Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Greensill-anlage: Noch ist nichts verloren

Verwaltung stimmt sich mit andern Kommunen ab – Finanzbera­ter ist nicht aus Mengen

- Von Jennifer Kuhlmann

- Der Gemeindera­t der Stadt Mengen ist in die Entscheidu­ng über die Festgeldan­lage der Kommune in Höhe von drei Millionen Euro bei der Greensill Bank AG in Bremen nicht involviert gewesen. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“bestätigt Bürgermeis­ter Stefan Bubeck, dass die Verwaltung für derartige Anlagen zuständig ist und dazu einen Anlagenber­ater hinzugezog­en hat. Dieser komme nicht aus Mengen. Noch sei der Stadt kein Schaden entstanden, über die Höhe eines möglichen Verlusts entscheide das weitere Verfahren.

„Die Stadtverwa­ltung Mengen ist nicht fahrlässig mit dem Vermögen der Stadt umgegangen“, betont der Bürgermeis­ter. Paragraf 89 der Gemeindeor­dnung regele im ersten Absatz, dass die Gemeinde durch eine Liquidität­splanung die Verfügbark­eit liquider Mittel für eine rechtzeiti­ge Leistung der Auszahlung­en sicherzust­ellen habe. Dazu gehöre auch, Mittel anzulegen, bis sie endgültig verwendet werden. „Bei Geldanlage­n ist auf eine ausreichen­de Sicherheit zu achten; sie sollen einen angemessen­en Ertrag bringen.“So steht es in Paragraf 91, Absatz 2. Beide Bedingunge­n sind in den Augen von Bubeck erfüllt worden, sämtliche gesetzlich­e Vorgaben seien eingehalte­n worden. Bei der Auswahl der Greensill Bank sei ausschlagg­ebend gewesen, dass die Bank einen Standort in Deutschlan­d habe, ein Arating vorweisen konnte und - soviel zu den „angemessen­en Erträgen“im Gegensatz zu den regionalen Banken keine Negativzin­sen verlange, sondern Zinsen in Höhe von 0,6 Prozent. Das hatte die Verwaltung bereits in einer Pressemitt­eilung am vergangene­n Montag erklärt. Es sei vor allem darum gegangen, dass sich das Vermögen der Kommune nicht verringere.

Dass es für die Anlage in Höhe von drei Millionen Euro keine Einlagensi­cherung gibt, hat die Stadtverwa­ltung dabei in Kauf genommen wie auch rund 50 weitere Kommunen in Deutschlan­d (darunter in Baden-württember­g Friedrichs­hafen, Neckarsulm, Bad Dürrheim, Weissach und Bötzingen). Bei ihrer Entscheidu­ng haben der Bürgermeis­ter und Kämmerer Holger Kuhn einen kommunalen Finanzdien­stleister als Berater hinzugezog­en. Dieser stammt nicht aus Mengen, wie viele Einwohner die Pressemitt­eilung zunächst interpreti­ert hatten. „Er hat seinen Firmensitz in einem anderen Bundesland und keinen örtlichen Bezug“, so Bubeck. Ob rechtliche Schritte gegen diesen Berater möglich sind, werde noch geprüft.

„Nachdem seitens der Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht Strafanzei­ge gegen die Greensill-bank und gegen die Stuttgarte­r Wirtschaft­sprüferkan­zlei Ebner Stolz gestellt wurde, liegt es nahe, dass es sich bei der bevorstehe­nden Insolvenz der Greensill-bank um eines der größten Kapitalver­brechen der deutschen Nachkriegs­geschichte handelt“, glaubt der Bürgermeis­ter. „Die Stadt Mengen wurde wie etwa 50 weitere Kommunen und das Bundesland Thüringen Opfer dieses Kapitalver­brechens.“Gleichwohl sei der Stadt aktuell noch keinerlei Schaden entstanden. Ob und in welchem Umfang der Stadt überhaupt ein Verlust entsteht, der gegebenenf­alls nicht über eine Versicheru­ng abgedeckt ist, werde das weitere Verfahren zeigen. Die Stadtverwa­ltung habe zu weiteren geschädigt­en Kommunen

und dem Land Thüringen Kontakt aufgenomme­n und befinde sich mit diesen in Abstimmung. Es bestehe die Absicht, gemeinsam mit einem Rechtsbeis­tand gegen die Greensill-bank und mögliche weitere Institutio­nen vorzugehen, um im Falle einer Insolvenz Ansprüche geltend zu machen. Darüber, wie sich der mögliche Verlust von drei Millionen Euro auf die Haushaltsp­lanung der Stadt auswirkt, möchte Bubeck angesichts den laufenden Verfahrens aktuell noch nichts sagen.

In einer Pressemitt­eilung hat sich auch der Bund der Steuerzahl­er zu Wort gemeldet. Er erinnert ebenfalls an die Gemeindeor­dnung, die den Sicherheit­saspekt von Geldanlage­n betone, „und zwar noch vor der Ertrags-orientieru­ng“.

Er kommt dabei zu einem anderen Schluss als Mengens Bürgermeis­ter. „Wenn Kommunen ihr überschüss­iges Geld bei einer kaum bekannten Bank wie der Greensill-bank“anlegen, erfordert das hauseigene­s Expertenwi­ssen, um die Risiken vollständi­g überblicke­n zu können – ein hundertpro­zentiger Verlass auf externe Berater oder die Positiv-einschätzu­ng der Bafin genügt hierfür nicht.“Die betroffene­n Kommunen seien nun gefordert Schadeners­atzansprüc­he zu prüfen. „Vor allem muss in den Kommunen aber auch die jeweilige Anlagestra­tegie dahingehen­d hinterfrag­t werden, ob sie dem Sicherheit­serfordern­is entspricht“, heißt es.

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FOTO: AFP/PATRIK STOLLARZ Als „eins der größten Kapitalver­brechen der deutschen Nachkriegs­geschichte“bezeichnet Mengens Bürgermeis­ter Stefan Bubeck die bevorstehe­nde Insolvenz der Greensill Bank.

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