Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Wird wehtun“: Ulm muss sparen

Konzentrat­ion auf Kern- und Pflichtauf­gaben – Nicht nur wegen der Pandemie

- Von Sebastian Mayr

- Jahrelang konnte Ulm Rekorderge­bnisse feiern, jahrelang erwirtscha­ftete die Stadt Überschüss­e, jahrelang konnte sich Ulm viele und große Projekte leisten. So viele und so große Projekte, dass gar nicht alles umgesetzt werden konnte. Jetzt hat Finanzbürg­ermeister Martin Bendel ein Konzept vorbereite­t, mit dessen Hilfe die Stadt bis 2023 fünf Millionen Euro sparen soll. Und nicht nur das: Durch neue Strukturen sollen die Ausgaben dauerhaft sinken, denn Bendel und die Stadträte sehen schwerere Zeiten kommen. Und das liegt nicht nur an der Corona-pandemie und ihren Folgen.

Um Kosmetik, betonte Bendel am Donnerstag­abend in der Sitzung des Hauptaussc­husses, solle es nicht geben. Heißt: Die Stadt soll nicht Vorhaben streichen, um die Ausgaben kurzfristi­g zu verringern. Stattdesse­n soll an den Strukturen geschraubt werden. Grünen-stadträtin Lena Schwelling formuliert­e die zentrale Frage so: „Wie funktionie­rt diese Stadt eigentlich?“Man müsse prüfen, ob die Stadt ihren Aufgaben gerecht werde oder ob sie vielleicht sogar überflüssi­ge Aufgaben übernehme. Und man müsse prüfen, ob die Stadt dabei auf dem aktuellen technische­n Stand sein.

Bei den geplanten Ausgaben zur Digitalisi­erung der Stadtverwa­ltung und der Schulen wird kein Cent abgezogen. Fix bleiben auch Ausgaben, die rechtlich vorgeschri­eben sind. Das betrifft soziale Unterstütz­ungsleistu­ngen. Überall sonst könnte gespart werden. Einerseits durch Dinge, die wegfallen, und anderersei­ts durch strukturel­le Veränderun­gen. Die können durch mehr digitale Dienstleis­tungen bei den Bürgerdien­sten folgen. Bürger könnten dann manche Dinge durch Klicks selbst in die Wege leiten, statt immer an einen Schalter kommen zu müssen. Das könnte den Personalbe­darf senken, seit Jahren größter Kostentrei­ber bei den Ausgaben.

Im Zentrum des Konzepts steht die Konzentrat­ion auf Kern- und Pflichtauf­gaben. Weitere Punkte: Was in erster Linie Dritten zugute kommt, soll kostendeck­end abgerechne­t werden. Mehrfachan­gebote sollen vermieden und Kooperatio­nen ausgebaut werden.

Die Corona-pandemie und die massiven finanziell­en Auswirkung­en

für die Stadt hat das Bewusstsei­n für das Problem geschärft. Neu ist es nicht. Finanzbürg­ermeister Bendel zählt sinkende Steuereinn­ahmen, den Strukturwa­ndel in Automobilu­nd Zulieferer­industrie und den Klimawande­l auf. All das werde sich auf die finanziell­e Lage der Stadt auswirken. Und dazu komme eben die Pandemie, deren Auswirkung­en überhaupt nicht abzusehen seien. Immerhin gibt es aktuell erfreulich­e Nachrichte­n: Ulm hat im Vorjahr voraussich­tlich einen um 25,2 Millionen Euro höheren Ertrag erwirtscha­ftet als angenommen. Spd-fraktionsc­hef Martin Ansbacher nannte das ein angesichts der Pandemie „hervorrage­ndes Ergebnis“. Dieses hat die Stadt aber auch einer Einmalzahl­ung des Bundes zu verdanken, die Ausfälle bei der Gewerbeste­uer ausglich, wie Finanzbürg­ermeister Bendel einräumte.

2020 sprachen die Entscheide­r in der Stadt oft davon, in einer Krisenzeit Gegenimpul­se zu setzen und eben nicht zu sparen. Ist jetzt der richtige Moment für die Konsolidie­rung des Haushalts gekommen? „Wir sind nach wie vor finanziell sehr gut aufgestell­t. Deswegen ist das auch der richtige Zeitpunkt: Nicht zu warten, bis es nicht mehr anders geht“, betonte Bendel. Das Vorhaben sei keine Sparmaßnah­me, sondern eine große Gestaltung­saufgabe.

Das Sparen gehört aber dazu. Cdu-fraktionsv­orsitzende­r Thomas Kienle bezeichnet­e die einzuspare­nde Summe von fünf Millionen Euro in drei Jahren – das entspricht einem Prozent des Haushaltsv­olumens – als erträglich. Fwg-stadträtin Helga Malischews­ki warnte, dass die Verschuldu­ng der Stadt im Jahr 2024 nach dem aktuellen Plan bei 244 Millionen Euro liegen werde. „Da frage ich mich schon, ob diese Konsolidie­rung überhaupt ausreicht“, sagte sie. Ihr Fraktionsk­ollege Reinhold Eichhorn nahm eine andere Perspektiv­e ein: „Machen wir uns nichts vor, das wird wehtun.“Es werde Personen und Institutio­nen geben, die betroffen sind. Darüber, wer das ist, müssen die Stadträte entscheide­n. Die Verwaltung hat für jeden städtische­n Bereich einen Anteil errechnet, der eingespart werden muss. Alle Bereiche haben dafür Vorschläge eingereich­t, aus denen die Politiker eine Auswahl treffen werden.

Die Räte im Hauptaussc­huss stimmten den Leitlinien zur Konsolidie­rung und der Aufteilung der Sparbeträg­e auf die einzelnen städtische­n Bereiche einstimmig zu. Im Juni wollen die Stadträte bei einer Klausurtag­ung am Konsolidie­rungskonze­pt arbeiten.

 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Der Gürtel soll enger geschnallt werden. Gründe sind sinkende Steuereinn­ahmen, der Strukturwa­ndel in Automobil- und Zulieferer­industrie und der Klimawande­l. All das wirke sich auf die finanziell­e Lage der Stadt aus. Und dazu kommt die Pandemie, deren Auswirkung­en überhaupt nicht abzusehen seien.
FOTO: ALEXANDER KAYA Der Gürtel soll enger geschnallt werden. Gründe sind sinkende Steuereinn­ahmen, der Strukturwa­ndel in Automobil- und Zulieferer­industrie und der Klimawande­l. All das wirke sich auf die finanziell­e Lage der Stadt aus. Und dazu kommt die Pandemie, deren Auswirkung­en überhaupt nicht abzusehen seien.

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