Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Falsch gewählt
Für mich ist bei jeder Wahl die bemerkenswerteste Gruppe an Wählerinnen und Wähler die, der es einfach nicht gelingen mag, einen gültigen Stimmzettel in die Wahlurne oder den Briefkasten zu schmeißen. Im Wahlkreis 66 waren satte 606 Menschen wohl nicht in der Lage, ein Kreuz an eine dafür vorgesehene Stelle zu setzen. Das sind 0,71 Prozent und damit mehr als so manche Partei erhalten hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass viele Erstwähler mit der so komplexen Wahlsituation überfordert zu sein scheinen. Meine Freundin hat vor fünf Jahren bei ihrer ersten Wahl von ihrer Mutter – offensichtlich ironisch – gesagt bekommen, sie müsse auf den Wahlzettel noch ihre Unterschrift setzen. Glücklicherweise hat sie das gesagt, nachdem der Wahlzettel schon in den Tiefen der Urne versenkt war. Dem Blick meiner Freundin nach zu urteilen, hätte sie aber um ein Haar falsch gewählt und sich somit fast einer ganz besonderen Wählergruppe angeschlossen... (simü)
(sz) - Seit Ende 2018 verändert sich auf der Schwäbischen Alb und in der Donauebene das Erscheinungsbild der historischen Nord-süd-stromleitung. Die Firma Amprion stellt das 220-Kilovolt-netz auf 380 Kilovolt um. Der 61 Kilometer lange Ersatzneubau ist eine Verwandlung im großen Stil und derzeit eines der größten Infrastrukturprojekte der Region. Jetzt steht die Verwandlung nach rund zwei Jahren Bauzeit planmäßig kurz vor der Vollendung: 177 von 181 neuen Masten sind fertiggestellt, in den Umfahrungsabschnitten liegen sogar bereits die neuen Leiterseile auf.
Kontinuierlich sind in den vergangenen zwei Jahren die neuen Masten in die Höhe gewachsen, während bereits ein Großteil der 220 alten Masten nach 90 Jahren Dienstzeit Schritt für Schritt in den verdienten Ruhestand verschwunden ist. Vier der alten Masten bleiben jedoch in Eningen unter Achalm als historisches Industriedenkmal erhalten.
Die alte Leitung musste das Unternehmen ab Mitte Oktober zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit letztmalig wieder in Betrieb nehmen, weil in der kalten Jahreszeit der Energiebedarf steigt – alle heizen mehr und haben länger das Licht an. Höhenarbeiten in der bestehenden Achse sind jedoch nur möglich, wenn die Leitung spannungsfrei geschaltet ist. Die Arbeiten laufen daher zurzeit nur am Boden weiter. Ab März erhält Amprion Freischaltungen und kann die Stockung der letzten Masten und den Zug der restlichen Leiterseile (insgesamt mehr als 1400 Kilometer) in Angriff nehmen, bevor in diesem Sommer die Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Leitung gefeiert werden kann.
Die Corona-pandemie traf im vergangenen Jahr die ganze Gesellschaft unerwartet. Für ein großes Infrastrukturprojekt wie der Ersatzneubau
bedeutete dies eine große Herausforderung in der Organisation und Umsetzung: Der Gesundheitsschutz der Kolleginnen und Kollegen vor Ort hatte dabei absolute Priorität. Zusätzlich stellten Grenzkontrollen und die teils andere Dynamik der Pandemie in den Nachbarländern die Personallogistik des multinationalen Projektteams auf die Probe. Gleichzeitig musste der Fortschritt der Bauarbeiten sichergestellt werden. Denn der Zeitplan für den Ersatzneubau ist eng. Die Leitung wird für die sichere Stromversorgung in Baden-württemberg gebraucht.
Klar war auch: Abstände sind auf einer laufenden Baustelle nicht einzuhalten – schon gar nicht in luftiger Höhe auf dem Mast. Daher haben die vor Ort tätigen Baufirmen ausgeklügelte Hygienekonzepte entwickelt. Die Monteurinnen und Monteure wurden in feste Arbeitsteams eingeteilt. Durch dieses Vorgehen konnten die Kontakte jedes Einzelnen auf das notwendige Mindestmaß reduziert und die Nachverfolgbarkeit sichergestellt werden, ohne die üblichen Arbeitsabläufe am Mast einzuschränken. Dass die Baustelle noch immer voll im Zeitplan liegt, ist dabei der beste Beweis für die Wirksamkeit der Schutzkonzepte.
Kurz vor der Wiederinbetriebnahme für den Winter kam Ende September Besuch aus der Landeshauptstadt auf die laufende Baustelle. In Münsingen nahmen hochrangige Vertreter der projektbeteiligten Unternehmen eine Delegation des baden-württembergischen Umweltministeriums in Empfang.
Auf der Baustelle stellte Projektleiter Klaus Ludwig den Gästen aus Stuttgart die letzte Maststockung im Bauabschnitt der Omexom und einen Seilzug vor. Projektsprecher Jörg Weber fasste den Baustellenbesuch zufrieden zusammen: „Wir haben den Vertretern des Umweltministeriums hier vor Ort gezeigt, dass die Umsetzung des Netzausbaus möglich ist, wenn gute Planung, transparente Öffentlichkeitsarbeit und technisches Know-how ineinandergreifen.“