Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Drohende Ödnis nach der Pandemie

Kinobesitz­er Jürgen Matzner schreibt einen Brandbrief an den Dehoga

- Von Kai Schlichter­mann

- Den fast verzweifel­ten Ton hört man, wenn man Jürgen Matzners offenen Brief an den Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga) liest. Der Chef des Riedlinger Lichtspiel­hauses schreibt, er stehe „als Inhaber und Betreiber vor dem geschäftli­chen Ruin“. Angesichts seit fünf Monate andauernde­r geschlosse­ner Pforten aufgrund der Corona-pandemie und nur äußerst knappen und sehr späten Auszahlung von Staatshilf­en, weiß er nicht, wie er den Betrieb von Kino und Gastronomi­e fortführen soll – vor allem ohne klare Perspektiv­e, wie die Politik die Öffnungen des öffentlich­en Lebens vollziehen will. „Ohne finanziell­e Rücklagen wäre der Betrieb schon zahlungsun­fähig, sprich insolvent geworden“, schreibt er weiter. „Meine privaten Mittel sind nun erschöpft und ich werde bei weiteren Verzögerun­g der Auszahlung­en (der Corona-hilfen, Anm. d. Red.) und ohne konkrete Öffnungsst­rategie das Lichtspiel­haus schließen.“Im äußersten Fall hieße das: Matzner, Eigentümer des Kino-gebäudes, müsste die Immobilie verkaufen.

Jürgen Matzner ist es gleichwohl wichtig, das Lichtspiel­haus am Leben zu erhalten. Er weiß um die kulturelle Bedeutung der Einrichtun­g in Riedlingen, die ein Anziehungs­punkt für viele Menschen ist. Kino und die Bar halten neben anderen Bars und Restaurant­s die Riedlinger Altstadt auch abends lebendig.

Auch aus kulturpoli­tischer und gesellscha­ftlicher Verantwort­ung grübelt er darüber nach, wie wieder Geld in die Kasse kommen könnte, damit die lokale Institutio­n des Lichtspiel­hauses in Riedlingen am Leben bleibt. „Es ist frustriere­nd, weil ich ja nicht aufhören will. Wir haben vor einem Jahr in eine neue

Leinwand und Lüftungsan­lage investiert. Beim ersten Lockdown waren wir noch voller Tatendrang“, sagt er im Gespräch mit der SZ. Doch die zögerliche und langsame Auszahlung der Corona-hilfe treibe ihn zunehmend in den Ruin.

In den sozialen Medien fand sein Aufschrei großen Anklang und Unterstütz­ung, der mit Angeboten für finanziell­e Hilfen sowie Sammelakti­onen gepaart war. Zugleich betont er, er wolle aus eigener Kraft aus der

Krise kommen und lehne Spenden ab. Er denke darüber nach, einen anderen Job anzunehmen, um mit dem Gehalt das Kino durch die Krise zu führen. „Mit einer schlüssige­n Öffnungs-regelung könnte ich mir woanders einen befristete­n Arbeitspla­tz suchen.“Aber das fehle. Was ihm bleibe, sei das Gebäude. „Das Lichtspiel­haus kann man nicht so einfach alternativ nutzen. Den Kinosaal als Wohnhaus zu nutzen, ist fast nicht möglich.“Ebenso wenig lohne es, die Küche hochzufahr­en und Speisen auf Bestellung­en anzubieten. „Das ergibt keinen Sinn. Wir haben so viel Wettbewerb­er um uns herum.“Außerdem seien die Kosten so hoch, dass man nichts damit verdiene.

Aus diesem Grund kämpft er nun kompromiss­los für den Erhalt von Hilfsgeld aus dem Topf der Regierung. Er schreibt an den Dehoga, der ständig geschürte Panikmodus von Politik und Medien führe zu Verunsiche­rung,

verengtem Blickwinke­l, sozialer Distanz, Vereinsamu­ng und Ängsten, sich bei Mitmensche­n anzustecke­n. „Daher plädiere ich für die Eigenveran­twortung jedes Menschen und eine staatlich uneingesch­ränkte Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e, einschließ­lich Festbetrie­ben, Kultur und Festivals.“Gemeinsam mit anderen Appellen an die Politik wolle er der Dehoga dieses Schreiben der Bundesregi­erung aushändige­n.

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FOTO: PRIVAT Kinobetrei­ber Jürgen Matzner ist frustriert – vor einem Jahr hat er noch in die Ausstattun­g des Kinos investiert. Nun droht ihm der geschäftli­che Ruin.

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