Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Fast wäre der Hase ein Kuckuck geworden
Während die Fastenzeit ihren Höhepunkt erreicht, werden die Vorzeichen des Osterfestes unübersehbar. Überall hüpft und hoppelt es. Bunte Eier quellen aus den Supermarktregalen. Motive mit Hasenohren zieren sogar Ffp2-masken und es werden Osterlämmer im Akkord geschlachtet, damit sie pünktlich zum Fest als Braten zu glänzen vermögen.
Freilich wird es für Menschen, deren Geburt noch nicht so lange zurückreicht, immer schwieriger, etwas über den christlichen Kern von Ostern zu erfahren. Der Mensch ist ein visuelles Wesen. Und die übermächtige Präsenz von goldenen, schmunzelnden oder grinsenden Hasen macht es freilich nicht leichter, Ostern als höchsten Feiertag der Gläubigen wahrzunehmen, sondern vielmehr als allerhöchsten Feiertag der Schokoladenindustrie.
Dabei ist es heute ja längst nicht mehr nur Schokolade. Die osterhasenmäßige Formensprache hat sich auch in anderen Bereichen durchgesetzt. So haben findige Metzger das langohrige Tier bereits als Salami nachgebaut. Von Fruchtgummi gar nicht zu reden, von der Osterhasenbutter
ganz zu schweigen. Wir möchten darauf hinweisen, dass es früher noch Regionen gab, in denen der Hase andere Eierüberbringer noch nicht verdrängt hatte. Zum Beispiel der Oster-kuckuck aus dem schweizerischen Emmental. Viel hat nicht gefehlt, und es würde heute nicht hoppeln, sondern zwitschern. Was zum Kuckuck aber nicht bedeutet, dass es sich nicht lohnen würde, neben dem schokoladigen Kern von Ostern wieder einmal über den christlichen nachzudenken. (nyf)