Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Das Risiko ist vertretbar“

Virologe Thomas Mertens zum Astra-zeneca-impfstoff

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- Das Risiko durch die sehr seltene Nebenwirku­ng des Astra-zeneca-impfstoffs ist vertretbar – weil der Nutzen deutlich überwiegt. Das sagte der Ulmer Virologe Professor Thomas Mertens im Gespräch mit Daniel Hadrys.

Impfungen mit Astra-zeneca werden hierzuland­e fortgeführ­t. Halten Sie das Risiko von Hirnvenent­hrombosen für vertretbar?

Ja, ich halte das Risiko für vertretbar, wenn Ärzte und Impflinge entspreche­nd aufgeklärt werden und dabei auch gesagt wird, auf welche Symptome ein geimpfter Mensch achten sollte (zum Beispiel starke anhaltende Kopfschmer­zen mehr als vier Tage nach der Impfung, kleine Flecken auf der Haut, also Hautblutun­gen), um dann sofort ärztlichen Rat und Hilfe zu bekommen. Man muss sich klarmachen, dass es sich um eine sehr seltene, unter Umständen schwere Nebenwirku­ng (Größenordn­ung 10 pro 100 000 Geimpfte) handelt. Bei der Risiko- Nutzen-analyse ergibt sich sehr klar, dass der Nutzen der Impfung alle bislang bekannten Risiken, auch bei den Frauen zwischen 20 und 50 Jahren, deutlich überwiegt. Im Übrigen starren alle im Augenblick auf dieses Risiko, aber die meisten medizinisc­hen Maßnahmen haben ein höheres Risiko für eine schwere Nebenwirku­ng.

Forscher aus Greifswald wollen die Ursache für diese Blutgerinn­sel gefunden haben. Was ist die Ursache? Lässt sie sich im Impfstoff einfach beheben?

Die Forscher, die seit Langem an dem Problem des plötzlich auftretend­en Mangels an Blutplättc­hen (Thrombozyt­en) arbeiten, haben tatsächlic­h ein interessan­tes Forschungs­ergebnis erhalten. Man weiß, dass selten Menschen, die mit dem Blutverdün­ner Heparin behandelt werden müssen, plötzlich gleichzeit­ig eine drastische Verminderu­ng der Thrombozyt­en und Thrombosen entwickeln, das scheint zunächst paradox. Es kommt aber durch Antikörper, die diese Menschen gegen ein an ihre Blutplättc­hen gebundenes Eiweiß bilden, zur Verklumpun­g der Thrombozyt­en und dann zu Thrombosen. Jetzt haben die Forscher ähnliche Antikörper bei einigen der Patientinn­en gefunden, die nach einer Impfung erkrankt sind. Das wäre eine Erklärung für das Krankheits­geschehen, aber noch nicht für den Zusammenha­ng zwischen dem Impfstoff und dieser schweren Erkrankung.

Ärzte und Epidemiolo­gen warnen vor der dritten Welle. Lässt sie sich aus Ihrer Sicht noch aufhalten?

Nur durch die reichlich bekannten Regeln AHA+L zur Vermeidung von Virusübert­ragungen. Mit dem wenigen Impfstoff, den wir aktuell haben, können wir das meiner Meinung nach nicht schaffen. Für Herdenschu­tz müssten sehr viele Menschen geimpft werden. Deshalb ist es in dieser Situation auch so wichtig, dass weiterhin die Menschen vordringli­ch durch Impfung geschützt werden, die ein hohes Risiko für schwere Erkrankung, Krankenhau­sbehandlun­g und Tod haben.

Astra-zeneca

Laut Spahn gibt es bundesweit 1,6 Millionen unverimpft­e Astra-zeneca-dosen, die nach gut drei Tagen Impfstopp verwendet werden könnten, weil die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA nach Überprüfun­g mehrerer Fälle von Hirnthromb­osen die Sicherheit des Impfstoffs

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