Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Dem Obstbaum zugewandt
Knappes Angebot von Obstgehölz könnte Baumschulen in Bredouille bringen
- Mit dem beginnenden Frühjahr und der Lust, den eigenen Garten zu gestalten, könnte ein seit Monaten sich verknappendes Gut weiterhin rar bleiben: Obstbaum-setzlinge. In der Tat sind Baumschulen und Gärtnereien in einem Dilemma: Seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage nach Obstgehölz sprunghaft angestiegen, weil zahlreiche Menschen ihre Gärten neu gestalten und solche Zuchtpflanzen kaufen – sämtliche Obstsorten sind begehrt, zum Beispiel Pfirsich, Aprikose oder auch Nektarinen. „Derzeit verkaufen wir täglich zehn bis 50 Obstpflanzen. Besonders beliebt sind Gravensteiner Äpfel oder Birnen“, sagt Claudia Aicher, Gärtnerin in der Baumschule App in Unlingen. Jungpflanzen für Streuobstwiesen würden häufig erworben – sei es, um diese Biotope anzulegen oder Ersatzbäume auf Ausgleichsflächen zu setzen.
Zugleich hatte die Branche zuvor ihre Überkapazitäten abgebaut, das Angebot von Obstbau-setzlingen nahm in der Folge stetig ab. „Dieses ungleiche Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage hat etwas damit zu tun, dass solche Gehölze lange Anzuchtzeiten haben. Ein Obstholzstamm braucht vier Jahre bis er fertig ist“, erklärt Anette App, Mitinhaberin der gleichnamigen Baumschule in Unlingen mit rund 15 Hektar Anbaufläche. Allerdings orderten nicht nur private Gartenfreunde verstärkt Jungbäume, sondern auch Institutionen, wie zum Beispiel die Forstverwaltung oder Waldbesitzer.
„Der Forst verlangt in der Regel zwanzig Arten, beispielsweise die Hainbuche oder der Spitzahorn“, sagt Andreas Hubl, Geschäftsführer der Karl Schlegel Baumschulen in Riedlingen.
„Seit Juni 2020 ist insgesamt deutlich mehr Ware über die Theke gegangen als sonst“, beobachtet er. Die Jahre zuvor sei es umgekehrt gewesen. Da sei tendenziell zu viel Bäume produziert worden. Infolgedessen hat er das Angebot verknappt. Er räumt ein, dass Baumschulen nicht kurzfristig produzieren könnten. „Wir überlegen heuer, was wir in sechs bis acht Jahren machen.“Der Nachfragedruck, der im Übrigen auch durch den starken Bauboom verstärkt wird, könne er durch Lieferungen von Partnerbetrieben in Süddeutschland bedienen. Anette App aus Unlingen meint hingegen, sie könne nicht ganz so flexibel reagieren: „Wir bauen alles selbst an. Außerdem müssen wir uns beschränken, weil wir und viele andere Baumschulen zu wenig Personal haben.“
Den Fachkräftemangel in Baumschulen betrachtet auch Markus Guhl als Hemmschuh für Baumschulen. Der Hauptgeschäftsführer des Bunds deutscher Baumschulen und der Arbeitsgemeinschaft mittelständischer Baumschulbetriebe sagt, eine Kampagne, um das Interesse am Ausbildungsberuf Baumschulgärtner zu steigern, sei erfolgreich angelaufen. Da spiele der Zeitgeist, der über der jungen Generation schwebe, den Unternehmern in der Gartenbranche in die Hände: Nachhaltigkeit und der Kampf gegen den von Menschen verursachten Klimawandel.
Dennoch werde das kurzfristig nichts daran ändern, dass junge Obstbäume im derzeit nicht gerade üppig vorhanden seien. „Unsere Betriebe sind spezialisiert. Aber sie sind zugleich stark verwoben mit anderen Baumschulen in Deutschland und im Ausland. Es müssen daher immer bestimmte Obstbäume zugehandelt werden“, erzählt er. „Die Frage ist immer: Was ist der Kunde bereit für die hohen Standards der Branche zu zahlen? Es ärgert Baumschulen, wenn Obstbäumchen für einige Euro an der Kasse von Discountern angeboten werden und niemand genau weiß, wie und wo sie produziert wurden“, sagt Markus Guhl der Schwäbischen Zeitung.