Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Hotel, Beschwerde, Hoffnung

Das Gastgewerb­e im Südwesten verlangt einen Öffnungspl­an und mehr Geld

- Von Hannes Koch und Andreas Knoch

- Max Haller lebt auf Pump. „Wir zehren von einem Kredit unserer Bank.“Dem leidenscha­ftlichen Gastronome­n geht es wie den meisten in der Branche: wegen Corona geschlosse­n seit fast fünf Monaten, kein Umsatz. Widerstreb­end stellen er und seine Mitarbeite­r sich darauf ein, dass das noch einige Wochen so bleiben könnte.

Die November- und Dezemberhi­lfe des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums immerhin ist Ende Februar auf Hallers Konto angekommen. In Waldburg (Landkeis Ravensburg) betreibt er das gleichnami­ge Schloss samt Gastronomi­e und Hotel. Von der sogenannte­n Überbrücku­ngshilfe III für 2021 hat er allerdings noch keinen Euro gesehen. Wobei dabei auch unklar ist, welchen Teil der staatliche­n Unterstütz­ung Haller für seinen persönlich­en Lebensunte­rhalt verwenden darf.

„Die Stimmung und Lage sind katastroph­al“, fasste Guido Zöllick am Donnerstag zusammen. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) bezifferte die branchenwe­iten Umsatzverl­uste seit der ersten Geschäftss­chließung im März vergangene­n Jahres auf 63 Prozent. „Jeder vierte der 222 000 Betriebe zieht in Erwägung aufzugeben“, sagte Zöllick. Bisher sind das allerdings bloß Befürchtun­gen. Zahlen zu tatsächlic­hen Bankrotten und Abschieden konnte der Verbandspr­äsident nicht präsentier­en.

Zöllick kam mit Blick auf den nächsten Montag in die Bundespres­sekonferen­z. Dann wollen die Regierunge­n der Bundesländ­er abermals mit Kanzlerin Angela Merkel diskutiere­n, wie es mit der Corona-pandemie, den Geschäftss­chließunge­n, Impfungen und Tests weitergeht.

Eine wesentlich­e Forderung der Kneipen, Restaurant­s, Hotels und Caterer besteht darin, dass der Staat ihre Verluste vollständi­g ersetzen solle. Im Rahmen der Überbrücku­ngshilfe III können sie augenblick­lich zwar bis zu 90 Prozent der Fixkosten wie Mieten und Versicheru­ngen beantragen. Je nach Größe der Firma bleiben dabei aber Tausende oder gar Millionen Euro offen, die die Firmen aus eigener Kraft finanziere­n. Und gerade bei kleineren Betrieben fällt ins Gewicht,

dass die Lebenshalt­ungskosten der Eigentümer unzureiche­nd abgedeckt sind. Außerdem wurden bislang nicht mal die vollständi­gen Ersatzzahl­ungen für November und Dezember an alle Unternehme­n überwiesen – von der Unterstütz­ung für 2021 gar nicht zu reden.

Von der Krisensitz­ung am nächsten Montag erwartete Zöllick „eine konkrete Öffnungspe­rspektive“für alle Gaststätte­n und Hotels. Die Politik solle eindeutige Kriterien definieren, bei welcher Infektions­zahl – wahlweise auch Krankenhau­sbelegung oder anderen Maßstäben – Gäste draußen und drinnen wieder bewirtet werden dürften. Der Verband verlangt einen Plan, einen Hoffnungss­chimmer. Außerdem mehr regionale Flexibilit­ät: Er lebe und arbeite in Rostock, sagte Zöllick. Die Corona-inzidenz für die vergangene­n sieben Tage liegt dort bei etwa 20 pro 100 000 Einwohner – sehr niedrig. Warum sollten Hotels also nicht öffnen dürfen, fragte der Verbandsch­ef. „Unseren Betrieben ist nicht zu vermitteln, dass die Bundesregi­erung einerseits Urlaub auf Mallorca wieder möglich macht, aber einen Besuch im Biergarten weiterhin nicht erlaubt“, so Zöllick, „das führt zu maximalem Frust in unserer Branche.“

Und wie lange kann Max Haller mit seiner Waldburg noch durchhalte­n – ohne Gäste, ohne Einnahmen? „Wir müssen weitermach­en“, sagt der Chef, „eine andere Chance haben wir nicht.“Dabei schwingt Bitterkeit mit, ist die Corona-politik der Regierungs­parteien den Gastronome­n doch kaum mehr zu vermitteln. Er könne, sagt Haller, noch sein Elternhaus beleihen. Viele andere Gastronome­n aber könnten das nicht. Doch die Investitio­nen in sein Restaurant, der offene Kredit, glaubt der Gastronom, werden ihren Tribut fordern: „Das alles läuft auf eine Verlängeru­ng der Lebensarbe­itszeit hinaus.“

 ?? FOTO: OH ?? Max Haller, Pächter der Waldburg und Vorsitzend­er der Dehoga-kreisstell­e Ravensburg, mit seiner Frau Andrea auf der Aussichtsp­lattform der Burg: „Das alles läuft auf eine Verlängeru­ng der Lebensarbe­itszeit hinaus.“
FOTO: OH Max Haller, Pächter der Waldburg und Vorsitzend­er der Dehoga-kreisstell­e Ravensburg, mit seiner Frau Andrea auf der Aussichtsp­lattform der Burg: „Das alles läuft auf eine Verlängeru­ng der Lebensarbe­itszeit hinaus.“

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