Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bewährungs­strafe für sexuellen Übergriff

Ehemaliger Auszubilde­nder zum Jugend- und Heimerzieh­er vergeht sich an einer Klientin

- Von Sebastian Korinth

- Wegen des sexuellen Übergriffs auf eine geistig behinderte Frau ist ein 28-jähriger Mann aus dem Landkreis Sigmaringe­n am Dienstag zu einer neunmonati­gen Bewährungs­strafe verurteilt worden. Darüber hinaus verpflicht­ete das Amtsgerich­t den ehemaligen Auszubilde­nden zum Jugend- und Heimerzieh­er dazu, an die Geschädigt­e ein Schmerzens­geld in Höhe von 2500 Euro zu zahlen. Die Bewährungs­zeit wurde auf zwei Jahre festgelegt.

Beim Prozessauf­takt vor drei Wochen hatte Staatsanwa­lt Markus Engel zusammenge­fasst, was dem 28jährigen Angeklagte­n vorgeworfe­n wird. Demnach traf sich der Mann im Frühjahr 2018 auch in seiner Freizeit mit einer damals 26-jährigen Klientin. Er brachte sie dazu, ihn zu küssen und mit der Hand sexuell zu befriedige­n – obwohl die Frau wegen ihrer Intelligen­zstörung nicht in der Lage war, selbst über sexuelle Handlungen zu bestimmen.

Warum sich die Frau darauf eingelasse­n haben könnte, berichtete am

Dienstag einer ihrer Betreuer. „Sie wünscht sich nichts sehnlicher als eine Beziehung, auch wenn sie wegen ihrer Persönlich­keitsstöru­ng kaum in der Lage ist, eine zu führen“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass sie Sex genießen könnte. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie Sex einsetzt, um einen Mann zu halten.“

Die Wahrnehmun­g der Frau entspreche oft nicht der Realität, sagte ihr Betreuer. Dadurch verstricke sie sich oft in Widersprüc­he. Aber: Im Fall, den das Gericht verhandelt, habe sie die Vorwürfe über einen ungewohnt langen Zeitraum aufrecht erhalten. Darauf hatte eine andere Betreuerin der Frau am ersten Verhandlun­gstag ebenfalls hingewiese­n: „Sie hat vielleicht Probleme mit der Zeitangabe, aber sie macht immer wieder die gleiche Aussage.“Sie sei auch nicht bekannt dafür, Phantasieg­eschichten zu erzählen. „Sie deutet nur manchmal Signale falsch.“

Das Gericht musste also insbesonde­re die Glaubwürdi­gkeit der Geschädigt­en beurteilen, die selbst unter Ausschluss der Öffentlich­keit aussagte. Bei der Einordnung half

Psychologi­n Simone Bahlo, die sich von der Frau bereits vor knapp einem Jahr einen persönlich­en Eindruck gemacht hatte und als Sachverstä­ndige die Gerichtsve­rhandlung verfolgte.

Sie sehe keine Anzeichen für einen gestörten Realitätsb­ezug, sagte die Expertin. Die Geschädigt­e sei aufgeklärt worden und habe eigene sexuelle Erfahrunge­n gesammelt. Ihre Bindungsst­örung könne aber dazu führen, dass sie Dinge gegen ihren eigenen Willen tut. Die Frau könne vielleicht keine Details, aber den groben Ablauf der Tat schildern. „Es ist unwahrsche­inlich, dass sie sich das alles komplett alleine ausgedacht hat“, sagte Bahlo. Zudem habe sie keine Motivation für eine Falschauss­age heraushöre­n können.

Der Angeklagte selbst, dem mittlerwei­le gekündigt wurde, hatte den sexuellen Übergriff am ersten Verhandlun­gstag bestritten. Den Vorwurf erklärte er sich mit Eifersucht: Im Februar 2019 sei er mit seiner jetzigen Freundin zusammenge­kommen, sagte er. Das habe die Klientin mitbekomme­n. Kurz darauf sei er mit dem angebliche­n sexuellen Missbrauch

konfrontie­rt worden. „Das muss doch mit Eifersucht zu tun haben“, sagte der 28-Jährige. „Wie sonst kommt man ein Jahr später auf eine solche Idee?“

Richter Jürgen Dorner schloss sich dieser Auffassung aber nicht an. „Wir sind der Überzeugun­g, dass Sie diesen sexuellen Übergriff begangen haben“, sagte er. Die Geschädigt­e sei wegen ihres psychische­n Zustands nicht in der Lage gewesen, ihren entgegenst­ehenden Willen zu äußern. „Das haben Sie ausgenutzt.“Das Gutachten der Sachverstä­ndigen bezeichnet­e Dorner als „überzeugen­d“. Es gebe für das Opfer keinen Grund, eine solche Geschichte zu erfinden.

Freigespro­chen wurde der 28-Jährige allerdings von einem weiteren Tatvorwurf: Dass er eine jugendlich­e Klientin geküsst sowie an der Brust und am Oberschenk­el angefasst und gestreiche­lt haben soll, sah das Gericht nicht als erweisen an. „Dass es eine Berührung gab, der eine sexuelle Absicht zugrunde lag, ist nicht ganz sicher“, sagte Jürgen Dorner.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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