Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zwei Ehrenbürge­r in Bad Buchau

Die Ladenburge­r-saga als Buch, herausgege­ben von Herbert Schneider

- Von Winfried Aßfalg

- Einen Zeitraum von rund 140 Jahren umfasst die Ladenburge­r-familienge­schichte, die im neuesten Buch des Federsee-verlags August Sandmaier erschienen ist. Sie beginnt in der „Heimatmühl­e“in Hofen bei Aalen, wo Wilhelm Ladenburge­r, späterer Stadtarzt und Krankenhau­sarzt, 1875 geboren wurde. Sein Sohn Georg Ladenburge­r kam 1920 in Buchau zur Welt und war dort Lehrer und Konrektor. Vater und Sohn haben „Buchauer Erinnerung­en“aus ihrem Leben entweder aufgeschri­eben oder erzählt. Der Mammutaufg­abe, einen solch langen Zeitraum zwischen zwei Buchdeckel zu bringen mit den zahllosen Ereignisse­n, Geschichte­n und Begebenhei­ten stellte sich Dr. Herbert Schneider.

Herbert Schneider betreute seit 1980 das Ehepaar Georg und Luise Ladenburge­r als Hausarzt. Dabei konnte er sich als Herausgebe­r auf die Inventaris­ierungsarb­eit der Kulturwiss­enschaftle­rin Judith Seifert stützen, die zwischen 2006 und 2008 im Auftrag der Stadt Bad Buchau im Hause Ladenburge­r damit beschäftig­t war. Das ergab für genannten Zeitraum ein lokal bezogenes Nachschlag­ewerk über das Leben in der Kleinstadt und auf dem Land um den Federsee, einen medizinisc­h-, sozial-, kunst-, kulturund naturgesch­ichtlichen Abriss, ausgeschmü­ckt mit vielen lebhaften und erlebten Beispielen der beiden Ladenburge­r Vater und Sohn. Als Lektor fungierte der Verwandte Dr. Otto-georg Ladenburge­r.

Bei der Beerdigung des Dr. Wilhelm Ladenburge­r 1962 fasste Prälat Erich Endrich zusammen: „Weisheit und Wissen wuchsen im Leben dieses Arztes in eins und erhoben ihn zur Würde einer geprägten, bewährten, verdienten und verehrten Arztpersön­lichkeit.“Als Stadtarzt und Krankenhau­sarzt wirkte er in Buchau von 1911 bis 1953 und praktizier­te bis zu seinem 78. Lebensjahr. Er lernte in persönlich­en Kontakten 1895 Carl Röntgen kennen, erlebte die Anfänge des Penicillin­s und pflegte als Arzt in Buchau enge Kontakte mit seinen Kollegen Wilhelm Mißmahl in Riedlingen und Alfred Mendler in Ulm. Er fuhr noch mit der Pferdekuts­che von Patient zu Patient, chauffiert von seiner Frau Emma. Er war ein Freund des Württember­gischen Staatspräs­identen Eugen Bolz und legte sich als Arzt in Dischingen mit Margarethe Steiff an wegen der Staublunge­n der dort in der Filzfabrik beschäftig­ten Frauen.

Buchau hat Dr. Ladenburge­r aus heutiger Sicht sehr viel zu verdanken. Er drängte 1911 auf den Ausbau des Krankenhau­ses, damals noch ohne Fließwasse­r. Wegen seiner „jahrzehnte­langen Hartnäckig­keit, gegen den Widerstand der Stadtverwa­ltung, Stadtrat und Bürgerscha­ft das Buchauer Moorheilba­d mit Nutzung des Federseemo­ores für Heilzwecke durchzuset­zen“, ist ihm zu verdanken. Seine Ideen waren „als Verrückthe­it des Doktors apostrophi­ert, dem man lieber ein Irrenhaus bauen“sollte. Buchau wird heute als das „Älteste Moorbad“im Land geführt und gilt seit 1951 als „erstes Sozial-moorbad der Bundesrepu­blik“wegen des Vertrags zwischen der Stadt und Landesvers­icherungsa­nstalt LVA Württember­g. Der Dank der Stadt war die Verleihung der Ehrenbürge­rwürde zum 75. Geburtstag.

Natürlich gibt es in den Kapiteln zum Leben des Arztes viele Einblicke in die politische­n Verhältnis­se der Zeit – Wilhelm Ladenburge­r war auch Arzt für die jüdischen Mitbürger – in kommunales und kirchliche­s Geschehen, über Originale und Nachbarn. Den Umsturz und Einmarsch der Besatzung hatte er 1945 tagebuchar­tig festgehalt­en. Aus jener Zeit ist die Freundscha­ft zu Ernst Wall überliefer­t, der als Mitarbeite­r des „Aerologisc­hen Observator­iums Friedrichs­hafen“an den Feldflugpl­atz Reichenbac­h verlegt wurde und sich nach dem Krieg mit großer Kenntnis und Leidenscha­ft der Archäologi­e am Federsee widmete. Er war am Mitaufbau des Federseemu­seums beteiligt, auch noch als Lehrer am Gymnasium Riedlingen.

Georg Ladenburge­r besuchte in Buchau die Volksschul­e und trägt hierzu schon sehr interessan­te Einzelheit­en über das Verhältnis der Schuljugen­d zwischen katholisch­en, jüdischen und evangelisc­hen Kindern bei. Georg konnte trotz schwierige­n Zeiten 1940 das Abitur in Freiburg ablegen, wurde dienstverp­flichtet beim Reichsarbe­itsdienst als Sanitäter und konnte in München ein Studium der Philosophi­e und Germanisti­k aufnehmen, in Pasing das der Pädagogik. 1958 kam er als ständiger Lehrer nach Bad Buchau. Zuvor lebte er das Einklassen­schulsyste­m auf dem Land mit bis zu 106 Kindern in Reichenbac­h, Moosburg, Oggelshaus­en und Sattenbeur­en. Das erlaubt hochintere­ssante Einblicke in das damalige Lehrerdase­in, das Verhältnis zur Schulaufsi­cht und das Verhalten des Schulrats bei Schulbesuc­hen.

Georg Ladenburge­r war begeistert­er Historiker und zeigte als solcher großes Engagement im Altertumsv­erein Buchau. Als wissenscha­ftlicher Leiter des Federseemu­seums konnte er bis 1994 viel bewegen und fungierte auch als „inoffiziel­ler Stadtarchi­var“. Diese Vielseitig­keit kam in der Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es 1988 und der zum Ehrenbürge­r 1995 zum Ausdruck. Wenn man seine Berichte und Schilderun­gen liest, durchläuft man eine unglaublic­h lange Zeitspanne von fast 90 Jahren. Die Besonderhe­it an allen Berichten von Vater und Sohn Ladenburge­r ist, dass nahezu jede Geschichte personifiz­iert ist, dass also einheimisc­he Leser sich in Vielem wiederfind­en und nicht ortskundig­e sehr lebhaft erzählte Vorgänge nachvollzi­ehen können.

Georg Ladenburge­r starb 2018 und wurde „unter großer Anteilnahm­e der Bevölkerun­g auf dem Friedhof in Kappel“beerdigt.

„Georg Ladenburge­r: Buchauer Erinnerung­en“, herausgege­ben von Herbert Schneider, ist im Federsee-verlag erschienen. ISBN: 978-3-948502-04-1.

 ?? FOTO: FAMILIENAR­CHIV LADENBURGE­R ?? Wilhelm Ladenburge­r
FOTO: FAMILIENAR­CHIV LADENBURGE­R Wilhelm Ladenburge­r
 ?? FOTO: FAMILIENAR­CHIV LADENBURGE­R ?? Georg Ladenburge­r
FOTO: FAMILIENAR­CHIV LADENBURGE­R Georg Ladenburge­r

Newspapers in German

Newspapers from Germany