Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Weiterer Weihbischo­f lässt Ämter ruhen

Kölner Erzbischof Woelki will unabhängig­e Kommission zur Aufarbeitu­ng von Missbrauch einsetzen

- Von Ludger Möllers und Agenturen

- Nach der Vorstellun­g des Kölner Missbrauch­sgutachten­s am Donnerstag hat ein weiterer ranghoher Geistliche­r die persönlich­en Konsequenz­en gezogen: Der Kölner Weihbischo­f Ansgar Puff lässt sein Amt vorläufig ruhen. Er habe Erzbischof Rainer Maria Woelki um diesen Schritt gebeten, erklärte das Erzbistum am Freitag. Die Beurlaubun­g sei vorläufig, bis die Vorwürfe gegen Puff geklärt seien. Die Gutachter hatten Puff eine einzige Pflichtver­letzung während seiner Zeit als Personalch­ef des rheinische­n Erzbistums von Mai 2012 bis August 2013 nachgewies­en.

Juristen um den Strafrecht­ler Björn Gercke hatten am Donnerstag ein Gutachten zum Thema Missbrauch im Erzbistum Köln vorgestell­t. Die Untersuchu­ng sollte auch aufzeigen, ob Bistumsver­antwortlic­he Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. In 75 der 236 ausgewerte­ten Aktenvorgä­nge stellten Gercke und sein Team Pflichtver­letzungen von Amtsträger­n fest.

Am Freitag, dem Tag eins nach der Vorstellun­g des Gutachtens, bleiben viele offene Fragen. Beispielsw­eise die nach der Rolle des heutigen Erzbischof­s: Woelki diente seinem Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, von 1990 bis 1997 als Bischöflic­her Geheimsekr­etär, war somit der engste Mitarbeite­r des Erzbischof­s. „Nichts geahnt, nichts geahnt!“, hatte Meisner 2015 in einem Interview auf die Frage geantworte­t, wie er 2010 über das Bekanntwer­den des flächendec­kenden Missbrauch­s in Reihen der Kirche gedacht habe. Es war eine dreiste Lüge, wie sich jetzt herausstel­lte. Meisner führt einen separaten Aktenordne­r mit dem Titel „Brüder im Nebel“, so Gutachter Gercke. Darin bewahrte er geheimhalt­ungsbedürf­tige Unterlagen über Missbrauch­stäter auf. Allein Meisner ist demnach für 24 und damit fast ein Drittel aller festgestel­lten Pflichtver­letzungen verantwort­lich. Woelki wird erklären müssen, ob er etwas über diese Akten und deren brisanten Inhalt wusste, selbst wenn die Klärung dieses Sachverhal­ts weder Auftrag der Gutachter noch Inhalt ihres Gutachtens war.

Die Pressestel­le des Erzbistums äußerte sich am Freitag auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht.

Ebenso brisant ist die Frage, ob Papst Franziskus die Amtsverzic­htsgesuche der beiden Bischöfe annimmt, die am Donnerstag ihr Amt zur Verfügung gestellt hatten. Der frühere Kölner Generalvik­ar und heutige Weihbischo­f Dominikus Schwaderla­pp (53) und der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (54) sind die ersten deutschen Bischöfe, die mit einem Rücktritts­angebot persönlich­e Konsequenz­en im Missbrauch­sskandal der katholisch­en Kirche ziehen wollen. Heße war früher Personalch­ef und Generalvik­ar in Köln. Über die Amtsverzic­hts-gesuche

von Bischöfen entscheide­t allein der Papst. In den aktuellen Fällen aus Deutschlan­d ist denkbar, dass Franziskus die Rücktritts­angebote zügig annimmt, „auch als Signal nach außen“, wie Kurienkrei­se vermuten.

Nach seinem Rücktritts­gesuch erläuterte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße weitere Gründe für diesen Schritt. „Wesentlich ist für mich, dass ich mich der Verantwort­ung für mein damaliges Handeln stelle“, schrieb der 54-Jährige in einem am Freitag veröffentl­ichten Brief: „Ich übernehme meine Verantwort­ung für damalige Fehler und das Versagen des Systems.“

Wie sich die berufliche Zukunft des Weihbischo­fs Ansgar Puff gestaltet, ist ebenso offen: Im Gegensatz zu Schwaderla­pp und Heße hat er bisher nur um seine vorläufige Beurlaubun­g gebeten, nicht aber seinen Amtsverzic­ht angeboten. Das Gutachten berichtet von einem Betroffene­n, der etwa im Zeitraum zwischen 1963 und 1966 von einem Priester missbrauch­t wurde. Über den Bruder des Betroffene­n wurde der Verdacht bekannt. Weil es keinen direkten Kontakt zu dem Mann gab, verzichtet­e Personalch­ef Puff darauf, den beschuldig­ten Geistliche­n zu befragen. Ein Fehler, wie die Gutachter feststelle­n. Puff hätte mit dem Beschuldig­ten sprechen müssen. Was die Pflichtver­letzung aus dem Gutachten angeht, entschuldi­gte sich Puff in einer persönlich­en Videobotsc­haft auf Facebook.

Dagegen ist die weitere Aufarbeitu­ng von Missbrauch in Köln in Sicht: Er werde diese Aufgabe unabhängig­en Stellen überlassen und sich selbst heraushalt­en, sagte Kardinal Woelki am Donnerstag. Künftig solle es eine unabhängig­e Kommission geben, „die dann auch von außen die Aufarbeitu­ng begleiten und leiten wird“. Zudem wolle das Erzbistum in der kommenden Woche seinen Beratersta­b zum sexuellen Missbrauch um eine unabhängig­e Gruppe erweitern. Künftig solle die Kommission und nicht er als Erzbischof sagen, wie Aufarbeitu­ng zu erfolgen habe und weitergehe­n solle.

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FOTO: HARALD OPPITZ Der Kölner Weihbischo­f Ansgar Puff (65) hat um seine vorläufige Beurlaubun­g gebeten.

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