Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Goldene Profess 50 Jahre nach der Klosterauflösung
Vor 160 Jahren starb die zweitletzte Ordensfrau in der 700-jährigen Geschichte des Heiligkreuztaler Klosters
„In dem Kreuzgang des ehemaligen Klosters zu Heiligkreuztal ist seit mehr als 30 Jahren eine Kegelbahn eingerichtet… So lange das Kloster an eine Brauerei verpachtet ist, wird es auch nicht möglich sein, zu verhindern, dass die schönen Refektorien als Fassremisen und Kohlenlager dienen.“Dies ist der besorgte Bericht der Bezirkspflegschaft Riedlingen vom 1. Juni 1932 an das Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart. Wer den heutigen Zustand des Kreuzgangs kennt, kann sich nur unschwer darin eine Kegelbahn, im Kapitelsaal einen Hühnerstall und die zu Remisen zweckentfremdeten Refektorien vorstellen. All das war eine Folge der Säkularisation 1802 - 1803, als die Klöster aufgelöst worden waren.
Für Heiligkreuztal bedeutete das damals: Die Nonnen (Äbtissin Maria Bernarda Kohlhund und 20 Chorfrauen sowie 13 Laienschwestern) durften dort wohnen bleiben, erhielten eine „Staatspension“, das Kloster wurde aber offiziell aufgelöst. 1808 wollte Württemberg das Kloster räumen lassen und eine Kaserne einrichten. Dies gelang jedoch nicht. 1809 wurden Chorgesang und sonstige Ordensgebräuche verboten. Die Klosterfrauen legten eine „besonders ausnehmende Zufriedenheit ... an den Tag“, wurde amtlicherseits bei einer Visitation festgestellt. Als 1822 die letzte Äbtissin 80-jährig starb, machte sich neben geistiger auch finanzielle Armut breit.
1843 lebten im Kloster Heiligkreuztal noch vier Ordensfrauen, die ihr Zusammenleben aufgaben und die Gebäude räumten: die Priorin Hildegard Schaible aus Munderkingen (1780 - 1846), die Apothekerin Xaver Spör aus Axams in Tirol (1780nach 1843), Luciana Ried aus Westerflach (1782-1863) und die Küsterin Constantia Braun aus Riedlingen. Nun standen die Räumlichkeiten leer. Das Münster wurde Pfarrkirche, in den Klostergebäuden wurden Beamtungen und eine Schule eingerichtet und Teile der Anlage an Heiligkreuztaler verkauft. Über 100 Jahre dauerte dieser zweckentfremdete Zustand. Ab 1972 erfolgte durch die Stephanusgemeinschaft eine großartige Wiederaufbauleistung in geistig/geistlicher und kulturgeschichtlicher Hinsicht.
Schwester Constantia Braun wurde am 18. Januar 1777 in Riedlingen geboren und auf den Namen Martha Maria Juliana getauft. Sie wuchs in der Rösslegasse 1, im Haus mit der „Schönen Stiege“auf. Am 7.6.1803 trat die Tochter des Tuchmachers Franz Joseph Braun (dem Ur-urgroßvater des Kapuziners und bekannten Radiopredigers Suso Braun, gestorben 1977) ins Kloster ein, obwohl die Auflösung des Konvents zu der Zeit bereits beschlossen war. Ihre Profess legte die Riedlingerin am 5.2. 1804 ab und erhielt den Namen Sr. Maria Constantia. Als junge Nonne erlebte Schwester Constantia nun hautnah das wechselvolle Schicksal des Klosters mit. Ihrer Mitschwester Maria Aloysia Graf aus Riedlingen, die 1828 im Alter von 79 Jahren verstarb, blieb einiges davon erspart.
Das Leben dieser Frauen nach der Klosterauflösung lässt sich kaum nachzeichnen. Aber vielleicht gibt der Nachlass der Nonne Graf aus Riedlingen einen Einblick in die Lebensverhältnisse: Auch sie hatte eine jährliche Pension von 240 Gulden erhalten. An Bargeld besaß die Verstorbene 81 Gulden. Ferner sind an Besitztümern unter anderen aufgeführt: „3 silberne Löffel, Messer und Gabel ihr eigen, viele, aber lauter alte Gebetbücher.“An Frauenkleidern waren vorhanden: „2 Kukullen, 3 lange Röcke, 1 Pelzrock mit Pelzmieder, 11 Schleier, 2 Pelzkappen, 2 Sommerkappen, 2 Paar Handschuhe, 13 Käpplen, 13 Hemden, 9 Paar Strümpfe, 3 Schnürmieder, 6 Nachtkappen, 1 Brustfleck, 20 Sacktücher, 13 Halstücher, 17 Kopfhauben, 3 Paar Schuhe und 5 Schürzen.“In ihrer Zelle stand ein „viertüriger Kleiderkasten“, eine „gehimmelte Bettlade mit Umhang“, wozu fünf Strohsäcke gehörten, ein „Betstuhl und Pult mit Bild“, ein „Pültlein“, ein Tisch und Teppich, ein Stuhl und „Sessele“. An der Wand hing ein Kruzifix. Sie besaß fünf silberne „Löfelen“, sechs „Gemälde Täflen mit Ölfarb“, fünf „geringe Löfelen“, ein „grünes Nähkastlen“, einen Leuchter, eine Sonnenuhr und drei steinerne Krüge. Nach Abzug der „Leichkosten“in Höhe von 34 Gulden und der Vorausbezahlung für 50 heilige Messen, wofür damals 20 Gulden anzusetzen waren, blieb ein Gesamtvermögen von 237 Gulden und 47 Kreuzer. Die Vermögensverhältnisse der Constantia Braun sind nicht bekannt doch müssen sie beachtlich gewesen sein. 1850 machte sie eine namhafte Stiftung an die Pfarrgemeinde St. Georg: vier große und zwei kleine Kirchenfahnen sowie ein Messgewand.
Ähnlich dürften die Besitzverhältnisse der anderen Frauen im Kloster gewesen sein. Was die Vita der Constantia Braun aber noch bemerkenswert macht, sind zwei vorhandene Dokumente aus ihrem Leben. Zusammen mit drei weiteren Schwestern feierte Sr. Constantia Braun 1853 ihre goldene Profess in Zisterzienserkloster Imst/tirol mit Zisterzienserabt Aloisius. In seiner Festansprache erinnerte der Abt an die historischen Vorgänge der Säkularisation und lobte das beispiellose Verhalten und die Treue der Schwestern.
Das zweite Dokument ist die Grabrede, die bei der Beerdigung der zweitletzten Nonne aus der über 700-jährigen Geschichte dieses Klosters im Februar 1861 in Riedlingen gehalten wurde. Aus ihr erfährt man auch etwas über die Lebenslage der „Exconventualin“oder „Staatspensionärin“, wie die ehemaligen Klosterfrauen offiziell genannt wurden. Der damalige Stadtpfarrer Georg Kautzer sagte in seiner Grabrede: „Im Kreuzgang sieht man statt betender Nonnen aufgeschichtete Bierfässer. Das sind die Wechsel der Zeit, aber – setzt ich bei – was da gewesen, kommt wieder, nur an andern, und das Weinen geht um wie in einem Spiel und durch alles schreitet das hl. ewige Gesetz des Unsichtbaren, dessen man wohl spotten, aber nie los werden kann… Vor fünf Jahren wurde Sr. Constantia vom Schlage dermaßen gelähmt, daß sie von da an gänzlich auf fremde Pflege und Hilfe angewiesen war. Das war die Klausur Gottes, das war aber auch seine Dornenkrone. Und wo der Herr einem Haupte sie aufsetzt, da will er, daß eine Himmelskrone daraus wird… Mit elend gekrümmtem Leibe, mit unverständlichem Lallen lag sie zuletzt nur noch da; aber ihr Beten war nicht gekrümmt, ihr Glauben und ihre Hoffnung nicht gelähmt, als der letzte Atemzug sich entwand, da konnten die Umstehenden nur wünschen: Gott gebe uns auch einmal ein solches Sterben. Unsere Verewigte hat das seltene Alter von 84 Jahren und 15 Tagen erreicht.“
Ihr Name blieb bis heute auf dem Riedlinger Friedhof erhalten. Der Grabstein Sorger trägt die Inschrift: Konstantia Braun, ehem. Chorfrau in Hl. Kreuztal.