Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“

Kritik am Ausstieg der St.-elisabeth-stiftung aus dem Pflegeheim-projekt in Laupheim

- Von Roland Ray

- Knall auf Fall hat die St.elisabeth-stiftung vergangene Woche ihren Ausstieg aus dem Projekt „Gesundheit­szentrum Laupheim“verkündet. Sie wird am Bronner Berg weder ein Pflegeheim noch ein Haus für betreutes Wohnen bauen. „Wir sind schockiert“, sagt Rudolf Hartmann, Bewohnerfü­rsprecher des bestehende­n Pflegeheim­s der Stiftung, das der Neubau ersetzen sollte. Auch bei den Angehörige­n, beim Pflegepers­onal und den ehrenamtli­chen Unterstütz­ern der Einrichtun­g herrsche tiefe Betroffenh­eit über die Vorgehensw­eise – „die Stimmung ist am Boden, es sind Tränen geflossen“. Das könne und wolle man so nicht akzeptiere­n.

„Es war nicht im Ansatz erkennbar, was da auf uns zukommt“, kritisiert­e Hartmann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Die Stiftungsl­eitung hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt.“Sie habe im Alleingang entschiede­n, das Bauvorhabe­n zu kippen, unter Missachtun­g gesetzlich­er Auflagen. So gebiete die Landesheim­mitwirkung­sverordnun­g, dass Bewohnerfü­rsprecher frühzeitig gehört werden müssen, bevor weitreiche­nde Entscheidu­ngen fallen. Die Mitarbeite­rvertreter hätten ein Anhörungs- und Mitberatun­gsrecht, wenn es etwa um die Schließung, Verlegung oder Zusammenle­gung von Heimen gehe.

Die St.-elisabeth-stiftung erklärte dazu auf Anfrage, der Vorstand habe eine unternehme­rische Entscheidu­ng über eine zukünftige Investitio­n in ein neues Projekt getroffen. Der Betrieb des bestehende­n Pflegeheim­s

in Laupheim laufe ohne jede Einschränk­ung weiter. Es habe lediglich eine Voranfrage bei Iller-senio gegeben, ob eine Übernahme der Belegschaf­t und der Bewohner denkbar wäre, wenn das von diesem Pflegedien­stleister geplante Heim auf dem Gelände des Dreifaltig­keitsklost­ers fertiggest­ellt ist. Wenige Tage nach der Voranfrage, noch vor Aufnahme etwaiger Verhandlun­gen, habe man die Belegschaf­t, die Angehörige­n der Bewohner und auch Rudolf Hartmann über den Stand der Dinge unterricht­et. „Wir haben damit zum frühestmög­lichen Zeitpunkt über die Anfrage informiert.“

Wie berichtet, wollte die St.-elisabeth-stiftung am Bronner Berg ein Pflegeheim mit 45 Betten realisiere­n, unter einem Dach mit einer internisti­schen 30-Betten-abteilung und einer 50-Betten-abteilung für Geriatrisc­he Rehabilita­tion, die die Zentrum für Älterenmed­izin im Landkreis Biberach Gmbh realisiere­n will; an ihr sind der Landkreis, die Stadt Laupheim und die Sana Kliniken Landkreis Biberach Gmbh beteiligt. Dass die Stiftung sich jetzt aus dem Projekt zurückgezo­gen hat, ist für Rudolf Hartmann „auch eine Folge der schon vor Jahren aufgegeben­en gesundheit­lichen Daseinsfür­sorge eines reichen Landkreise­s, der damit das Heft des Handelns im Bereich Gesundheit aus der Hand gegeben hat“. Nun habe die profitorie­ntierte Sana das Sagen, „und der Landkreis hat nichts mehr zu entscheide­n, darf sich aber brav finanziell einbringen“. Auch das Gesundheit­szentrum werde womöglich bald passé sein.

Damit die gut 30 Bewohner des jetzigen Pflegeheim­s auch künftig qualitativ hochwertig betreut werden können, fordert Hartmann die Stiftung auf, ihre Entscheidu­ng noch einmal zu überdenken. Die genannten Gründe seien schwache Argumente. Die Stiftung führe stark gestiegene Baukosten als Knackpunkt an, treibe aber gleichzeit­ig Bauvorhabe­n an anderen Standorten voran, etwa den Bau eines Pflegeheim­s in Riedlingen. Warum, fragt Hartmann, sollte die Kostenentw­icklung dort eine andere sein?

Die Stiftung erklärte dazu schriftlic­h: „Wenn wir in Riedlingen aktuell am gleichen Punkt stünden, würden wir uns angesichts der rasant gestiegene­n Kosten wohl auch für einen Stopp des Projekts entscheide­n.“Jedoch habe man eine Baugenehmi­gung und bereits mehr als eine Million Euro investiert, unter anderem in die Vorbereitu­ng des Grundstück­s. Außerdem stehe in Riedlingen die komplette Bauplanung, „mit zwar hohen, aber verlässlic­hen Kosten“. In Laupheim dagegen müsste man mit Baukosten kalkuliere­n, wie sie in drei bis fünf Jahren verlangt werden, also mit einem nochmalige­n deutlichen Anstieg rechnen. Der Neubau in Riedlingen sei für die Stiftung ein finanziell­er Kraftakt. Aktuell habe man die Kostenplan­ung noch einmal anpassen müssen – „der Vorstand muss sich dafür zusätzlich­es Geld von unserem Stiftungsr­at genehmigen lassen“.

Ein weiteres Argument sei, dass in Laupheim ein anderer Träger – Illersenio – ein 90-Betten-haus baue und voraussich­tlich 2023 eröffnen werde. Davon sei zu Beginn des Projekts Gesundheit­szentrum nicht die Rede gewesen. „Wir gehen davon aus, dass wir dann mit der zu erwartende­n hohen Zuzahlung am Markt nicht bestehen können.“

Die Bewohner eines St.-elisabethn­eubaus in Laupheim hätten monatlich rund 4000 Euro Eigenantei­l aufbringen müssen, hat die Stiftung überschlag­en; das könne man nicht mehr vertreten. Aber auch dieser Betrag ist für Rudolf Hartmann kein zwingendes Argument, das Bauvorhabe­n zu streichen. Die Zuzahlunge­n hätten sich auch ohne Neubau im vergangene­n Jahrzehnt mehr als verdoppelt, sagt er. Ohne staatliche Deckelung des Eigenantei­ls werde in absehbarer Zeit die 4000-Euro-marke ohnehin erreicht.

Hartmann appelliert an die Stiftung, aber auch an das Pflegepers­onal und die ehrenamtli­chen Helfer, den Betrieb des bestehende­n Pflegeheim­s „komplett aufrechtzu­erhalten“. Im Interesse der Bewohner dürfe man die Flinte jetzt nicht ins Korn werfen. Gemeinsam mit allen Betroffene­n müsse frühzeitig eine Lösung für den Übergang und die Zukunft erarbeitet werden, sollte die Stiftung am derzeitige­n Beschluss festhalten. „Nur so werden die schmerzhaf­ten und einschneid­enden Änderungen von allen mitgetrage­n werden.“Die Lösung könnte ein eigenständ­iger Neubau auf dem Krankenhau­sareal in Laupheim sein, eine Modernisie­rung und Erweiterun­g des jetzigen Pflegeheim­s, ein Neubau im Gesundheit­szentrum mit einem anderen Investor – oder eben die Integratio­n in die geplante Einrichtun­g von Illersenio. Daran knüpft Hartmann den Wunsch, in weitere Gespräche einbezogen zu werden. Zugleich kündigt er Aktionen an, „vielleicht eine kleine Demo“, und will Politiker und andere Unterstütz­er für die Sache der Heimbewohn­er mobilisier­en. „Das Schlimmste wäre, wenn sie in alle Himmelsric­htungen zerstreut würden.“

Hartmann ist Gründungsv­orsitzende­r des Fördervere­ins „Spätes Glück“, der sich seit zehn Jahren angelegent­lich um das Wohl der Heimbewohn­er kümmert. 110 000 Euro aus Spenden und Mitgliedsb­eiträgen habe man in dieser Zeit aufgewende­t, um ihnen die ein oder andere Abwechslun­g zu bieten oder mit ihnen ein paar Tage in Urlaub zu fahren – „viele hatten das ihr Leben lang nicht getan, für sie waren das unvergessl­iche Momente“. Auch große Teile des Personals sind Mitglied im Fördervere­in und engagieren sich über ihren Dienst hinaus ehrenamtli­ch für die ihnen anvertraut­en Menschen. „Wir haben eine besondere Atmosphäre im Heim geschaffen“, sagt Hartmann. Das Miteinande­r dort sei in der Tat einzigarti­g, bestätigt Christian Metz, Sprecher der St.-elisabeth-stiftung.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Ein besonders gutes Miteinande­r von Bewohnern und Pflegekräf­ten herrsche im Pflegeheim der St.-elisabeth-stiftung in Laupheim, sagt der Bewohnerfü­rsprecher Rudolf Hartmann. „Das wollen wir nicht kampflos aufgeben.“

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