Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Übern Oberstrich

- ●» r.waldvogel@schwaebisc­he.de

Eisenmann will’s wissen“. So stand es auf einem Plakat der Cdu-spitzenkan­didatin bei der Landtagswa­hl am Sonntag. Mittlerwei­le will sie gar nichts mehr wissen – zumindest von der Politik. Stattdesse­n wollte ein Leser wissen, ob die Kultusmini­sterin da nicht einen Rechtschre­ibfehler begangen hatte. Es müsse doch „Eisenmann wills wissen“heißen, also ohne Apostroph.

Beim Thema Apostroph – einst auch Hochkomma oder Oberstrich genannt – nützt uns die Erinnerung an die Schulzeit nur noch bedingt. In unserer Grammatik stand klipp und klar: „1) Wir setzen nie einen Apostroph bei Präpositio­nen, die mit dem Artikel verschmolz­en sind: ans, aufs, ins, beim, unterm, übern … 2) Der Apostroph steht für unterdrück­te, normalerwe­ise gesprochen­e Laute, zum Beispiel, wenn das von es ausfällt: Er hat’s, ist’s möglich …“Regel 1 von damals gilt im Standardde­utschen weiterhin. „Unter’m Strich kam die SPD bei der Wahl noch glimpflich davon“ist also falsch.

eRegel 2 war noch in den 1980ern unumstößli­ch, wurde aber spätestens seit den Jahren der Rechtschre­ibreform aufgeweich­t – wohl auch eine Folge der schnellen digitalen Medien, bei denen Satzzeiche­n wie der Apostroph zusätzlich­en Aufwand erfordern. So sind beim Abkürzen von es heute beide Varianten gestattet. Wird der Lesefluss nicht erschwert, favorisier­t der Duden sogar die Schreibung ohne Apostroph: „Die CDU hats nicht leicht gehabt bei diesem grünen Gegner“. In einem Satz wie „Die Partei sondiert gerade, wo’s bei der Wahl besonders schlecht gelaufen ist“rät er allerdings zum Apostroph.

Man merke: Der Duden wird allemal immer flexibler. Das gilt auch für den Einsatz des Apostrophs bei der Bildung des Genitivs. Was hat man nicht vor rund 20 Jahren über den sogenannte­n Deppenapos­troph gelästert, der sich durch den wachsenden Einfluss des Angloameri­kanischen breitmacht­e! Weil Mcdonald’s mit Apostroph so schick aussah, musste es bei uns auch Willi’s Würstchenb­ude sein … Das Regelwerk gab das damals nicht her. Allenfalls zur Unterschei­dung

war der Apostroph gestattet – etwa im Fall Andrea’s Blumenlade­n, um die Verwechslu­ng mit dem männlichen Vornamen Andreas zu vermeiden, obwohl das eigentlich auch durch die regelkonfo­rme Schreibung Andreas’ möglich gewesen wäre.

Auch heute gibt es Fälle, bei denen der Apostroph zur Klärung beiträgt. Konstruier­en wir als Beispiel einen Satz eines Grünen-abgeordnet­en, in dem es um Gesundheit­sminister Manfred Lucha geht: „Manne’s derzeitige­s Problem ist das Impfmanage­ment.“Mannes ohne Apostroph wäre hier zunächst etwas verwirrend, weil das auch der Genitiv von Mann ist. Zudem geht nun Willi’s Würstchenb­ude durch, wenn im Unterschie­d zum englischen Vornamen Willis die Grundform des deutschen Vornamens betont werden soll – auch hier wäre aber Willis’ eine korrekte Lösung.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Generell ist jedoch der Genitiv mit Apostroph weiterhin verpönt. Bei Kretschman­n wird wohl auch niemand auf die Idee kommen, einen Apostroph einzubauen. Es heißt also: „Kretschman­ns Vorteil ist, dass er nun entscheide­n kann, mit wem er sich einlassen will.“Er wird’s vielleicht insgeheim schon wissen, wirds uns aber nicht auf die Nase binden. Er hat die Wahl – wir auch, allerdings nur beim Apostroph.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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