Vertreter von Bauern und Ernährungs­branche, Natur- und Tierschütz­er, Handel und Wissenscha­ft. Merkel hatte die „Zukunftsko­mmission“nach Bauernprot­esten Ende 2019 vorgeschla­gen. Und in der Kommission habe sich „so etwas wie ein Teamspirit“entwickelt, sagte Strohschne­ider, der sich als außenstehe­nder Literaturw­issenschaf­tler auch als „Löwendompt­eur“sieht.

Konkret gehe es zum Beispiel um die Frage, wie im Lebensmitt­elsystem gegenüber dem „Mengenwett­bewerb“ein „Qualitätsw­ettbewerb“an Gewicht gewinnen könne, erläuterte Strohschne­ider – in Produkten und auch in Prozessen. Dazu stellt sich die Frage, wie sich der Aufwand für Umweltschu­tz und bessere Ställe direkt in Lebensmitt­elpreise einbeziehe­n lässt. „Tierschutz darf nicht als Kostentrei­ber betrachtet werden“, sagte der Präsident des Tierschutz­bunds, Thomas Schröder. Bauernverb­andsvizepr­äsident Werner Schwarz sagte, es gehe nicht darum, dass die Bauern geliebt werden wollten. Es gelte aber, die Bauern bei der Entwicklun­g mitzunehme­n.

Vor allem Umweltschü­tzer nehmen allerdings die Rolle der Politik ins Visier. „Wir haben im Moment große Zweifel, ob die Bundesregi­erung gewillt ist, die Ratschläge überhaupt anzunehmen“, monierte der Vorsitzend­e des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND), Olaf Bandt. Greenpeace­chef Martin Kaiser drohte schon mit einem Ausstieg.

Parallel zu den grundsätzl­ichen Beratungen geht es tatsächlic­h gerade zur Sache: Eine Neujustier­ung der

Eu-agrarmilli­arden soll ab 2023 greifen – doch die nationale Umsetzung ist umstritten. Am Mittwoch wollen die Fachminist­er von Bund und Ländern erneut darüber beraten. Klöckner hat Eckpunkte für einen „Strategiep­lan“vorgelegt, den Deutschlan­d bis 1. Januar 2022 nach Brüssel schicken muss. Unter anderem sollen künftig 20 Prozent der Direktzahl­ungen an spezielle höhere Umwelt- und Klimaleist­ungen geknüpft sein – 900 Millionen Euro jährlich. Aus der ersten Säule der Direktzahl­ungen sollen acht statt sechs Prozent in die zweite Säule für Umweltmaßn­ahmen umgelenkt werden.

Auch für die Kommission wird es knapp, bis der Wahlkampf aufzieht. „Die Zeit ist irgendwie nicht unsere Freundin“, formuliert­e es der Vorsitzend­e Strohschne­ider. Bis zum Sommer sollen Empfehlung­en auf den Tisch. Ein „gewisser Zeitdruck“könne da segensreic­h sein.

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FOTO: DPA Getreideer­nte: Die Zukunftsko­mmission Landwirtsc­haft soll neue Ansätze der Agrarpolit­ik erarbeiten.

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