Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„In Wallung“wegen Corona
Ulms OB erhöht Druck wegen Unterschieden zwischen Ulm und Neu-ulm – Testbus rollt
- In „Wallung“gerät Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch nach eigenen Worten, wenn er an die Unterschiede der Corona-regeln in Ulm und dem Kreis Neu-ulm denkt. „In Ulm muss man eine Stunde anstehen, um ein paar Socken zu kaufen“, sagt der OB. In Neu-ulm hingegen ist das umständliche Anmeldungsmodell im Einzelhandel nicht zu finden, dort kann fast normal eingekauft werden.
Für eine Ungleichbehandlung der „Zweilandstadt“gebe es keinerlei nachvollziehbare Gründe. Deswegen will das Czisch ändern.
Im Ulmer Rathaus seien dafür auch die Verläufe der Inzidenzwerte in Ulm und dem Kreis Neu-ulm verglichen worden. Diese würden absolut im Gleichschritt verlaufen, wenn man klar abgrenzbare Ausbrüche etwa auf Großbaustellen herausrechne. Die Politik müsse „vernunftbasiert“argumentieren, doch da gebe es klare Mängel.
„Ich spüre, dass die Menschen unruhig werden, weil sie nicht mehr verstehen, was man hier darf, aber ein paar Meter weiter nicht“, so Czisch. Deswegen werde er demnächst einen Brief an den zuständigen Sozialminister Manfred „Manne“Lucha schreiben und um Handhabe bitten, was Ulm in die Wege leiten müsste, um immer die gleichen Regeln wie Neuulm zu bekommen.
„Ich formuliere bewusst keinen Antrag“, so Czisch. „Da wird dann wieder Punkt drei oder vier aus irgendwelchen Gründen abgelehnt.“Er wolle „vernunftbasiert“argumentieren und fordere, dass sich „die Realität der Menschen“auch in Coronaregeln wiederfinde. „Was in Neuulm geht, muss auch in Ulm gehen.“
Czisch fordert Perspektiven für die von Corona gebeutelten Branchen. Die Stadt Ulm wolle diese mit eigener Kraft befördern: 1,15 Millionen Euro aus der Stadtkasse seien für Hunderttausende Corona-tests ausgegeben worden. So will Czisch möglichst bald zu etwas Normalität finden. Er kann sich vorstellen, dass mit einem negativen Corona-test der Besuch im Theater oder der Außengastronomie wieder möglich werde. So könne der Testbus direkt vor dem Theater parken: Einlass nur nach Test sozusagen. „Das könnte dann auch ein paar Euro kosten.“
In der „Zweilandstadt“regt sich nicht zum ersten Mal Widerstand gegen die Corona-regeln. Czisch hatte sich im Februar bereits gemeinsam mit seiner Neu-ulmer Amtskollegin Katrin Albsteiger für ein einheitliches Vorgehen ausgesprochen. Eine Öffnung „in kleinen Häppchen alle paar Tage“ergebe keinen Sinn, teilte Czisch damals mit. „Das versteht am
Ende keiner mehr. Und dann gehen die Leute von der Fahne“, so der Cdu-politiker. Dass gerade im Grenzbereich einheitliche Regeln für mehr Akzeptanz sorgen, sagte auch Albsteiger.
Mehr Akzeptanz für die Situation soll auch durch mehr Tests erreicht werden. Die Stadt Ulm erprobt nun, wie kostenlose Tests auf das Coronavirus in der Bürgerschaft ankommen.
Am Freitag stellte Czisch einen zur mobilen Teststation umgerüsteten SWU-BUS vor. „Solange es nicht genügend Impfstoffe für alle gibt, ist regelmäßiges Testen enorm wichtig, um Infektionen schnell zu erkennen und Ansteckungsketten rasch zu unterbrechen“, sagte Czisch. Noch seien die Tests Ulmern vorbehalten, doch in Kürze sollen Busse auch durch den Kreis Neu-ulm fahren, sobald Fragen der Abrechnung mit der kassenärztlichen Vereinigung geklärt sind.
Betrieben wird diese rollende Teststation von Mario Schneider und einer Tochterfirma der SHS Security um Besim und Barny Sancakli.
Schneider ist als Gastronom bekannt und sieht sein derzeitiges Engagement auch letztlich als einen Beitrag, diesen Beruf wieder ausüben zu dürfen. „Ich will wieder das machen, wofür ich brenne. Und das ist die Gastronomie und das Nachtleben“, sagt der Chef des Theatro in der Ulmer Hirschstraße.
Dem Staat wollte er nach dem Betriebsverbot nicht auf der Tasche liegen. Und so zeigte sich der 40-Jährige kreativ, was die Nutzung der Disco angeht: Nach dem Tanzverbot kam das Gastro-projekt „Zirkel 854“, als das wegen Corona nicht mehr erlaubt war, eröffnete der „Super Markt“der regionalen Dinge. Der Gipfel der Corona-veränderungen ist seit einiger Zeit das Covid-schnelltest-zentrum, das nun im Theatro untergebracht ist.
Wenn Schneider etwas mache, dann richtig: Und so kooperiert er mit einem Labor aus Augsburg, das den Hut im medizinischen Bereich auf habe. Dass der Gastronom auf unfreiwilligen Abwegen nicht nur Barkeeping, sondern auch Corona-tests organisieren kann, ist jetzt auch der Stadt Ulm aufgefallen, sodass Schneider nun mit der Shs-tochter CPN den Testbus betreibt.
Die erste Station für den Testbus wird vor dem Weststadthaus, Moltkestraße 10, sein. Dort soll er künftig freitags immer von 12 bis 18 Uhr haltmachen. Getestet wird, wer zuvor einen Termin vereinbart hat. Das vermeidet lange Wartezeiten und Schlangestehen.
Terminvereinbarungen können unter ulm.de/schnelltests vorgenommen werden. Vermutlich kommende Woche wird klar sein, ob und wann der Bus in Neu-ulm haltmacht.