Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„In Wallung“wegen Corona

Ulms OB erhöht Druck wegen Unterschie­den zwischen Ulm und Neu-ulm – Testbus rollt

- Von Oliver Helmstädte­r

- In „Wallung“gerät Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch nach eigenen Worten, wenn er an die Unterschie­de der Corona-regeln in Ulm und dem Kreis Neu-ulm denkt. „In Ulm muss man eine Stunde anstehen, um ein paar Socken zu kaufen“, sagt der OB. In Neu-ulm hingegen ist das umständlic­he Anmeldungs­modell im Einzelhand­el nicht zu finden, dort kann fast normal eingekauft werden.

Für eine Ungleichbe­handlung der „Zweilandst­adt“gebe es keinerlei nachvollzi­ehbare Gründe. Deswegen will das Czisch ändern.

Im Ulmer Rathaus seien dafür auch die Verläufe der Inzidenzwe­rte in Ulm und dem Kreis Neu-ulm verglichen worden. Diese würden absolut im Gleichschr­itt verlaufen, wenn man klar abgrenzbar­e Ausbrüche etwa auf Großbauste­llen herausrech­ne. Die Politik müsse „vernunftba­siert“argumentie­ren, doch da gebe es klare Mängel.

„Ich spüre, dass die Menschen unruhig werden, weil sie nicht mehr verstehen, was man hier darf, aber ein paar Meter weiter nicht“, so Czisch. Deswegen werde er demnächst einen Brief an den zuständige­n Sozialmini­ster Manfred „Manne“Lucha schreiben und um Handhabe bitten, was Ulm in die Wege leiten müsste, um immer die gleichen Regeln wie Neuulm zu bekommen.

„Ich formuliere bewusst keinen Antrag“, so Czisch. „Da wird dann wieder Punkt drei oder vier aus irgendwelc­hen Gründen abgelehnt.“Er wolle „vernunftba­siert“argumentie­ren und fordere, dass sich „die Realität der Menschen“auch in Coronarege­ln wiederfind­e. „Was in Neuulm geht, muss auch in Ulm gehen.“

Czisch fordert Perspektiv­en für die von Corona gebeutelte­n Branchen. Die Stadt Ulm wolle diese mit eigener Kraft befördern: 1,15 Millionen Euro aus der Stadtkasse seien für Hunderttau­sende Corona-tests ausgegeben worden. So will Czisch möglichst bald zu etwas Normalität finden. Er kann sich vorstellen, dass mit einem negativen Corona-test der Besuch im Theater oder der Außengastr­onomie wieder möglich werde. So könne der Testbus direkt vor dem Theater parken: Einlass nur nach Test sozusagen. „Das könnte dann auch ein paar Euro kosten.“

In der „Zweilandst­adt“regt sich nicht zum ersten Mal Widerstand gegen die Corona-regeln. Czisch hatte sich im Februar bereits gemeinsam mit seiner Neu-ulmer Amtskolleg­in Katrin Albsteiger für ein einheitlic­hes Vorgehen ausgesproc­hen. Eine Öffnung „in kleinen Häppchen alle paar Tage“ergebe keinen Sinn, teilte Czisch damals mit. „Das versteht am

Ende keiner mehr. Und dann gehen die Leute von der Fahne“, so der Cdu-politiker. Dass gerade im Grenzberei­ch einheitlic­he Regeln für mehr Akzeptanz sorgen, sagte auch Albsteiger.

Mehr Akzeptanz für die Situation soll auch durch mehr Tests erreicht werden. Die Stadt Ulm erprobt nun, wie kostenlose Tests auf das Coronaviru­s in der Bürgerscha­ft ankommen.

Am Freitag stellte Czisch einen zur mobilen Teststatio­n umgerüstet­en SWU-BUS vor. „Solange es nicht genügend Impfstoffe für alle gibt, ist regelmäßig­es Testen enorm wichtig, um Infektione­n schnell zu erkennen und Ansteckung­sketten rasch zu unterbrech­en“, sagte Czisch. Noch seien die Tests Ulmern vorbehalte­n, doch in Kürze sollen Busse auch durch den Kreis Neu-ulm fahren, sobald Fragen der Abrechnung mit der kassenärzt­lichen Vereinigun­g geklärt sind.

Betrieben wird diese rollende Teststatio­n von Mario Schneider und einer Tochterfir­ma der SHS Security um Besim und Barny Sancakli.

Schneider ist als Gastronom bekannt und sieht sein derzeitige­s Engagement auch letztlich als einen Beitrag, diesen Beruf wieder ausüben zu dürfen. „Ich will wieder das machen, wofür ich brenne. Und das ist die Gastronomi­e und das Nachtleben“, sagt der Chef des Theatro in der Ulmer Hirschstra­ße.

Dem Staat wollte er nach dem Betriebsve­rbot nicht auf der Tasche liegen. Und so zeigte sich der 40-Jährige kreativ, was die Nutzung der Disco angeht: Nach dem Tanzverbot kam das Gastro-projekt „Zirkel 854“, als das wegen Corona nicht mehr erlaubt war, eröffnete der „Super Markt“der regionalen Dinge. Der Gipfel der Corona-veränderun­gen ist seit einiger Zeit das Covid-schnelltes­t-zentrum, das nun im Theatro untergebra­cht ist.

Wenn Schneider etwas mache, dann richtig: Und so kooperiert er mit einem Labor aus Augsburg, das den Hut im medizinisc­hen Bereich auf habe. Dass der Gastronom auf unfreiwill­igen Abwegen nicht nur Barkeeping, sondern auch Corona-tests organisier­en kann, ist jetzt auch der Stadt Ulm aufgefalle­n, sodass Schneider nun mit der Shs-tochter CPN den Testbus betreibt.

Die erste Station für den Testbus wird vor dem Weststadth­aus, Moltkestra­ße 10, sein. Dort soll er künftig freitags immer von 12 bis 18 Uhr haltmachen. Getestet wird, wer zuvor einen Termin vereinbart hat. Das vermeidet lange Wartezeite­n und Schlangest­ehen.

Terminvere­inbarungen können unter ulm.de/schnelltes­ts vorgenomme­n werden. Vermutlich kommende Woche wird klar sein, ob und wann der Bus in Neu-ulm haltmacht.

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FOTO: HECKMANN Abstrich am ersten Einsatztag im neuen Ulmer Corona-testbus.

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