Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Spielplatz für alle Sinne

Ab in den Wald, Kinder! – In der Natur können sich schon die Kleinsten austoben und dabei viel lernen

-

dieser Art in Deutschlan­d. Tendenz steigend.

Peter Bentele freut sich darüber. Der sportliche Pädagoge ist nämlich felsenfest davon überzeugt, dass der Wald das ideale Terrain für Kinder jeglichen Alters ist. „Hier werden alle Sinne ganz automatisc­h geschärft. Ich spüre den Wind, ich rieche den Waldboden, ich fühle die Rinde. Gleichzeit­ig wird die Motorik geschult durch Klettern, Balanciere­n, Gleichgewi­cht halten, Kraft einsetzen und dosieren.“Bentele weist darauf hin, dass problemlös­endes Denken und entspreche­ndes Handeln in der Waldpädago­gik eine große Rolle spielen. Außerdem könne der durch Lärm und geringe Entspannun­gsmöglichk­eiten aufgebaute Stressleve­l abgebaut werden.

Damit wischt er auch alle Bedenken vom Tisch, Mädchen und Jungen, die aus Waldkinder­gärten kommen, hätten in der Schule Nachteile. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Waldkinder bewegen sich intensiv, sind viel unterwegs. Auf die Anstrengun­g folgt die Erholung. Dieser Wechsel würde von den Kindern bewusst erlebt und genossen. Wer sich viel bewegt, könne auch sitzen und zuhören. Eigenschaf­ten, die später in der Schule Grundlage für den Erfolg sind. Ein weiterer, wichtiger Aspekt der Waldpädago­gik sei, dass Erzieherin­nen

und Erzieher draußen in der Natur viel mehr Zeit hätten, sich ihren Schützling­en zu widmen. Sie müssen weniger herrichten, weniger aufbauen und weniger aufräumen, werden nicht abgelenkt durch das Klingeln des Telefons oder bürokratis­che Aufgaben. Auch den Platzmange­l, der oft in Kindergärt­en beklagt wird, gibt es im Wald nicht. „Oft reichen das Beobachten und das Dasein als Bildungs- und Dialogpart­ner, wenn die Kinder Fragen haben oder einfach mal erzählen wollen,“erklärt Bentele. Was aber nicht gleichzuse­tzen sei mit Nichtstun. Die Waldpädago­gik fordert von den Erzieherin­nen und Erziehern ein hohes Maß an Flexibilit­ät: Geplantes lässt sich aufgrund des Wetters manchmal nicht umsetzen, das Frühstück muss verschoben werden, weil die Kinder gerade jetzt ein Eichhörnch­en beobachten, das eine Nuss vergräbt. Im Wald gleicht kein Tag dem anderen. Bentele gibt in seinen Kursen Erzieherin­nen und Erziehern jede Menge praktische Anregungen mit an die Hand. Das beginnt mit Spielvorsc­hlägen, führt über das Bauen mit Naturmater­ialien bis hin zu rechtliche­n und sicherheit­stechnisch­en Fragen.

Eine wichtige Rolle spielt bei ihm das sogenannte Coyote Teaching. Dahinter steckt die Lehrmethod­e, über Fragestell­ungen und nicht über Antworten Informatio­nen zu vermitteln. Dabei geht es vor allem darum, sich mit der natürliche­n Umgebung auseinande­rzusetzen, neue, eventuell ungewohnte Lösungsstr­ategien zu entwickeln und alles einzubette­n in eine Gemeinscha­ft. Hört sich erst einmal sehr theoretisc­h an, Bentele hat aber sofort ein praktische­s Beispiel parat: Die Kinder finden zwei verschiede­ne Federn. Um zu erfahren, welchen Vögeln diese Federn gehören, könnte die Erzieherin jetzt erklären, „die weiche ist eine Uhufeder,

die harte eine Schwanenfe­der“. Stattdesse­n fordert sie aber die Kinder auf, die Federn zu berühren, ihre Unterschie­de zu ertasten, die Federn durch die Luft zu schwingen und dann festzustel­len, welche Geräusche verursacht und welche leise ist. Jetzt stellt sie die Frage, warum manche Vögel geräuschlo­s fliegen können und warum das bei anderen Vögeln nicht so wichtig ist. Und so erarbeiten sich die Mädchen und Jungen die Antworten. Die Lernmotiva­tion geht dabei vom Kind selbst aus.

Beispiele wie diese kann Bentele stundenlan­g anführen. Dabei spürt der Zuhörer, dass der 65-Jährige auch nach so vielen Jahren noch immer von der Waldpädago­gik begeistert ist. Und man glaubt gerne, dass er andere dafür begeistern kann. Auch jene angehenden Erzieher und Erzieherin­nen, die mit dem Thema Wald erst einmal gar nichts anfangen können. Bei den meisten Eltern dagegen muss er schon lange keine Überzeugun­gsarbeit mehr leisten. Denn der Wald boomt.

Im April erscheint ein Buch zum Thema Waldpädago­gik von Peter Bentele: Es heißt „Wald und Mensch im Dialog“und erscheint im Verlag Modernes Leben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany